Panorama: Auf der Straße des Größenwahns
Der Neue Arbat in Moskau soll Fußgängerzone werden – die Pläne für den Umbau zur Flaniermeile sind hoch umstritten
Moskaus Oberbürgermeister Jurij Luschkow sorgt sich offenbar um einen ehrenvollen Eintrag in die Geschichtsbücher. Bevor seine Amtszeit demnächst abläuft, setzte er seine Unterschrift unter ein Vorhaben, zu dem es laut Projektbeschreibung weltweit nichts Gleichwertiges gibt. Kritiker sprechen von Größenwahn und kommen damit der Wahrheit bedenklich nahe: Mit einem Aufwand von mehr als einer Milliarde US-Dollar soll der Neue Arbat zur Fußgängerzone umgebaut werden. Mit Edelboutiquen, Nobelrestaurants, Nachtclubs und allem, was sonst noch zu einer Flaniermeile gehört.
Fußgängerzonen, noch dazu begrünte, gibt es in der Zwölf-Millionen-Metropole bisher so gut wie nicht. Der Neue Arbat indes ist für das Vorhaben ziemlich ungeeignet. Er hieß bis 1993, benannt nach einem sowjetischen Parlamentschef, Kalinin- Prospekt. Die Prachtstraße gehört zu den schlimmsten realsozialistischen Geschmacksverirrungen. Dominiert wird sie von Wolkenkratzern, die einander gleichen, wie ein Ei dem anderen, locker verbunden durch zweigeschossige Bauten. Die Moskauer haben nicht vergessen und schon gar nicht verziehen, dass für die architektonische Scheußlichkeit Ende der sechziger Jahre das historische Viertel um den Alten Arbat plattgemacht wurde.
Noch bedenklicher erscheinen den meisten Einwohnern der Stadt die neuen Pläne: Der Verkehr auf der Hauptstraße soll künftig in einen Tunnel unterhalb der Straße umgeleitet werden. Dabei bilden sich trotz der insgesamt acht Fahrspuren schon jetzt zur Hauptverkehrszeit kilometerlange Staus.
Das Interesse der Architekten für den Wettbewerb, der offiziell Mitte kommenden Jahres ausgeschrieben werden soll, ist daher stark gebremst. Als Favorit gilt momentan ein Projektierungsbüro, dessen Chef pikanterweise der Sohn jenes Architekten ist, auf dessen Reißbrett vor 40 Jahren die Pläne für den Neuen Arbat in seiner gegenwärtigen Form entstanden: Michail Posochin. Russische Medien rechnen allerdings fest auch mit einer Teilnahme des Tiefbaukonzerns Inteco, der bisher bei sämtlichen Prestigeprojekten in der russischen Hauptstadt den Zuschlag bekam. Denn Konzernchefin ist die Gattin von Oberbürgermeister Luschkow: Jelena Baturina, 43 und mit einem geschätzten Privatvermögen von 2,4 Milliarden US-Dollar Russlands reichste Frau.
Baturina selbst weist Spekulationen zu Schnittstellen von politischer Macht und wirtschaftlichem Erfolg energisch zurück und droht den Urhebern mit Klagen vor russischen Gerichten, die bisher freilich nicht durch Unabhängigkeit auffielen. Erst Anfang Dezember legte sie sich mit Axel Springer Russland an. In der russischen Ausgabe des US-Wirtschaftsmagazins „Forbes“ sollte als Titelstory ein Artikel über Baturina erscheinen, bei dem es um die Perspektiven ihres Konzerns nach der Verabschiedung von Ehemann Luschkow in den Ruhestand ging. Massiv von Baturina unter Druck gesetzt, lieferte Springer Russland die beanstandete Ausgabe erst aus, als „Forbes“ mit dem Entzug der Drucklizenz drohte.
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