Neues Gutachten: Attentäter Breivik zurechnungsfähig
Ein neues Gutachten erklärt den norwegischen Attentäter Anders Behring Breivik für geistig gesund. Breivik hat gestanden, im Sommer des vergangenen Jahres mehr als 77 Menschen getötet zu haben.
Der Norweger Anders Breivik, der am 22. Juli 2011 in Oslo und auf der Insel Utöya 77 Menschen tötete, ist nach einem neuen psychiatrischen Gutachten nicht geisteskrank und kann daher für seine Taten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
Nach einer ersten Einschätzung hatten ihm forensische Psychiater im Januar eine paranoide Schizophrenie attestiert. Doch wollte nicht nur die Mehrheit der norwegischen Gesellschaft den Täter lieber in einem Gefängnis als in der Psychiatrie sehen. Auch die Psychologen, die Breivik täglich im Gefängnis betreuten, meldeten Zweifel an. Also wurde der Mörder erneut untersucht. Der rechtsradikale Islamhasser hat 77 Menschen getötet, darunter viele Jugendliche.
Am Dienstag nun stellten die beiden Psychiater Agnar Aspaas und Terje Törrisen ihren Bericht vor – das Gericht wird ihn zügig prüfen. Denn schon am kommenden Montag, dem 16. April, soll der Prozess gegen Breivik beginnen. In den zehn folgenden Wochen soll sich der 33-Jährige vor Gericht für die Morde verantworten. Längst hat er gestanden, im Regierungsviertel von Oslo am Nachmittag des 22. Juli eine Bombe gezündet und anschließend auf der Insel Utöya 69 jugendliche Teilnehmer eines Jugendlagers der Arbeiterpartei erschossen zu haben. Nur schuldig, glaubt Breivik, sei er nicht.
Über das neue Gutachten wird sich der selbst erklärte „politische Aktivist“ dementsprechend freuen. Noch vor wenigen Tagen zitierte die norwegische Tageszeitung „VG“ aus einem offenen Brief Breiviks, in dem er das erste Gutachten angriff. Er schrieb: „Offen gesagt, das ist das Schlimmste, das mir passieren konnte, denn es ist die ultimative Erniedrigung.
Schon in der ersten Anhörung gleich nach seiner Tat deutete sich an, dass Breivik versuchen würde, den Prozess vor allem für eines zu nutzen: um für seine Ideologie einer reinen norwegischen Gesellschaft zu werben, gegen Multikulturalismus, gegen zu viel Freiheiten und „kulturellen Marxismus“, wie er es nennt und ausbuchstabiert hat in einem mehr als 1500-seitigen Manifest, das er vor seinen Taten online stellte. „Sie werden mich für verrückt erklären“, schrieb er. „Glaubt es nicht.“ Die Norweger, meint Breivik, müssten ihm dankbar sein. Weil er die schwierige Aufgabe auf sich nahm, ein Zeichen zu setzen. Zu Morden war ihm kein Genuss – aber ein notwendiges Übel.
Aus dem ersten Gutachten der Psychiater Torgeir Husby und Synne Sörheim zitierte der „Spiegel“ Breivik mit den Worten: „An diesem Tag führte ich allein einen Krieg gegen all die Regime Westeuropas. Ich habe mich jede Sekunde traumatisiert gefühlt, als Blut und Gehirn gespritzt sind. Krieg ist die Hölle.“ Die neuen Gutachter glauben nun, Breivik sei zum Zeitpunkt der Tat am 22. Juli „nicht psychotisch“ gewesen. Die Gefahr allerdings, dass Breivik erneut sehr gewalttätig sein könnte, sei sehr hoch.
Alle vier Experten sollen auch im Prozess noch einmal aussagen, das Gericht wird beide Gutachten berücksichtigen. Erklären die Richter Breivik für schuldfähig, droht ihm die maximale Haftstrafe von 21 Jahren. Ist er unzurechnungsfähig, wird er in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Das Ergebnis des neuen Gutachtens, sagt der Psychotherapeut Joachim Bauer, habe ihn nicht besonders überrascht. Eher sei er erstaunt gewesen über die erste Einschätzung der Forensiker. Dass Breivik seine Taten über Jahre detailliert und systematisch plante sowie die konsistente Ideologie hinter seinem Tun sprächen eher gegen eine Schizophrenie. „Allerdings glaube ich, dass Breivik eine schwere Persönlichkeitsstörung, eine sogenannte Psychopathie hat“, sagt Bauer. Eben weil es höchstwahrscheinlich sei, dass der äußerst gefühllos erscheinende Breivik gewalttätig bleibe, gehöre er so oder so in Gewahrsam. (mit dpa/AFP)
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