Connecticut: Amokläufer tötet 20 Kinder und sechs Erwachsene
Amerika steht unter Schock: Ein 20-jähriger Amokläufer hat in Newtown im US-Bundesstaat Connecticut 20 Kinder und sechs Erwachsene getötet. Präsident Barack Obama kämpfte mit den Tränen und setzte das Thema Waffengesetze wieder auf die Agenda.
Eine gute Woche vor Weihnachten trauern die USA um die Opfer eines der blutigsten Schulmassaker in der Geschichte Amerikas. In Newtown, einer Kleinstadt im Südwesten Connecticuts mit circa 27.500 Einwohnern, betrat ein junger Mann am Freitagmorgen gegen 9.30 Uhr Ortszeit die Sandy-Hook-Grundschule, ging in das Klassenzimmer und tötete zahlreiche Kinder in dem Raum. Er erschoss auch die Schuldirektorin und den Schulpsychologen, die offenbar zu Hilfe kamen, als sie die Schüsse hörten, und versuchten, den Täter zu überwältigen.
Bei dem Amoklauf kamen insgesamt 27 Menschen ums Leben, darunter 20 Schulkinder im Alter zwischen fünf und zehn Jahren sowie sieben Erwachsene. Der Täter tötete sich offenbar selbst. Sein Name wird mit Adam Lanza angegeben.
Zusätzlich zu den Toten in der Schule habe man die Leiche der Mutter des Amokläufers in einer Wohnung in Newtown gefunden, berichtete der Nachrichtensender CNN. Nancy Lanza habe als Lehrerin an der Schule gearbeitet. Unklar sei aber, wann sie genau getötet wurde. Auch ist noch nicht offiziell bestätigt, dass der Amokläufer ebenfalls für diese Tat verantwortlich ist.
Nähere Angaben über den mutmaßlichen Täter lagen zunächst nicht vor. Es hieß lediglich, er sei bisher nicht polizeiauffällig gewesen. Der 20-Jährige soll laut US-Medien bei seiner geschiedenen Mutter gewohnt haben. CNN berichtete über mögliche psychische Probleme des Mannes, nannte aber keine Einzelheiten.
Die Bluttat in der Schule spielte sich innerhalb von wenigen Minuten ab, erklärten Ermittler. Nach Berichten von Augenzeugen gab der Amokläufer bis zu 100 Schüsse ab. „Es machte Bang, Bang, ich habe Schreie gehört“, schilderte ein Junge die Szene.
Der Mann sei ganz in schwarz gekleidet in die Sandy Hook Elementary School eingedrungen und habe das Feuer eröffnet. Er habe zudem eine schusssichere Weste getragen. Lehrer versuchten in Panik, ihre Schüler in Sicherheit zu bringen. „Es war entsetzlich“, beschrieb eine 29-jährige Lehrerin das Horrorszenario an ihrer Schule. „Ich habe nicht geglaubt, dass wir überleben würden“, sagte Kaitlin Roig dem US-Sender ABC. Als sie Schüsse hörte, habe sie sich mit ihren 14 Schülern auf der Toilette eingeschlossen. „Ich habe ihnen gesagt, sie müssten absolut still sein“. „Es wird alles gut werden“, habe sie die weinenden Kinder getröstet, erzählte die Lehrerin unter Tränen.
Die Fernsehsender zeigten erschütternde Augenzeugenberichte und Bilder, wie Kindergruppen unter Polizeischutz im Gänsemarsch, die eine Hand auf der Schulter des Kindes davor, aus dem Gebäude geführt werden. Viele von ihnen weinten, ihr Schluchzen schüttelte die kleinen Körper.
Die Polizei stellte drei Waffen sicher: Ein halbautomatisches Sturmgewehr und zwei Pistolen. Alle drei Waffen seien legal erworben worden und auf den Namen der Mutter registriert, berichteten Medien.
In der Nacht war die Sandy Hook Elementary School mit den Kinderleichen noch als Tatort abgesperrt. Es handele sich um eine „gewaltige Untersuchung“, sagte ein Polizeisprecher. Es gebe derzeit nur eine vorläufige Liste mit den Namen der getöteten 20 Kinder und sechs Erwachsenen. Die Familien seien informiert worden.
Weltweites Entsetzen über Blutbad
US-Präsident Barack Obama wandte sich am Freitag Nachmittag über die Fernsehsender an die Nation und versuchte den Familien der Opfer Trost zu spenden.
„Unsere Herzen sind gebrochen“, sagte er unter Tränen. „Heute Abend werden Michelle und ich das selbe tun wie wohl alle Eltern in Amerika. Wir werden unsere Kinder noch ein bisschen fester in den Arme nehmen und ihnen sagen, dass wir sie lieben.“ In Connecticut gebe es nun jedoch „Eltern, die das nicht mehr tun können“ sowie „kleine Kinder, denen die Unschuld viel zu früh genommen wurde“. Die Obamas haben selbst zwei Töchter in schulpflichtigem Alter.
Der Präsident deutete an, dass er eine Debatte über die Waffengesetze in den USA anstrebe. „Wir haben zu viele solche Tragödien in den jüngsten Jahren erlebt.“ Er verwies auf die Schießereien in einem Einkaufszentrum in Oregon mit drei Toten am Dienstag, in einem Sikh-Tempel in Wisconsin mit sechs Toten im August und das Kino-Massaker in Colorado mit zwölf Toten im Juli.
Nur wenige Stunden nach dem Blutbad versammelten sich in der Nacht zum Samstag rund hundert Demonstranten vor dem Weißen Haus in Washington. Sie verlangten ein strengeres Waffenrecht. „Wir können nicht zulassen, dass es so weitergeht“, sagte Demonstrantin Linda Finkel-Talvadkar. Seit dem Amoklauf in einem Kino in Colorado protestiert sie jeden Montag vor dem Amtssitz des US-Präsidenten.
Eine Verschärfung des Waffenrechts war bislang jedoch kaum zu erwarten. „Es geschehen furchtbare Dinge. Wir versammeln uns, singen Lieder, zünden Kerzen an. Dann gehen alle wieder nach Hause“, sagt die Vorschullehrerin Barbara Elsas. „Das ist nicht die Antwort“.
Der Amoklauf in Connecticut werde die Debatte anstoßen, sagte der Pressesprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, am Freitag (Ortszeit). „Aber ich glaube nicht dass heute der Tag dafür ist.“ Die Demonstranten vor dem Weißen Haus wollen aber nicht mehr warten: Viele hielten Schilder mit der Aufschrift „Heute ist der Tag.“
Der Gouverneur des Bundesstaates Connecticut, Dan Malloy, sagte: „Das Böse hat unsere Gemeinde besucht. Es ist eine schreckliche Zeit.“
Das Massaker in Newtown stieß weltweit auf Entsetzen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte „tieftraurig“ auf die Nachrichten aus Newtown. „Wieder einmal stehen wir voller Entsetzen vor einer Tat, die wir nicht begreifen können“, erklärte Merkel in einer am Samstag verbreiteten Mitteilung. Für viele Familien bedeute das unbeschreibliches Leid. „Der Gedanke an die ermordeten Schüler und Lehrer macht mir das Herz schwer. Mein tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen, ihnen wünsche ich Kraft und Zuspruch, mögen sie in ihrem Schmerz nicht alleine bleiben“, sagte Merkel.
Papst Benedikt XVI. sandte ein Kondolenzschreiben an die Gemeinde in der Stadt Newtown, das bei einem Gottesdienst in dem Ort am Freitagabend vorgetragen wurde. „Ich bitte Gott, unseren Vater, all denen Trost zu spenden, die trauern, und der gesamten Gemeinde die spirituelle Kraft zu geben, die mit der Macht der Vergebung, Hoffnung und versöhnender Liebe über Gewalt triumphiert“, schrieb das katholische Kirchenoberhaupt.
Kanadas Premier Stephen Harper schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, die Gedanken und Gebete der Kanadier gelten den Schülern und Familien, die Opfer „dieser sinnlosen Gewalt“ wurden. Sein Außenminister John Baird erklärte, die Kanadier stünden „Seite an Seite mit unseren amerikanischen Freunden in dieser schwierigen Zeit“. Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto erklärte, nach der „Tragödie in Connecticut“ gelte seine Solidarität den US-Bürgern und Präsident Barack Obama. Der philippinische Staatschef Benigno Aquino sprach den US-Bürgern seine „tiefe Bewunderung“ aus, wie sie den Betroffenen beistünden.
Zuvor hatten sich bereits UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, Queen Elizabeth II., die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bestürzt über die Tat gezeigt. Auch der britische Premier David Cameron, Frankreichs Präsident François Hollande und die australische Regierungschefin Julia Gillard drückten ihr Mitgefühl aus. (mit dpa/AFP)