Steuerhinterziehung: Alice Schwarzer müsste nicht wie Uli Hoeneß ins Gefängnis
Sollten Berichte über weitere mögliche Steuerhinterziehungen zutreffen, müsste Alice Schwarzer trotzdem nicht wie Uli Hoeneß ins Gefängnis. Die Höhe der Steuerschulden wäre zu gering. Die SPD fordert von Schwarzer Aufklärung.
Dass Alice Schwarzer ebenso wie Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis muss, ist unwahrscheinlich. Für eine solch harte Strafe muss es schon um einen hohen Millionenbetrag gehen. Bei Hoeneß, der am vergangenen Montag seine dreieinhalb Jahre Haft wegen Steuerhinterziehung antrat, sollen es 28,4 Millionen Euro gewesen sein. Mit den Unterlagen, die Hoeneß zum Zeitpunkt der Selbstanzeige vorlagen, sei keine wirksame Selbstanzeige möglich gewesen, hieß es in der Urteilsbegründung.
Berichte über Hausdurchsuchungen bei Alice Schwarzer
Der Vize-Vorsitzende der Bundes-SPD, Ralf Stegner, forderte von Schwarzer, die neuen Vorwürfe rasch aufzuklären. „Auf der einen Seite stehen das Steuergeheimnis und das Recht auf ein faires Verfahren, in dem die Unschuldsvermutung selbstverständlich auch für Prominente wie Frau Schwarzer gelten muss. Auf der anderen Seite hat gerade Alice Schwarzer mit ihren hochfahrenden moralischen Vorhaltungen gegen andere auch zum Thema Steuerkriminalität die Latte für sich selbst sehr hochgelegt“, sagte Stegner "Handelsblatt Online". „Auch ihre „Notwehrvergleiche“ als Begründung dafür, das eigene Vermögen in die Schweiz zu transferieren und ganz besonders ihre mehr als fragwürdige Selbsteinordnung bei Sophie Scholl oder Mutter Theresa deuten darauf hin, dass rasche Aufklärung im ureigenen Interesse von Frau Schwarzer ist.“
Nach Informationen des „Spiegel“ könnte Feministin Alice Schwarzer noch mehr Steuern hinterzogen haben als bisher bekannt war. Mitte Mai sollen die Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung Köln diverse Objekte durchsucht und mehrere Durchsuchungsbeschlüsse für Bankkonten vollstreckt haben. Die Beamten hätten den Verdacht, dass Schwarzer Steuern aus selbstständiger Arbeit vorenthalten haben könnte – in sechsstelliger Höhe. Ihre Selbstanzeige könnte damit unwirksam sein. Auch dass sie bereits 200.000 Euro Steuern plus Säumniszinsen nachgezahlt hat, würde ihr dann nicht mehr helfen.
Die Selbstanzeige von Alice Schwarzer ist möglicherweise umsonst gewesen
Sollte sich der Verdacht bewahrheiten und hätte sie tatsächlich falsche Angaben gemacht, wäre ihre Selbstanzeige quasi umsonst gewesen – wie schon beim früheren FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß, schreibt "Handelsblatt Online". Wer Steuern hinterzieht, der wird gleich doppelt bestraft. Auf der einen Seite fordert der geprellte Fiskus eine Nachzahlung, auf der anderen Seite verhängt der Staat eine Strafe. Die Nachzahlung lässt sich auf legalem Wege nicht umgehen. Die Strafe kann jedoch mit einer Selbstanzeige verhindert werden – aber nur, wenn diese wirksam, also fehlerfrei ist.
Im Februar hatte Alice Schwarzer bestätigt, Zinseinnahmen von einem Konto in der Schweiz nicht versteuert zu haben. In ihrem Blog hatte sie dazu geschrieben: „Mein Konto hat sich in diesen Jahrzehnten durch Zinsen und Zinseszinsen vervielfacht, denn in all der Zeit habe ich nie einen Cent von dem Konto abgehoben. Es war einfach da. Zu meiner Beruhigung.“ Auf die neuen Vorwürfe reagierte ihr Anwalt: Auf Anfrage des Spiegels soll er mitgeteilt haben, dies betreffe die Privatsphäre und verletzte das Steuergeheimnis. Offenbar seien Informationen aus Behörden widerrechtlich herausgedrungen, deswegen sei bereits Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet worden.
Alice Schwarzer gilt schon lange als Kritikerin des deutschen Steuerrechts
Schwarzer gilt schon lange als scharfe Kritikerin des deutschen Steuerrechts: Das Ehegattensplitting war ihr stets ein Dorn im Auge, weil es Frauen offenbar in die Unselbstständigkeit dränge. Zu den Gründen für das Konto meinte sie: „Ich habe in Deutschland versteuerte Einnahmen darauf eingezahlt in einer Zeit, in der die Hatz gegen mich solche Ausmaße annahm, dass ich ernsthaft dachte: Vielleicht muss ich ins Ausland gehen. So denke ich schon länger nicht mehr.“
Das System Selbstanzeige ist sehr erfolgreich
Grundsätzlich ist das System Selbstanzeige sehr erfolgreich und Steuerhinterzieher profitieren ebenso wie die Kassen der Bundesländer. Allein im Jahr 2013 haben sich rund 25.000 Steuersünder selbst angezeigt. Die Berichterstattung über Uli Hoeneß und andere Prominente hat die Zahlen noch erhöht. Allein in Bayern gab es einen sprunghaften Anstieg. Wie Finanzminister Markus Söder in dieser Woche mitteilte, hätten zwischen Jahresbeginn und Ende Mai gut 3000 reuige Steuersünder ihre unversteuerten Einnahmen in der Schweiz bei den Behörden gemeldet. Im gesamten Vorjahr waren es nur rund 4000.
Noch ist nicht sicher, ob und wie sich die Bedingungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige in Deutschland in den nächsten Monaten verändern werden. Doch in manchen Fällen muss ein Steuersünder nicht nur dem deutschen Fiskus, sondern auch Finanzbehörden im Ausland Rechenschaft ablegen. Welche Regeln dabei zu beachten sind, hat Rechtsanwalt Tom Offerhaus, Partner der Steuerberatungsgesellschaft WTS Group, in einer Studie zusammengefasst. Diese ist im Elitebrief erschienen.
Aktuell lohnt sich die Selbstanzeige besonders
Aktuell lohnt sich die Abgabe einer Selbstanzeige sogar besonders, denn ab dem kommenden Jahr sollen die Anforderungen an eine wirksame Selbstanzeige noch schärfer werden. Ende April hatten sich die Finanzmister der Länder darauf geeinigt. Zum einen soll der Strafzuschlag auf die Steuerschuld in drei Stufen erhöht werden: Ab einer hinterzogenen Summe von 25.000 Euro sollen künftig zehn Prozent fällig werden, ab 100.000 Euro 15 Prozent und ab einem Hinterziehungsbetrag von einer Million Euro 20 Prozent. Bisher war ab einer Summe von 50.000 Euro ein Strafzuschlag von fünf Prozent zu zahlen – neben dem Verzugszins von sechs Prozent.
Außerdem wird der Zeitraum, für den Angaben offengelegt werden müssen, von fünf auf zehn Jahre verlängert. Bisher musste der Steuerhinterzieher im Regelfall nur die Steuererklärungen für die vergangenen fünf Jahre ergänzen oder korrigieren muss, um Straffreiheit zu erlangen. Für den strafrechtlich bereits verjährten Zeitraum muss er keine Unterlagen einreichen. Für diese Jahre schätzt das Finanzamt die Steuerschuld – es sei denn der Hinterzieher macht dazu von sich aus Angaben. „In der Praxis ist es tatsächlich so, dass wohl 90 Prozent der Betroffenen schon heute die kompletten zehn Jahre nacherklären, denn die Schätzungen der Finanzämter sind meist sehr hoch gegriffen“, sagte Anwalt Martin Wulf, Fachanwalt für Steuerrecht in der Kanzlei Streck Mack Schwedhelm in Berlin kürzlich im Interview mit Handelsblatt Online.
Die Folgen der Zehnjahresregelung
Er hält eine solche Zehnjahresregelung für unsinnig und fürchtet ungewollte Folgen: „Es gibt Hunderte von Fehlern, bei denen es höchst streitig ist, ob diese vorsätzlich begangenen wurden“, so der Anwalt. Diese Fälle offenzulegen und mit dem Finanzamt zu erörtern werde unnötig verkompliziert. Außerdem seien insbesondere bei großen Unternehmen die Vorgänge oft so komplex, dass eine lückenlose Aufklärung nach zehn Jahren kaum möglich sei. Und: „Wenn die Unterlagen nicht mehr vorliegen oder nicht eindeutig sind, kann daran auch eine solche Regelung nichts ändern, dann muss das Finanzamt trotzdem schätzen.“
Letztlich zielen die Änderungen darauf ab, die Einnahmen für den Fiskus zu erhöhen. Steueranwalt Wulf sieht in den Verschärfungen mehrere Gefahren: „Zum einen wird bei solchen Maßnahmen verkannt, dass nicht hinter jeder Steuerhinterziehung kriminelle Energie steckt.“ Zudem bestehe die Gefahr, dass verschärfte Strafen die Hinterzieher von einer Selbstanzeige abhalten könnten: Wenn die Chancen auf Straffreiheit sinken, könnte zugleich die Bereitschaft steigen, das Risiko einzugehen entdeckt zu werden. (ksh/dne)
Dieser Artikel erschien zuerst bei "Handelsblatt Online"