1865 in den USA: Abschaffung der Sklaverei: 150 Jahre alte Narben
Im Jahr 1865 wurde in den USA die Sklaverei offiziell abgeschafft. Die Aufarbeitung dauert bis heute an.
Einen „schwachsinnigen Jungen“ bot Sklavenhändler Levi Sudduth vor dem Sklavenmarkt am 4. Dezember 1865 in Paris im US-Bundesstaat Kentucky an. Überschrift der Zeitungsanzeige: „Neger zu verkaufen“. John, so hieß der Junge, sollte an den „niedrigsten Bieter“ gehen. Dem Verkäufer in seinem eigenwilligen Sarkasmus schwante wohl schon, dass mit dem einst einträglichen Menschenhandel in den Südstaaten der USA nicht mehr viel zu holen sein würde. Drei Wochen später, am 18. Dezember 1865 war eines der dunkelsten Kapitel der noch jungen Vereinigten Staaten beendet – zumindest formell.
Präsident Andrew Johnson unterschrieb an diesem Tag das Gesetz für den 13. Verfassungszusatz – nach einem blutigen Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten war die Sklaverei beendet. Johnsons Vorgänger Abraham Lincoln hatte wegen seiner Ablehnung der Sklaverei im Amt sterben müssen.
Lincolns ferner Nachfolger Barack Obama ist 150 Jahre später der erste schwarze Präsident der Vereinigten Staaten. Und er macht deutlich, wie schwer sich seine Nation mit dem unrühmlichen Erbe noch immer tut. „Wir würden denen, die gegen die Sklaverei kämpften, einen Bärendienst erweisen, wenn wir leugneten, dass die Narben der ursprünglichen Sünden noch immer zu sehen sind.“
Schwarze mussten noch in den 1950er Jahren aufstehen, wenn sich ein Weißer auf die Parkbank neben ihnen setzen wollte. Aus öffentlichen Wasserspendern durften Schwarze nicht trinken. Schulen, Kliniken, Busse – überall herrschte die Trennung von Schwarz und Weiß – bis in die 1960er Jahre, als Präsident Lyndon Johnson mit dem Gesetz zu den Bürgerrechten Schluss damit machte. Doch noch heute gibt es in den Städten der USA Wohngebiete, in denen kaum ein Weißer zu finden ist – und noch viel mehr Gebiete, in denen Schwarze praktisch nicht zu sehen sind.
Das ist schlimm genug, aber nichts gegen die Situation vor 150 Jahren. Geknechtet in brütender Hitze, auf Baumwollplantagen in Mississippi und auf Tabakfeldern in Virginia. Auf Sklavenmärkten wie Vieh versteigert, von unbarmherzigen Sklaventreibern gefoltert, mit Peitschenhieben und Verstümmelungen, vergewaltigt und erniedrigt: Was die Engländer in ihrer einstigen Kolonie eingeführt hatten, hatte unmenschliche Züge bekommen. In South Carolina waren zeitweise bis zu 54 Prozent der Gesamtbevölkerung unfreie Schwarze.
Es gab Folter - aber auch menschliche Sklavenbesitzer
Die Geschichte der Sklaverei in den USA ist auch eine wenig homogene. Neben Folter und Ausbeutung gab es die menschlichere Seite der Sklaverei. „Viele Farmer ließen ihre Kinder von älteren Sklavinnen erziehen“, sagt James Klotter, Staatshistoriker in Kentucky und Geschichtsprofessor an der Georgetown University des Staates. Oft wuchsen Sklavenkinder mit denen ihrer Herren auf, auf den idyllisch-sanften, grünen Hügeln des „Blue Grass“, innige Freundschaften bildeten sich heraus.
Das Freilichtmuseum von Camp Nelson bei Lexington zeigt heute noch, wie sich zehntausende Schwarze in die Armee der Nordstaaten flüchteten und dort gegen den Süden kämpften. In einem Krieg, der nicht wegen der Sklaverei begann, aber in ihrem Namen weitergeführt wurde. Der Sklave Josiah Henson, von Maryland nach Kentucky verkauft und später nach Kanada geflohen, soll die Vorlage für Harriet Beacher-Stowes Bestseller „Onkel Tom’s Hütte“ geliefert haben. Präsident Lincoln soll die Autorin eine „kleine Frau“ genannt haben, „die einen großen Krieg ausgelöst“ habe.
Wenige Monate nach Ende des Krieges war die Union der Vereinigten Staaten gerettet – und die Sklaven waren formell frei. „Die früheren Eigner wunderten sich sogar ernsthaft, dass die Sklaven nicht bei ihnen blieben“, sagt Klotter. „Sie hatten sich eingeredet, ihre Sklaven gut behandelt zu haben.“ Die Schwarzen zogen es vor, in sogenannte „Negro Hamlets“ zu ziehen, Siedlungen mit eigenen Kirchen und eigenen Läden.
Tatsächlich ging es den Sklaven auf den vergleichsweise kleineren Farmen in Kentucky oder Maryland besser als auf den großen Plantagen in Mississippi oder Alabama. Schon alleine wegen der Nähe zum Ohio-River, für die Sklaven die Grenze in die Freiheit des Nordens, mussten die Kentucky-Farmer Zugeständnisse machen, um Fluchtversuche nicht zur Regel werden zu lassen.
Doch die Farmer in Kentucky schreckten auch vor besonders niederträchtigen Zusatzgeschäften nicht zurück. Auf den Sklavenmärkten der Region, besonders in Louisville, verkauften sie Sklaven in den Süden, „down the river“, wie es hieß. Einige Historiker gehen sogar davon aus, dass Sklaven bewusst zum Kinderkriegen ermuntert wurden, um mit den Nachkommen auf den Menschenmärkten Profit machen zu können. steinerne Blöcke, auf denen Sklaven zum Verkauf angeboten wurden, gehören zu den wenigen erhaltenen Mahnmalen aus dieser Zeit, etwa in Fredericksburg in Virginia. Bald soll in Washington mit dem National Museum of African American History die schwarze Bevölkerung ein eigenes Museum bekommen. Die Untersuchung der Wracks von Sklavenschiffen ist eines seiner ersten größeren Projekte. dpa