Schwedische Jagdsaison: 12.000 Jäger gegen 27 Tiere
Erstmals seit 45 Jahren dürfen in Schweden wieder Wölfe gejagt werden – Tierschützer laufen Sturm.
Die Jagd hat Tradition in Schweden. So ist die Elchjagd ein weitverbreiteter Volkssport. Die Jagd auf Wölfe war 45 Jahre lang tabu – bis zum vergangenen Samstag. Die Aufhebung des strikten Abschussverbots für Wölfe hat in der schwedischen Öffentlichkeit ein großes Interesse an der Jagd ausgelöst. Aber auch heftige Kritik der Tierschützer.
Insgesamt haben sich 12 000 Jäger für die einmalige Abschusszeit der Wölfe zwischen dem 2. Januar und dem 15. Februar im ganzen Königreich angemeldet. Das sind im Vergleich zu den vom Naturschutzamt zum Abschuss freigegebenen 27 Wölfen recht viele. Dementsprechend kurz verspricht die Jagdzeit zu werden. Nach Angaben der schwedischen Presse wurden am Samstag 21 Wölfe erlegt. Örtliche Medien berichteten, dass 14 Tiere in den westschwedischen Provinzen Värmland und Dalarna geschossen wurden.
Der lange vom Aussterben bedrohte Wolfsbestand sei wieder ausreichend stabil, erklärte Susanna Löfgren, Leiterin der Abteilung Wildtiere in der Umweltschutzbehörde. Insgesamt soll es über 200 Wölfe in Schweden und Norwegen geben. Aber nur ein stark begrenzter Abschuss sei vertretbar, weil der isolierte skandinavische Wolfstamm durch massive Inzucht an Lebenskraft verloren habe. Polizei und Jagdbehörde wollen genau kontrollieren, dass nicht mehr Tiere geschossen werden.
Tierschutzverbände protestieren trotzdem heftig gegen die Wolfsjagd. Das Naturschutzamt beuge sich einer im Wahlkampf 2006 geborenen Forderung der bürgerlichen Regierung, lautet die Kritik der Tierschützer. Die Regierung hatte 2009 die Wolfsjagd parlamentarisch ins Rollen gebracht. Angesichts der 12 000 Jäger, die sich 27 Tieren gegenübersehen, liege es auf der Hand, dass in Wirklichkeit viel mehr Wölfe ihr Leben lassen werden. Besonders militante Gruppen kündigten Protestaktionen an. Es könne blutig werden. Nicht nur für die Wölfe, warnten sie.
Wie groß das Interesse der Medien an der Wolfsjagd ist, zeigt die Tatsache, dass der Jäger Ola Virenen in der Provinz Värmland vom schwedischen Radio bei dem Treiben im Wald begleitet wird. In der Region leben die meisten Wölfe. „Es ist gut, dass es viel schneit. Da sieht man die Spuren“, sagt Virenen. Das sei wichtig. Jagdhunde konnte er nicht mitnehmen. Die starken, zumeist in Rudeln lebenden Wölfe könnten sie zerfleischen. Auch deshalb kann Virenen den in ländlichen Gebieten auch heute noch verbreiteten Hass auf Wölfe nachvollziehen.
Bei der Wolfsjagd müssen die Jäger das Tier stückweise einkesseln, nachdem sie auf seine Fährte gekommen sind. Für diesen Zweck haben die Männer lange Schnüre dabei, an denen rote Fahnen in Meterabständen herabbaumeln. Sie werden in Bodennähe weiträumig an Bäume gespannt. Wölfe trauen sich nicht, sie zu passieren.
Kaum ein anderes Tier beschäftigt die schwedische Volksseele so sehr wie der Wolf. Das wilde Tier, das zwischen 30, 50 und in Extremfällen sogar 90 Kilo schwer werden kann, ist zur Jagdfreigabe selbst in den Hauptnachrichten und in der Boulevardpresse allgegenwärtig. Genau so war es auch vor vier Jahren. Damals erschoss der Landwirt Stig Engdahl noch widerrechtlich einen Wolf. Angeblich tat er dies aus Notwehr, um seine Schafe zu retten. Der 63-Jährige erhielt mit sechs Monaten Gefängnis noch eine relativ milde Strafe. Um vor Jahrzehnten das bloße Überleben der unpopulären Tiere zu sichern, mussten die Gesetzgeber drakonische Strafgesetze erlassen. Auf dem Weg zum Strafvollzug begleiteten hunderte Landbewohner ihren Helden, den „Wolf-Stig“ – aus Protest gegen „diese abgehobenen Großstadtpolitiker und -richter“. Die Wolfsjagd wurde sogar zu einem Wahlkampfthema.
Obwohl schon schwedische Grundschüler darüber aufgeklärt werden, dass Wölfe eigentlich sehr scheue Wesen sind und vor Menschen wegrennen, lebt ihr schlechter Ruf fort. Die Angst ist teils historisch, vor allem aber mythologisch bedingt. Noch bis ins 19. Jahrhundert sind zahlreiche Überfälle von Wölfen auf Vieh bekannt, aber selten auf Menschen. Am 30. Dezember 1820 begann jedoch ein in Gefangenschaft aufgewachsener und dann freigelassener Wolf, innerhalb von drei Monaten zwölf Menschen um den Ort Gysinge nördlich von Stockholm zu töten – und teilweise zu verspeisen. Tatsächlich handelte es sich zumeist um Kinder. Dem am 27. April 1821 erlegten Tier fehlte die sonst natürliche Furcht vor Menschen. Danach wurden keine durch den Wolf zu Tode gekommenen Menschen mehr in Schweden dokumentiert.