Trendgetränk Grüne Smoothies: Neues vom Mixer
Diese hausgemachten Drinks versprechen alles: Gesünder, schöner und sogar ein besserer Mensch soll werden, wer „grüne Smoothies“ genießt. Wie aber schmecken sie? Ein Selbstversuch.
Während des Tests kommen immer mal wieder Kollegen in der Teeküche der Redaktion vorbei und blicken ratlos auf die gefüllten Gläser. Iih!, rufen die einen. Oh interessant!, sagen die anderen. Und alle fragen: Was ist das denn? Ein paar möchten kosten, die meisten verzichten dankend. Es sieht auch nicht so wahnsinnig appetitlich aus, was wir da in einem Standmixer zusammengerührt haben. Das meiste könnte man mit Fug und Recht als grüne Pampe bezeichnen.
Dabei haben wir streng nach Rezept gemixt. Wir wollen uns an diesem Abend an einem neuen Getränk probieren, das manche schon zum großen Trend ausgerufen haben. Eine Art Bubble Tea, bloß gesünder. Grüner Smoothie wird es genannt – vom englischen Wort „smooth“, das so viel bedeutet wie geschmeidig oder weich. Klassische Smoothies gibt es schon lange. Im Gegensatz zum Saft werden dabei ganze Früchte (meist mit Ausnahme von Schale und Kern) verarbeitet: Man püriert das Obst, anschließend wird oft noch Joghurt oder Eiscreme ergänzt.
Der grüne Smoothie dagegen besteht nur zu etwa 50 Prozent aus Früchten. Die andere Hälfte bildet Pflanzengrün: Salate, Staudensellerie, Kohl, Kräuter, Blattgemüse wie Spinat oder Mangold, das Grün von Möhren oder Roter Bete und sogar Wildpflanzen wie Brennnessel und Löwenzahn. Die Idee: Das süße Obst gleicht den bitteren Geschmack des Pflanzengrüns aus, und zusammen ergibt beides eine ausgewogene und wegen der besonderen Konsistenz leicht bekömmliche Zwischenmahlzeit.
Bevor wir mit dem Mixen begannen, wollten wir mehr wissen – und fanden eine ganze Reihe von Büchern, die in den vergangenen paar Jahren erschienen sind. Allen gemein ist, dass der grüne Smoothie darin als Mittel zur umfassenden Rettung der Welt präsentiert wird. Klimafreundlich und nachhaltig sei er, eine „Ernährungsinnovation“, die wegen ihrer Unmenge an guten Inhaltsstoffen entscheidend zur Vorbeugung von Arteriosklerose, Herzinfarkt, Gehirnschlag, Krebs, Alzheimer, Parkinson, Depressionen, Burn-out und Stress beitragen könne. In „Grüne Smoothies. Die supergesunde Mini-Mahlzeit aus dem Mixer“ (Gräfe+Unzer) heißt es, er fördere außerdem den Schlaf sowie „Mitgefühl, Ausgeglichenheit und die Besinnung auf das größere Ganze“. Im gleichen Buch kommen Menschen zu Wort, die behaupten, dank des Getränks „mindestens fünf Jahre jünger“ zu wirken oder keine Brille mehr zu brauchen. Wen wundert es da, dass „Das kleine Handbuch der rohköstlich gesunden Grünen Smoothies“ (Schirner-Verlag) empfiehlt, sich den Tag, an dem man das erste Mal einen Frucht-Pflanzengrün-Cocktail probiert hat, grün(!) im Kalender anzustreichen: Damit „Sie sich später (...) zurückerinnern können, wann Ihr Leben in eine neue Dimension des Wohlbefindens katapultiert wurde“.
Wäre die Grüne-Smoothie-Gemeinde eine Sekte, an ihrer Spitze stünde zweifellos Victoria Boutenko, die das Getränk 2004 erfunden haben soll. Die russischstämmige Amerikanerin glaubt, Blattgrün sei ein Segen, weil die mit uns eng verwandten Schimpansen sich vor allem davon ernährten und in der Folge eine „starke natürliche Abwehrkraft“ besäßen. Boutenko hat ein Standardwerk zum Thema vorgelegt (Hans-Nietsch-Verlag), das mit Zitaten von Einstein, Kant und Plato angereichert ist. Beinahe ihre ganze Familie will sie mit Rohkost und Smoothies von chronischen Krankheiten geheilt haben. Sie freue sich, so Boutenko, auf die nahe Zukunft, „wenn man am Morgen aus jeder Wohnung und jedem Haus das Getöse des Mixers hört und weiß, dass sich alle ihren grünen Smoothie machen.“
Zwischenfazit: Grüner Smoothie – das klingt bisher nach viel Esoterik und einer Fülle von Versprechen, für die es keine oder kaum Belege gibt. Andererseits sind Kohl oder Brennnessel ja auch nicht ungesund, genauso wenig wie Banane oder Mango, und vielleicht schmecken die Smoothies ja sogar.
Für den praktischen Teil des Tests haben wir fünf Rezepte aus den vorliegenden Büchern ausgewählt. Wir beginnen, naheliegenderweise, mit einem Smoothie namens „Süßer Einstieg“. Darauf folgt der „Süße Petersilien-Smoothie“ – auch der klingt leicht in der Zubereitung und nicht zu extravagant, was die Zutaten angeht. Smoothie Nummer drei heißt „Jeden Morgen“ und stammt (wie der Petersilien-Smoothie) aus dem Boutenko-Buch. Er hat uns neugierig gemacht mit seiner Kombination aus Bananen und Heidelbeeren einerseits, Spinat andererseits. Nummer vier, ein Cocktail mit dem verheißungsvollen Titel „Aphrodites Liebling“, ist der Exot in unserer Liste, er enthält neben Kohlrabiblättern auch Granatapfelkerne und Datteln. Zum Schluss wollen wir probieren, was am wenigsten appetitlich klingt: den „Kräutergarten-Smoothie“ aus Römersalat, Äpfeln, Zitronensaft und einer Handvoll frischer Kräuter.
Der Einkauf der Zutaten gelingt problemlos im türkischen Supermarkt um die Ecke, mit seiner großen Obst- und Gemüseauswahl. Smoothie-Routiniers wissen sicher, wo sie einzelne Kohlrabiblätter oder separat Möhrengrün besorgen können – wir kaufen das komplette Gemüse. Und sicherheitshalber nehmen wir mehr Äpfel und Orangen als in den Rezepten angegebeben. Der großzügige Einkauf für fünf Cocktails kostet knapp 20 Euro, wobei die Schale Medjool-Datteln mit mehr als vier Euro der teuerste Einzelposten ist.
Mit dem „Süßen Einstieg“ geht es also los. Eine reife Banane und zwei Äpfel werden kleingeschnitten und in den Mixer gegeben, oben drauf kommen zwei Handvoll Spinat, vier Kohlrabiblätter, das Grün einer Möhre und schließlich 500 ml Wasser. Wir mixen das Ganze für vielleicht 30 Sekunden, et voilà: Das Ergebnis sind anderthalb Liter strahlend grüner Brei, der so aussieht, als hätten wir einen Haufen abgemähtes Gras mit Flüssigkeit verrührt. Umso größer die Überraschung beim Kosten: Okay, leichtes Rasenaroma ist dabei (oder ist das nur Einbildung?), und die Apfelstücke hätten noch ein paar Runden im Mixer vertragen können, außerdem haben wir wohl zu wenig Wasser hineingegeben, aber trotz der sämigen Konsistenz: Insgesamt schmeckt es! Der Smoothie ist wirklich erstaunlich fruchtig, Kohlrabiblätter würde man darin kaum vermuten.
Der Petersilien-Smoothie, der als Nächstes an der Reihe ist, ähnelt dem „Süßen Einstieg“. Es bleibt bei Banane und Apfel als Grundlage, dazu kommen zwei entsteinte Datteln, 60 ml Zitronensaft und natürlich zwei Tassen Petersilie. Dieses Mal mixen wir länger und mit mehr Wasser, so dass am Ende wirklich ein Getränk entsteht, noch dazu eines, das mit seiner sehr hellen grünen Farbe lecker aussieht. Dieses Mal gibt es etwas weniger Rasen-, dafür leichtes, sehr angenehmes Petersilienaroma, nur von den Datteln schmeckt man leider nichts.
Bisher sind wir positiv überrascht. Doch dieser Effekt ist schon beim dritten Cocktail abgenutzt. „Jeden Morgen“, der neben zwei Tassen Spinat auch eine Banane, eine Tasse tiefgefrorene Heidelbeeren und zwei Tassen Orangensaft enthält, hat zwar eine lila-rote Färbung (merke: Grüne Smoothies müssen nicht immer grün sein) und sieht eher wie ein Dessert aus, schmeckt jedoch auch nicht völlig anders als die zwei vorhergehenden Smoothies. Bloß bitterer. Gegen das kräftige Aroma des Spinats haben Heidelbeere und Orange keine Chance. Die Vorstellung, dieses Gemisch täglich zu trinken, dreht uns den Magen um.
Noch verheerender fällt das Ergebnis für „Aphrodites Liebling“ aus. Während Kohlrabiblätter, Datteln, Limette und Orange schon zerfetzt sind, hat der Mixer noch immer seine Probleme mit den Granatapfelkernen, was den Smoothie schließlich unangenehm körnig werden lässt. Trotz der süßen orientalisch-mediterranen Zutaten: „Aphrodites Liebling“ riecht und schmeckt nach Hasenstall.
Auf den finalen „Kräutergarten“ haben wir nun gar keine Lust mehr. Und tatsächlich: Römersalat und Koriander zu trinken, das ist der widerliche Höhepunkt. Außerdem kommt bei uns der Verdacht auf, dass dieser Smoothie Mundgeruch verursacht. Wir probieren es mit einem zweiten Durchgang und geben übrig gebliebene Heidelbeeren dazu. Das macht die Sache noch schlimmer. Eine einzelne Zutat kann man jetzt kaum mehr herausschmecken.
Am Ende bleibt ein leichtes Gefühl von Übelkeit, bei gleichzeitigem Heißhunger auf Döner. Ab und zu mal ein grüner Smoothie, vielleicht aus jenem Grünzeug gemixt, das sonst im Abfall landen würde – diese Idee klingt gar nicht verkehrt. Zumal die Herstellung des Getränks einfach ist. Aber wenn man den Gesundheitsversprechen, die sich darum ranken, nicht glaubt, dann gibt es keinen Grund, regelmäßig Smoothies zu trinken. Oder verhält es sich mit ihnen so, wie man es auch vom Kochen behauptet: Richtig gut wird es erst, wenn man die Rezepte zur Seite legt? Wir würden es gerne sofort probieren. Aber der Mixer hat nach dem Smoothie-Test leider den Geist aufgegeben.
Katja Demirci, Björn Rosen
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