"Feelings" bei Nathini van der Meer: Nerds sind jetzt die Coolen
Nathini van der Meer sticht in Berlins Modewelt hervor. Weil die Designerin nicht dem minimalistischen Stil der Stadt entspricht und weil sie einen eigenen Weg innerhalb der Branche geht.
Einst waren Sportler und Rockstars das, was man sein musste, um als cool zu gelten. Heute heiraten Supermodels wie Miranda Kerr Programmierer aus dem Silicon Valley. „Nerds sind jetzt die Coolen“, nennt Designerin Nathini van der Meer diese Entwicklung. Mit ihrer aktuellen Kollektion stellt sie die klassischen Highschool-Hierarchien auf den Kopf. Die Kleidungsstücke der „Bullies“ – so nennt die Designerin die draufgängerische Schul-Elite – werden aufgeweicht. Auf Bomberjacken, wie sie Football-Spieler tragen würden, prangen aus Perlen gestickte Worte wie „Feelings“ oder „Maybe“. Auf langen Damenhandschuhen sind hingegen die Knöchel so dicht bestickt, dass sie wie Schlagringe funktionieren könnten.
Klassische Einteilungen haben ausgedient, das zeigt sich bei Nathini van der Meer auch an anderer Stelle. Für ihr Label, das auch ihren Namen trägt, vermischt sie Elemente aus Sportswear, Arbeitskleidung und glamouröser Abendgarderobe. Und die 25-Jährige entwirft nur eine einzige Kollektion pro Jahr. „Ich habe keine Lust, mich selbst zu verheizen“, sagt sie. Und spielt damit auf den immer volleren Kalender von Designern an, der heute typischerweise mindestens vier Kollektionen pro Jahr umfasst. „Niemand braucht vier Kollektionen im Jahr. Niemand braucht eine solche Flut an Kleidung“, findet van der Meer. Die Berlinerin hat an der Universität der Künste studiert, aber einen großen Teil ihres Lebens in Südostasien verbracht. „Ich habe dort eine eigene Sicht auf Kleidung entwickelt. Ich sehe sie als Kulturgut.“
In ihre Entwürfe fließen bis zu 800 Arbeitsstunden
Nathini van der Meer will sich vom althergebrachten Modesystem nichts vorschreiben lassen. Sie arbeitet nicht nur als Designerin, sondern auch als Kreativdirektorin und Filmemacherin, dreht Musikvideos oder Werbefilme für Firmen wie Adidas. Mit diesen Arbeiten verdient sie das Geld, das sie unabhängig macht. Sie könnte sich davon im Sommer auch einen Urlaub leisten. Stattdessen nimmt sie es und investiert es in ihre Kollektionen.
Dank der Querfinanzierung kann sich die Designerin mehr Extravaganzen erlauben als viele andere Berliner Designer. Das zeigt sich in aufwendigen Materialexperimenten. Haare haben es ihr angetan. „Haare spiegeln für mich das Vergängliche. Sie wachsen, sie werden abgeschnitten. An ihnen sieht man, wie die Zeit vergeht“, sagt die Designerin. Eine Bomberjacke der Kollektion ziert darum langes Pferdehaar. „Ich habe es von einem Bauernhof in Bayern, es wurde abgeschnitten, kein Tier ist dafür gestorben“, sagt sie. In Handarbeit nähte sie die einzelnen Büschel an die Ärmel der Jacke. „Mein Albtraum ist, dass jemand 20 Stück von diesem Teil bestellt“, sagt die Designerin. Denn in jedem stecken hunderte Stunden Arbeit. In das arbeitsintensivste Stück ihrer bisherigen Arbeit - eine Weste aus metallbesticktem Leder - flossen 800 davon.
Eine Designerin, die befürchtet, zu viele Käufer zu bekommen? Nathini van der Meer legt es eben nicht auf breiten Erfolg an. Gerade hat sie ein Visum für die USA erhalten, die Wintermonate will sie nun in Los Angeles auf ihrem Schiff verbringen und sich ganz neuen Experimenten widmen. Sie hat ihren Weg gefunden. „Wenn man nur Designer ist, muss man sich an das System anpassen. Wenn man aber ein anderes Standbein hat, kann man eigene Regeln machen.“
Ann-Kathrin Riedl
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