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Pro und Contra: Mutter und Tochter streiten über Mediennutzung

Ständig unter Strom? Das kann nicht gesund sein. So denken viele Eltern. Ihre Kinder sehen das vollkommen anders. Ein Streitgespräch.

HEIKE JAHBERG, 54
Ressortleiterin Wirtschaft beim Tagesspiegel

Wenn eine Menge passiert, schreiben wir Journalisten gern von einer Flut von Nachrichten. Seitdem meine Tochter Linda nach halbjähriger Abstinenz zu Whatsapp zurückgekehrt ist, weiß ich, was eine wirkliche Flut von Nachrichten ist. 3800 Nachrichten hat ihr Handy ausgespuckt. Darunter jede Menge Mist („Lol“, „krass“) aus dem Klassenchat mit den Kameraden. Oder Beleidigungen an ungeliebte Mitschüler. Doch selbst die Gemobbten schalten nicht aus. Lieber beleidigt werden als gar nicht dabei sein. Ein Leben offline? Unvorstellbar.

Auf dem Elternabend ist über Zwangsmaßnahmen beraten worden. Sollen alle Eltern abends um zehn ihren Kindern das Handy wegnehmen, damit die Schüler wieder mehr schlafen? Ich halte das für eine schlechte Idee. Statt Whatsapp-Nachrichten zu verschicken, dürften die einschlägig Verdächtigen dann an ihren Tablets über Facebook chatten. Oder am Computer spielen, an der Konsole. Veränderung muss von innen kommen, das ist schwer, aber nicht unmöglich.

Die Spiele sind der Fluch

Im Leben meiner Tochter ist jedoch nicht das Handy der Fluch, sondern es sind die Spiele. Während wir Fernsehen gucken, spielt Linda Nintendo.

Linda, das muss ich zu ihrer Ehrenrettung sagen, ist eine gute Schülerin. Die Noten sind in Ordnung, sie schreibt für die Schülerzeitung und spielt Tennis. „Wo ist das Problem?“, mögen Sie fragen. Ich sage es Ihnen: Es ist der Blick auf meine Tochter, die an ihrem Schreibtisch sitzt, sich auf Youtube Videos anschaut, kurz darauf auf ihr Nintendo-Gerät einhackt und zwischendurch noch Hausaufgaben macht. Das kann einfach nicht gesund sein!

Egal ob es das Handy ist oder die Nintendo-Konsole, die Kinder und Jugendlichen sind ständig unter Strom. Als ich 15 war, gab es weder Handys noch Internet. Wir hatten ein Festnetztelefon mit Wählscheibe und die Eltern im Nacken, die uns mahnten, Geld zu sparen und sich kurz zu fassen. Das Fernsehprogramm endete abends. Und manchmal war mir langweilig. Langeweile gibt es heute nicht mehr. Immer ist jemand „on“. Was schade ist, denn manchmal ist Langeweile ganz erholsam. Und kreativ. Die besten Gedanken kommen doch oft dann, wenn man an nichts denkt.Was ihre Tochter antwortet

Digitale Kindheit
Digitale Kindheit
© Illustration: Luisa El Bouyahyani, Carolin Först, Andree Volkmann

LINDA JAHBERG, 15
Schülerin

Das Smartphone ist eine der wichtigsten Errungenschaften der vergangenen Jahre. Fast jeder hat eins, und man kann sich ein Leben ohne kaum mehr vorstellen. Von besorgten Eltern werden Smartphones allerdings gern als Lebenszeitkiller abgestempelt. Whatsapp, Twitter und Facebook dienten doch nur dazu, sich stundenlang mit seinen Freunden über belangloses Zeug zu unterhalten, die anderen Apps würden dafür sorgen, dass man sich komplett von der Außenwelt abkoppelt. So lauten die Vorwürfe.

Ich kann nur sagen: In großen Teilen stimmt das nicht. Meine Klassenkameraden und Freunde benutzen die sozialen Medien nämlich durchaus auch, um Infos über Hausaufgaben und Termine weiterzugeben. Über das Handy bekommt man zudem tolle Erklärvideos für alles Mögliche auf Youtube, binnen weniger Sekunden kann man Fakten nachlesen oder mithilfe von Apps ein Wort in zehn verschiedene Sprachen übersetzen. Das Smartphone ist also nicht nur schlecht. Genauso wenig wie das Internet. Inzwischen ist es doch fast undenkbar, Präsentationen, Hausaufgaben und die Vorbereitung auf Klassenarbeiten ohne Google oder Wikipedia zu machen.

Es gibt Spiele, die sind so gesellschaftskritisch wie Filme

Auch „Let’s Plays“, bei denen man zuschauen kann, wie andere spielen, und Videogames sollten nicht verteufelt werden. Selbst wenn Nintendo nicht die tiefsinnigsten Storys hat, gibt es dennoch Spiele, deren Geschichten und Gesellschaftskritik mit denen von Filmen mithalten können.

Ein Problem gibt es jedoch wirklich: Mobbing. Immer wieder berichten die Medien über Teenager, die sich aufgrund Cybermobbings das Leben genommen haben. So etwas ist in meinem Umfeld zum Glück nie passiert. Aber auch in unserem Klassenchat auf Whatsapp, in dem fast alle Mitschüler versammelt sind, wurde ein Junge angefeindet. Warum? Er hat „genervt“, das war alles.

Mir bleibt nur zu sagen: Das größte Problem ist nicht die übertriebene Kommunikation zwischen Freunden, sondern die mangelnde Kommunikation zwischen Kindern und Eltern. Kinder und Eltern hatten schon immer Differenzen, früher stritt man über brutale Filme, heute über Smartphones. Also, liebe Eltern, nehmt Anteil am Leben eurer Kinder, aber lasst ihnen auch ein bisschen Raum.

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