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Martin Sonneborn testet gerne Grenzen aus.
© dpa

"Glatzensafari" in der „heute-show“: Zwei Fußballfans werden im ZDF als Nazis vorgeführt

Glatze und Jacke. Danach hatte "heute-show"-Mitarbeiter Martin Sonneborn auf seiner "Glatzensafari" Ausschau gehalten. Doch die angeblichen Nazis entpuppten sich als ganz normale Fans des 1.FC Union Berlin. Und die wehren sich nun.

„Vorsorglich“ hat das ZDF schon reagiert. Die „Glatzensafari“, ein Beitrag von Mitarbeiter Martin Sonneborn in der „heute-show“ vom 10. Mai, wurde aus der Mediathek und bei Youtube entfernt, auf weitere Wiederholungen der Folge in den ZDF-Programmen wird verzichtet.

Der Sender hat so reagiert, weil eine Anzeige gegen das ZDF angekündigt worden ist. Sie liegt dem Justiziariat aber noch nicht vor. Die Anzeige stammt von zwei Holländern, Vater und Sohn, die in Berlin leben. Sie waren unfreiwillig Mitwirkende von Sonneborns „Glatzensafari“ durch Brandenburg. In einem Jeep sollten Touristen „durch die national befreiten Zonen“ des Bundeslandes geführt werden und Nazis in „freier Wildbahn“ erleben können. Im Beitrag entdeckte das Kamerateam zwei stämmige Männer, einer trägt Glatze, ihre Gesichter sind verpixelt, beide tragen dunkle Jacken mit der Aufschrift „1966“. Während der Wagen neben den Männern herfährt, redet Sonneborn auf seine asiatischen Passagiere ein, sie sollten ruhig bleiben, notfalls würde man die Scheiben hochdrehen. Einen Bildschnitt weiter ruft Martin Sonneborn: „Und sie haben ganz kleine Schwänze.“

Ausgestrahlt wurde der Beitrag am 10. Mai. Zuschauer identifizierten die Fanjacken des Fußball-Zweitligisten 1. FC Union Berlin und – trotz der Verpixelung – auch die Träger. Vater und Sohn fanden die Nazi-Satire überhaupt nicht komisch, sie wandten sich an einen Anwalt und an die „Bild“-Zeitung. Dadurch bekam die Geschichte ihren Resonanzboden und ihre Öffentlichkeit. In der „Bild“-Ausgabe vom 17. Mai beteuerte der 55-jährige Vater: „Wir sind keine Neonazis, wir sind Unioner. Diese Scheiße kommt nur durch das ZDF.“ Mittlerweile ist die Fassade ihres Mietshauses in Berlin-Oberschöneweide mit der Aufschrift „Nazis raus!“ beschmiert worden.

Das ZDF will nach Eingang der Anzeige prüfen, ob der Vorgang überhaupt jusitiziabel ist. Die Gegenseite kann sich Gegendarstellung, Unterlassung weiterer Ausstrahlungen, Leistung von Schadenersatz und Zahlung eines Schmerzensgeldes vorstellen. Das ZDF wird unabhängig von der Anzeige den Vorgang intern prüfen, sprich mit dem Team der „heute-show“ klären, wie es zu diesem Beitrag in dieser Form kommen konnte. Die Frage, ob die Verpixelung ausreichend war, wird eine Rolle, aber nur eine kleinere, spielen.

Wesentlich und sehr ernsthaft wird es um den Aspekt gehen, ob ein Fernsehsender, nach dazu ein öffentlich-rechtlicher, noch dazu das Zweite Deutsche Fernsehen, hergehen kann und Bürgern das Etikett „Nazi“ aufkleben darf – ohne Prüfung des Wahrheitsgehaltes dieser Behauptung. Selbst wenn die Gesichter bis zur Unkenntlichkeit anonymisiert worden wären, bleibt der Vorwurf, ob das ZDF, ob die „heute-show“, ob Martin Sonneborn als „Nazi-Macher“ und entsprechend beleidigend arbeiten dürfen. Ob Nazis, alt und neu, einfach und schnell an Aussehen und Outfit zu erkennen sind. In der „heute-show“ vom 17. Mai wollte Moderator Oliver Welke die „Glatzensafari“ nicht thematisieren. Joachim Huber

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