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Lieblingsperspektive. Ob „Wetten, dass..?“ beim ZDF oder „Mensch Gottschalk“ bei RTL – Thomas Gottschalk betrachtet Mensch und Umwelt gern vom Sofa aus.
© dpa

Gottschalk mit neuer Sonntagsshow bei RTL: Zuschauers Stellvertreter

Thomas Gottschalk erhält bei RTL eine All-inclusive-Show. Er soll machen, was er am besten kann: plaudern.

Seine Autobiografie „Herbstblond“ aus dem vergangenen Jahr? Da sei er als jemand akzeptiert worden, der auch reflektieren kann. Neue deutsche Fernsehformate in den vergangenen Jahren? Da habe ihn nichts vom Hocker gerissen. Und nun „Mensch Gottschalk – Das bewegt Deutschland“, die große Info-Show in der Primetime am Sonntagabend? Nein, das sei kein schlaffer, letzter Versuch, es sei immer noch möglich, genug Zuschauer in seinem, in Gottschalks Moderationsstil mitzunehmen.

Thomas Gottschalk, an Selbstbewusstsein hat es ihm nie gemangelt. Auch jetzt nicht, vor einem Dutzend Journalisten in einem mondänen Hotel im Berliner Tiergarten, ein paar Tage vor „Mensch Gottschalk“. Es dreht sich um ein gewaltiges Show-Experiment, das Gottschalk, RTL, Spiegel TV und dctp zusammen stemmen wollen, am heiligen Sonntagabend gegen den „Tatort“ im Ersten. Über drei Stunden Live-Fernsehen mit Gästen und Publikum aus einem neu gebauten Studio in Berlin-Adlershof. Mit Menschen und 15 Themen, über die das ganze Land spricht, von Fußball-EM und Terrorangst über selbst fahrende Autos bis hin zum Thema Krebs.

Von ferne erinnert das an Infotainment à la „Schreinemakers live“, aber von dem Bezug halten die Macher wenig. „Wir wollen Informationen und Journalismus unterhaltsam präsentieren, Thomas Gottschalk verkörpert diese Idee“, sagt Steffen Haug, Chefredakteur Spiegel TV. Wenn er denn mal bei diesem Gespräch im Tiergarten zu Wort kommt. Gottschalk redet viel, da kann er nicht so einfach befragt werden. Oft hat man ja den Eindruck, dass Journalisten allzu gerne auf Gottschalk einhauen, um sich selbst zu profilieren. Ein ambivalentes Verhältnis. Wer Gottschalk länger nicht gesehen hat, mag immer noch staunen, über den Redeschwall, die Präsenz, die Selbstverständlichkeit, mit der der Moderator den Raum einnimmt, die Journalistenrunde musternd mit dem „Ihr könnt mir doch nichts übel nehmen“-Blick.

Eine lässig-souveräne Erscheinung

Endlos und gestochen über Fernsehen als solches redend, über Joko Winterscheidt, David Bowie oder auch Frauke Petry. 40 Jahre Erfahrung mit dem Fernsehgeschäft. Gibt’s nicht so oft. Im Tigershirt, mit Silberkette, Kaugummi, das blonde gewellte Haar. Thomas Gottschalk, eine lässig-souveräne Erscheinung. Oder sagen wir es besser so: wie jemand, der lässig-souverän wirken will. So richtig zu trennen ist das bei Gottschalk nicht. Ist vielleicht egal – wer zu besten Zeiten 15 Millionen Zuschauer am Samstag bei „Wetten, dass..?“ vor dem Fernseher versammelt hat, kann auch mit der Journalistenrunde feixen, spielen.

Über die Zeit nach Gottschalks Abschied von „Wetten, dass..?“ im April 2011 ist viel geschrieben worden. Es ist schon erstaunlich, dass Thomas Gottschalk bei diesem Treffen im Mai 2016 sagt, er habe die Fernsehwelt ja 2011 verlassen. Als ob es da einen Leerraum bis heute gebe, als ob er die ganze Zeit in Malibu im Café gesessen habe. Dabei ging es ja mit Fernsehen weiter. Gute Verdrängung? Erst der große, ARD-Vorabend-Flop 2012, dann der mehr oder weniger farblose Auftritt in der Jury vom RTL-„Supertalent“, neben Dieter Bohlen, „Die 2“ mit Günther Jauch, als Quizteam ein Selbstgänger, ein bisschen „Back to School – Gottschalks großes Klassentreffen“ (davon hört man nach Februar 2014 gar nichts mehr) und jetzt die große Primetimeshow, „Mensch Gottschalk“. Ist das nun das richtige Format? Klar, sagt Gottschalk, im Moment das denkbar beste. Was soll er auch sagen. Er müsse sich jedenfalls nichts mehr beweisen. Als „größtes gemeinsames Vielfaches“ für die Familien, wie er sagt, oder: als Stimme des Publikums, Stellvertreter des Zuschauers, der bei den großen Themen der Zeit nicht immer durchblicke und in seiner neuen Show Antworten erwarte. So sehe er sich. So sieht er sich immer noch, möchte man fast hinzufügen.

Das kann man naiv nennen oder auch konsequent. #Gottschalk, hippe Themen, Tweets und Buzzer-Fernsehen, wie damals am hektischen Vorabend in der ARD? Das braucht er sich nicht mehr antun. Er werde auch in seinem Leben niemanden mehr „Ziegenficker“ nennen. Genauso wenig wie, bei allen ernsten Themen, den harten, politischen Journalisten geben. Frauke Petry als Gast bei „Mensch Gottschalk“? „Gut, bringt sie her. Dann vielleicht aber nur mit Buzzer“, sagt Gottschalk lachend. Im Ernst, nein, warum, nachdem er früher schon am „Republikaner“ Franz Schönhuber gescheitert sei.

Ein Kessel Buntes, serviert von Thomas Gottschalk

Es geht ja wohl auch so. Gottschalk habe in der Zwischenzeit einige TV-Formate angeboten bekommen, sagt der Moderator. Nun räumt ihm RTL einen ganzen Abend frei, damit Gottschalk wieder ausgiebig das tun soll, was er am besten kann: plaudern. Ein Kessel Buntes. Gottschalk sagt, das Slalomfahren zwischen Hartem und Weichem habe er sein Leben lang ganz gut beherrscht. Nicht verlernt. Oder wie es Spiegel TV verspricht: Thomas Gottschalk kann im Laufe des Abends seine besondere Fähigkeit ausspielen, bei den unterschiedlichsten Themen stets den richtigen Ton zu treffen und angemessene Worte zu finden. Ob bei Nena, Martin Schulz oder Samuel Koch, die am Sonntag bei „Mensch Gottschalk – Das bewegt Deutschland“ zu Gast sein sollen.

Gottschalk sagt viel an diesem Nachmittag. Im Grunde muss er nur mit einem recht haben: dass das Publikum sich in seinen Ansprüchen an die Fernsehunterhaltung gar nicht so sehr verändert habe. Er, Thomas Gottschalk, könne das bedienen und es sich leisten, sich nicht darüber den Kopf zu zerbrechen, wie viele Leute zuschauen oder doch zum „Tatort“ zappen, auch wenn es der RTL-Sprecher neben ihm vielleicht ein bisschen anders sieht. Das Fiasko mit „Gottschalk live“ im Vorabend bei der ARD ist ja nun auch noch nicht Urzeiten her. Mal schauen, wie viele Ausgaben es von „Mensch Gottschalk“ geben wird. Vielleicht vier Mal im Jahr, das sei wohl optimal.

Noch Fragen in der Runde? Vor ein paar Tagen ist Thomas Gottschalk 66 geworden. Fußball-Kommentator Marcel Reif hat in dem Alter gerade seinen Job bei Sky beendet. Alfred Biolek hat neulich mal gesagt, er könne sehr gut leben, ohne Fernsehen zu machen. Er habe schon vor Jahren losgelassen. Bei Gottschalk kann man sich das nicht vorstellen. Er sagt, er müsse noch nicht in Malibu sitzen und warten.

„Mensch Gottschalk – Das bewegt Deutschland“, RTL, Sonntag, 5. Juni, 20 Uhr 15

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