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Streiten weiterhin vor Gericht: Der türkische Präsident Recip Tayyip Erdogan (links) und der Satiriker Jan Böhmermann.
© dpa

Vor dem OLG Hamburg: Zivilstreit zwischen Erdogan und Böhmermann geht weiter

Das Oberlandesgericht Hamburg beschäftigt sich mit der Zivilklage von Erdogan gegen Böhmermann. Der Satiriker fühlt sich von der Politik im Stich gelassen.

Der Zeitpunkt der Entscheidung hat es in sich. Am Dienstag findet vor dem Oberlandesgericht Hamburg (OLG) die Berufungsverhandlung im Streit zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem deutschen Satiriker und TV-Moderator Jan Böhmermann über das genannte Schmähgedicht vom März 2016 statt. In der Vorinstanz war Böhmermann verboten worden, die ehrverletzenden Passagen aus dem Gedicht zu wiederholen. Böhmermann ging in Berufung, bemängelt wird vor allem das Herausschneiden einzelner Passagen, das den Kontext außer Acht lasse. Der Text sei eindeutig eine satirisch überhöhte Jura-Vorlesung, der die Grenzen der Meinungsfreiheit auslote, wurde gegen das Urteil argumentiert. Erdogans Anwalt hatte die Entscheidung dagegen als „Sieg des Rechtsstaats“ bezeichnet.

Für Böhmermann gilt nur eine komplette Abweisung der Klage als akzeptabel. Das könnte jedoch zu neuen politischen Problemen im Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei führen, vor allem nach der erst vor gut zehn Tagen erfolgten Freilassung des „Welt“-Journalistin Deniz Yücel. Böhmermanns Anwalt Schertz hatte bereits angekündigt, dass man bei einer Niederlage vor dem OLG Hamburg notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen würde. Am Dienstag findet die mündliche Verhandlung statt, mit einem Urteil am gleichen Tag wird nicht gerechnet.

"Das ist gar nicht mein Job"

TV-Satiriker Jan Böhmermann fühlt sich in der Affäre um sein Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vom Staat alleine gelassen, wie er der „Rheinischen Post“ am vergangenen Freitag sagte. „Staatliche Akteure müssen die Grundrechte der Bürger schützen. Wenn es den Menschen selbst überlassen ist, sich vor Feinden der Meinungsfreiheit zu schützen, muss man den Staat in Frage stellen.“ Die Bundesregierung hatte ein Ermittlungsverfahren gegen Böhmermann zugelassen, das später eingestellt wurde, die Verhandlung vor dem OLG Hamburg am Dienstag gehört zum zivilrechtlichen Streit zwischen Erdogan und Böhmermann. „Ich muss jetzt dafür einstehen, dass das Grundrecht auf Meinungsfreiheit in Deutschland geachtet wird. Dabei ist das gar nicht mein Job“, sagte der Satiriker.

Die Politik habe sich nach der Veröffentlichung des Gedichts falsch verhalten, insbesondere Merkels Wertung des Gedichts als „bewusst verletzend“ wenige Tage nach der ZDFneo-Sendung sei ein „ziemlicher Fauxpas“ gewesen, sagte Böhmermanns Anwalt Schertz dem Tagesspiegel. Richtig hingegen habe die Staatsanwaltschaft mit der Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens reagiert. Die deutsche Justiz habe damit einmal mehr ihre Unabhängigkeit gezeigt. Die Mainzer Staatsanwaltschaft hatte keine strafbaren Handlungen feststellen können, eine Beschwerde Erdogans gegen diese Entscheidung wurde zurückgewiesen.

Ein Ergebnis der Böhmermann-Affäre steht jedoch bereits fest. Der Straftatbestand der Majestätsbeleidigung wurde in Deutschland mit Wirkung vom 1. Januar diesen Jahres abgeschafft. Die Bundesregierung hatte zuvor befunden, dass die normalen Strafvorschriften für Beleidigung für den Ehrenschutz von Organen und Vertretern ausländischer Staaten ausreichen. Im Juni vergangenen Jahres hatte der Bundestag die entsprechende Änderung des Strafgesetzbuches einstimmig beschlossen.

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