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Update

Merkel und die Medien: Youtube-Gespräch doof, ARD-Interview geil?

Schluss mit dem überflüssigen Wettbewerb zwischen klassischen und neuen Medien! Beide Runden können sich sehen und hören lassen - nur wirkt es wenig souverän, wenn sich Youtuber LeFloid nun über Tina Hassel und Rainald Becker lustig macht.

Jeder Vergleich hinkt, unklar ist nur, auf welchem Bein. Klar aber ist, dass der Vergleich zwischen dem ARD-Sommerinterview und dem Youtube-Gespräch gar nicht funktioniert. LeFloid hatte Kanzlerin Angela Merkel am 10. Juli getroffen. am Montag danach waren 30 Minuten davon auf Youtube veröffentlicht worden. LeFloid aka Florian Mundt hatte die Fragen mitgebracht, die seine Community am meisten interessiert. Da waren so viele und so unterschiedliche Aspekte drin, dass das Gespräch Themen, doch kein Thema hatte.

Die Journalisten-Profis waren auf der Hut

Ganz anders beim ARD-Sommerinterview am Sonntag. Die Chefetage des Hauptstadtstudios, Tina Hassel und Rainald Becker, legte ihren Fragenkranz während der 20 Minuten eindeutig um Griechenland. Das wahrlich aktuellste und drängendste Thema, was der Youtuber erst gar nicht angerührt hatte. Die Kanzlerin war allem Anschein war bei den Journalisten-Profis eindeutig mehr auf der Hut. Sie wollte nicht immer erklären, was ihre Politik und Position ist, sie wollte Diskussionen beenden. "Die Mehrheit ist da", sagte sie mit Blick auf das Abstimmungsergebnis im Bundestag, bei dem fast ein Fünftel der konservativen Fraktion ein dritten Hilfspaket für Griechenland abgelehnt hatte. "Das Wichtige ist das Ergebnis", "jetzt ist alles gesagt", Merkel führte eine Art Schlussstrich-Debatte. Hassel und Becker bohrten, so tief sie konnten, sie hakten, sie suchten Widersprüche zwischen gemachter Politik und Merkelscher Interpretation.

Merkel streicht jede Welle glatt

Wie immer übte sich Merkel in der Meisterschaft des Wellen-Glattstreichelns. Nein, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sei nicht im Kanzleramt gewesen und er habe nicht um seine Entlassung gebeten. Nein, sie strebe keinen Sieg im Polit-Beauty-Contest an: Es gebe Momente, "da geht es nicht um Beliebtheit und Schönheitspreise, sondern es geht darum, dass in der Sache das Richtige getan wird". Persönliche Anfeindungen in der Griechenland-Debatte hätten sie nicht getroffen, auch nicht die Kritik, wie sie auf die Tränen des palästinensischen Mädchens Reem reagiert habe: "Ich finde, die Geste war in Ordnung."

Der Youtuber LeFloid interviewt Kanzlerin Angela Merkel.
Der Youtuber LeFloid interviewt Kanzlerin Angela Merkel.
© dpa

Das ARD-Sommerinterview war politisch aufgeladen, das Journalisten-Duo hat die politische Agenda abgearbeitet. Bei mancher Facette wird mancher Zuschauer leicht die Orientierung verloren, allerdings muss ein Interview im Rahmen des "Berichts aus Berlin" nicht so angelegt sein, dass komplizierte Themen plötzlich ins Wohlgefallen einfacher Fragen aufgelöst werden.

Was soll diese angestrengte Konkurrenz der Interviewer

Das LeFloid-Gespräch und das ARD-Interview, zwei Seiten der Kanzlerinnen-Medaille. Der Wettbewerb zwischen den klassischen und den neuen Medien kann in diesem Sektor abgeblasen werden. Was soll das auch, diese angestrengte Konkurrenz der Interviewer, aufgehängt an der Mediengattung? Hat da einer Angst vor dem anderen, sind Print und Fernsehen derart verunsichert, dass nicht aus der eigenen Leistung Befriedigung gezogen werden kann, sondern aus der angeblichen Minderleistung der Newcomer?

Diese Kanzlerin ist unteilbar, vielleicht unnahbar, in ihrer Festungshaftigkeit vielleicht uneinnehmbar. Das haben Gespräch und Interview gezeigt. Die wahre Bezugsgröße der Kanzlerinnen-Treffen sind nicht die Interviewerinnen und die Interviewer, es ist Angela Merkel. Sie ist nicht in der Weise teilbar, dass jeder Frager persönlichen Gewinn für sich und sein Publikum ziehen kann. Im Saldo sagt Merkel nur das, was sie sagen will, sie lässt nichts aus sich herausfragen, was sie nicht aus sich herausfragen lassen will. Das muss jeden Interviewer und jeden Zuschauer ärgern. "Die-Merkel-knacken" bleibt die gemeinsame Mediendisziplin - die allerdings kein Erfolg werden wird, wenn sich die Teilnehmer mit Lästereien aufhalten.

LeFloid macht sich über das ARD-Interview lustig

Insofern tut sich Youtuber LeFloid keinen Gefallen damit, wenn er sich wie am Montag über die Leistung von Tina Hassel und Rainald Becker lustig macht: "Man Waren das krasse & weltverändernde Enthüllungen im Sommer-Interview", twitterte er: "Chapeau".

In Sachen Souveränität geht der Punkt damit klar an die Profis. Hassel und Becker hatten sich - zumindest nicht öffentlich - über das Gespräch des Youtubers mit der Kanzlerin geäußert. Immerhin will es LeFloid bei dem einen Seitenhieb wohl belassen: "Und jetzt reicht's auch", schreibt er am Ende des Tweets. Eine kluge Entscheidung. Joachim Huber (Mitarbeit: Sonja Álvarez)

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