Neue TV-Förderung: „Wir sind nicht die Geschmackspolizei“
Steuergelder für Serien und Soaps? Medienboard-Geschäftsführer Giglinger will TV-Standort Berlin-Brandenburg stärken.
Herr Giglinger, das Medienboard probiert die Revolution. Seit Monatsbeginn wird auch die Produktion von Fernsehserien gefördert. Wie kommt das denn?
Was wir fördern werden, ist nicht die Produktion von Serien, sondern die Produktion von Piloten für serielle TV-Formate aller Genres, von Entertainment über Information bis zu Fiktion. Es ist ja üblich, dass Produzenten eine Probefolge für einen Sender herstellen, der dann entscheidet, ob der Produzent mit der Serie beauftragt wird. Die Herstellung solcher Piloten wird das Medienboard Berlin-Brandenburg künftig unterstützen.
Warum ist diese Förderung notwendig?
Wir wollen das wirtschaftliche Risiko für den Produzenten minimieren. Sagt der Sender nämlich nein, bleibt der Produzent häufig auf den Kosten sitzen. Unsere Förderung soll bis zu 50 Prozent der Pilot-Kosten auffangen. Wir vergeben Darlehen, das heißt, im Erfolgsfall profitieren das Medienboard und der Standort Berlin/Brandenburg doppelt. Wird der Produzent mit der Produktion einer Serie beauftragt, bekommen wir die Fördersumme zurück, und zugleich werden die Kapazitäten bei den Produzenten, in den Studios, im Umfeld ausgelastet.
Wer entscheidet denn, was, wer gefördert wird?
Beide Geschäftsführer des Medienboard zusammen: Kirsten Niehuus und ich.
Was macht Sie beide zu Experten des Serienfernsehens?
Ich habe nicht wenige Jahre meiner Vergangenheit in der TV-Branche verbracht, und dass auch Kirsten Niehuus eine ausgewiesene Bewegtbild-Expertin ist, muss ich nicht betonen.
Wichtig ist: Wir wollen hier nicht als Geschmackspolizei fungieren. Es geht uns um die Kernfragen: Welche Formate haben die größte Chance, in Berlin-Brandenburg realisiert zu werden?
Nehmen wir ein aktuelles Beispiel: RTL lässt Gebärende im Kreißsaal filmen. Ob das Projekt zur Ausstrahlung kommt, ist ungewiss, der Berliner Gesundheitssenator hat sein Veto eingelegt. Würde das Medienboard ein Geburtsfernsehen fördern?
Wie gesagt: Bei unserer TV-Pilot-Förderung werden vor allem wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen. Explizit ethische Fragen, auf die sich in diesem Fall ja auch das Veto des Berliner Senats bezieht, können und wollen wir aber natürlich nicht außer Acht lassen. Dass der Grat bei so intimen Formaten relativ schmal ist, ist klar, dass es von vielen auf den ersten Blick kritisch gesehen wird, kann ich verstehen. Dennoch hätte ich das Projekt im Fall einer Antragstellung nicht rundheraus abgelehnt, sondern sehr genau geprüft und versucht, gemeinsam mit allen Beteiligten Kompromisse zu finden.
Das Format ist nicht neu, sondern Importware. Das wäre für eine Förderung egal?
Ja. Wobei uns originäre Formate im Zweifelsfall sicher lieber sind.
Ein Förderparadies tut sich auf: Alles ist gut, jeder darf ran.
Unsere Serien-Förderung ist ein Pilotprojekt, das nach zwei Jahren evaluiert wird. Jetzt schon sehr enge Grenzen zu setzen, wäre verkehrt. Der Pilotcharakter wird auch durch die Gesamtsumme des jährlichen Förderetats unterstrichen: Bis zu 500 000 Euro in einem Gesamtrahmen von knapp 30 Millionen Euro.
Trotzdem: Künftig weniger Mittel für „Oscar“-Filme wie „Liebe“ und mehr Trash-TV à la „Berlin – Tag und Nacht“?
Wenn man die Summen vergleicht – 24 Millionen Euro für die Filmförderung, 500 000 Euro für die TV-Piloten -, dann ist doch offensichtlich, dass Filmförderung das Kerngeschäft des Hauses mit dem Löwenanteil des Förderetats ist. Bei der TV-Pilot-Förderung geht es darum, ein attraktives Instrument zu schaffen, dass serielle und damit lang laufende Produktionen an den Standort holt und den TV-Standort nachhaltig stärkt. Nehmen Sie eine Serie wie „GZSZ“: Die beschäftigt 130 Mitarbeiter – seit 20 Jahren! Unser Einsatz von 500 000 Euro rechnet sich schon, wenn nur eine Serien-Staffel mehr bei uns produziert wird.
Spüren Sie einen Rechtfertigungsdruck, dass Sie künftig serielles Fernsehen fördern? Das Format liegt ja nicht an der Spitze der Programmleistungen.
Wir sehen die TV-Förderung im Kern als Wirtschaftsförderung. Unsere starke Produzenten- und Studiolandschaft agiert nun mal in einem schwierigen Umfeld. Es geht hier um Wirtschaftskraft und Nachhaltigkeit, auf geschmäcklerische Diskussionen sollten wir uns nicht einlassen.
Aber müssen Sie nicht Debatten fürchten, warum Steuergelder für flache TV-Ware ausgegeben werden? Bisher verstand sich das Medienboard explizit als Instrument der Qualitätsverbesserung.
Das wird auch weiterhin so sein. Aber eventuelle Diskussionen müssen wir abkönnen. Die Free-TV-Sender in Deutschland geben nach einer Studie der Landesmedienanstalten rund drei Milliarden Euro für Programm aus. Von diesem Kuchen hätten wir gern ein größeres Stück.
Welche Format-Farbe fehlt denn und könnte mit Medienboard-Mitteln auf die TV-Palette kommen?
Es geht weniger um die Farbe, sondern darum, dass unsere Produzenten mit ihren Ideen und Stoffen unterstützt und die Studiokapazitäten ausgelastet werden.
Nun neigen Produzenten zum Jammern. Die kommen künftig alle mit Leichenbittermiene auf Sie zu und schreien um Hilfe.
Nein, da haben Sie ein falsches Bild. Die Budgets und die Minutenpreise sind gesunken. Außerdem haben wir in Berlin/Brandenburg nun mal den Standortnachteil, dass wir nicht mit großen Sendern gesegnet sind.
Was können Sie mit einer Einzelförderung von bis zu 50 000 Euro wirklich retten?
Welche Summe wir jeweils für ein einzelnes Projekt vergeben, werden wir sehen. Richtig ist, dass es für große, aufwendige Serienproduktionen sicher weniger interessant ist als für kleine und mittlere.
Ist die Förderung serieller Formate eine Innovation aus Berlin/Brandenburg?
Unsere Kollegen in Niedersachsen fördern fiktionales serielles TV, NRW hat ein Programm zur Entwicklung innovativer Entertainmentformate aufgelegt.
Welche Erfahrungen hat die Konkurrenz an den anderen Standorten gemacht?
Die Filmstiftung NRW betreibt das erst seit einigen Monaten, da liegen nach meinem Kenntnisstand noch keine Ergebnisse vor. Nordmedia hat eine sehr lang laufende Daily gewonnen. Wenn uns nur das gelingen sollte, hat sich unsere Investition schon vielfach ausgezahlt.
Das Interview führte Joachim Huber.
Das Medienboard Berlin-Brandenburg ist seit 2004 zuständig für Filmförderung und Standortmarketing in der Hauptstadtregion. Zu den geförderten Filmen gehört aktuell die Oscar-prämierte Produktion „Amour“. Das Medienboard fördert, initiiert und organisiert zahlreiche Veranstaltungen wie den Internationalen Medienkongress der Medienwoche oder die Deutschen Gamestage. Es ist gelungen, die Region als digitales Zentrum der Republik zu positionieren und den TV-Standort nach dem Verlust von ProSiebenSat1 zu stabilisieren.
Joachim Huber
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