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Im Grünen Salon der Volksbühne: Holger (links) und Silke Friedrich, die Verleger von "Berliner Zeitung" und "Berliner Kurier" im Gespräch mit "Freitag"-Verleger Jakob Augstein.
© Kurt Sagatz

Diskussion mit Holger und Silke Friedrich: „Wir sind nicht der strategische Unfall“

Die Eigentümer der „Berliner Zeitung“ treffen sich im Radio-Talk mit Verleger-Kollege Jakob Augstein – und holen zum Rundumschlag aus.

Holger und Silke Friedrich, die Eigentümer von „Berliner Zeitung“ und „Berliner Kurier“, sind wählerisch geworden bei der Frage, mit wem sie reden. Zur Schadensbegrenzung, wie sie sagen. Mit Jakob Augstein, dem Verleger und Geschäftsführer der Wochenzeitung „Der Freitag“, haben sie sich jetzt zusammengesetzt – und zwar am Montagabend in aller öffentlich-rechtlichen Öffentlichkeit. Im „radioeins- und Freitag-Salon“ der RBB-Welle Radioeins antworten sie in der Volksbühne auf die Fragen von Augstein.

Wobei Augstein längst nicht jede Antwort verständlich findet. Aber auch Holger und Silke Friedrich fühlen sich nicht immer verstanden, weniger von ihrem Verleger-Kollegen, dafür umso mehr vom Medienbetrieb insgesamt.

Zu groß ist aus Sicht der beiden Neu-Verleger die Diskrepanz zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung. „Wir haben die Probleme der Medienbranche nicht gemacht“, betont Silke Friedrich. „Wir sind nicht der strategische Unfall, wir wollen einen positiven Beitrag zur Lösung der Probleme leisten“. [Der Radiobeitrag kann hier nachgehört werden]

Besonders groß ist nach Meinung von Holger und Silke Friedrich die Diskrepanz nach Veröffentlichung ihrer zweiseitigen Grundsatzerklärung in der „Berliner Zeitung“. In ihren Augen ein Editorial, in anderen Medien wurde es als Manifest tituliert, auf das „alle Medien, auch die Leitmedien gegangen sind“, sagt Silke Friedrich.

In vielen Zuschriften von Lesern habe es dagegen „Danke dafür“ geheißen, auch wenn sie nicht in allem der Meinung der Friedrichs gewesen seien. „Die Kritik und Häme der Branche hätte uns aber eh getroffen“, das gehöre zu den Dingen, die sie in den vergangenen vier Monaten gelernt hätten. „Es ist nichts passiert, was uns überrascht hätte. Vielleicht das Ausmaß“, ergänzt Holger Friedrich.

Holger und Silke Friedrich: „Wir sind nicht gelangweilt“

Und wann kommen in den Zeitungen des Berliner Verlags die angekündigten Serien und Veranstaltungen zu Holger Friedrichs IM-Tätigkeit?, will Augstein wissen. „Wir sind nicht gelangweilt, was das Arbeitspensum betrifft“, erwidert Silke Friedrich. „Wir haben da kein Kapitel geschlossen. Das Thema wird uns eh begleiten“. Da mag es Interessen von anderen Medien geben, aber „man muss ja nicht über jedes Stöckchen springen“.

Für Holger Friedrich sind andere Themen ohnehin wichtiger: Die Investments in neue Technologien und die rasanten Veränderungen der Arbeitsprozesse seien „vielleicht die relevanteren Diskussionen“ in der Redaktion, man dürfe nicht unterstellen, dass das was mit Stasi-Aufklärung zu tun habe.

„Das ist schlichtweg Quatsch“. Und noch etwas kommt überraschend: „Wir haben die Kommission nicht bestellt. Das war die Redaktion. Ich hätte es auch nicht gemacht“, sagt Holger Friedrich über die Einsetzung von Marianne Birthler und Ilko-Sascha Kowalczuk. „Da knallten bestimmt die Sektkorken“, vermutet Silke Friedrich als Reaktion anderer Berliner Medien.

Wurden Sie unfair behandelt? „Ich nehme die veröffentlichte Meinung zur Kenntnis und staune“, sagt Holger Friedrich.

Silke Friedrich erklärt sich die Reaktion der Medienbranche auf das Bekanntwerden der IM-Tätigkeit damit, weil jetzt „Leute Einblick hinter den Vorhang haben, die keinen Einblick haben sollten“. In allen Zeitungen sei ihr Mann danach auf den Titelseiten und bei Google News auf Platz eins gewesen. „Es ist 32 Jahre her, was könnte man mit dieser Energie an konstruktiven Themen auflösen und für diese Gesellschaft tun?“, fragt Holger Friedrich.

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Holger und Silke Friedrich wollen sich nicht von dem eingeschlagenen Weg und ihrem selbst gesuchten Ziel abbringen lassen. „Es ist großartig, Verleger zu sein. Es geht uns gut damit“, sagt Silke Friedrich anfangs, schränkt dann allerdings ein, dass sie in den zurückliegenden vier Monaten eine extreme Erfahrungskurve geflogen haben. Mit guten und weniger guten Erfahrungen.

Holger Friedrich hat sich hingegen das Googeln abgewöhnt. Dies solle man unterlassen, wenn man keine Schweißausbrüche bekommen wolle. Insgesamt aber sei sein „Erwartungsraum vollständig getroffen“ worden. Ein Spiel sei der Kauf des Berliner Verlags sicher nicht, dafür „geht es auch um viel zu viel Investment, Zeit, Leidenschaft, Geld, Reputation“.

„Bleibe im Land und wehre dich täglich“

30 Jahre nach der letzten großen gesellschaftlichen Transformation frage man sich heute, wie man mit den großen Herausforderungen umgeht, vor denen die Gesellschaft jetzt stehe, beschreibt Holger Friedrich seine Motivation.

Statt sich der Situation zu entziehen, könne man sich auch an einen Spruch aus den späten DDR-Tagen erinnern: „So bleibe im Land und wehre dich täglich.“ Mit dem Kauf der Zeitungen könne man etwas dazu beitragen, den Diskurs breiter und unabhängiger zu führen. Also kein Spielzeug, sondern eher ein Werkzeug.

Aus Silke Friedrichs Sicht wurde der Berliner Verlag in den vergangenen Jahren als Kölner Kolonie der Mediengruppe DuMont ausgeplündert. Sie wollten den Zeitungen nun wieder eine „Identität, Heimat, Richtung“ geben. Das wollten die Mitarbeiter und das sei ihre Aufgabe: „So wie ein schönes altes Auto, das man aufmunitioniert und dann wieder schön fahren kann.“

„Medien beschäftigen sich zu viel mit sich selbst und zu wenig mit Kuratur“, meint Holger Friedrich. Die Herausforderung bestehe darin, dass man mit neuen Technologien neue Arbeitsprozesse einführen kann, um damit neue Angebote für die Leser zu formulieren.“

Was das genau bedeutet, will Augstein wissen. Das sei ein Geschäftsgeheimnis, sagt der Eigentümer des Berliner Verlags. „Wir haben eine Idee und Vorstellung davon, wie das gelingen kann. Daran arbeiten viele Leute.“

Holger und Silke Friedrich sind zum Berliner Verlag gekommen, um zu bleiben. „Die Letzten werden die Ersten sein“, sagen sie und fordern Jakob Augstein am Ende auf, das Gespräch in einem Jahr fortzusetzen. Vielleicht wächst bis dahin auch das gegenseitige Verständnis.

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