Quiz-Kandidatin scheitert schon bei erster Frage: Wie doof ist Deutschland?
Eine 20-jährige Studentin musste nach 45 Sekunden bei "Wer wird Millionär?" aufgeben. Es gibt halt falsche Fragen im richtigen Wissen.
Die Quizshow „Wer wird Millionär?“ läuft seit bald 16 Jahren im RTL-Programm. Sie hat überaus treue Zuschauer, und nicht wenige werden sich gedacht haben, dass sie alles schon erlebt hätten rund um das Frage-und-Antwort-Spiel mit Günther Jauch. Haben sie aber nicht. Montag war wieder Premiere, für die betroffene Kandidatin war es der vielleicht schlimmste Moment in ihrem jungen Leben. Tanja Fuß, 20-jährige Modedesignstudentin aus Aachen, scheiterte bereits nach 45 Sekunden; das war der kürzeste Auftritt, den je ein Gast bei Günther Jauch hingelegt hat. Exakt fünf Millionen Zuschauer wurden Zeugen, wie sich die Studentin in nur 3,89 Sekunden in der Eingangsrunde für den Ratestuhl qualifizierte. Dann kam die Frage: „Seit jeher haben die meisten...? A: Dober Männer, B: Cocker Spaniels, C: Schäfer Hunde, D: Riesen Schnauzer“. Tanja Fuß optierte für D, wo C richtig gewesen wäre.
Die Reaktionen auf das schnellste Aus in der „WWM?“-Geschichte kamen schnell, und sie waren heftig. Im Netz regnete es persönlich gemeinte Häme, Blondinenwitze der untersten Kategorie und den ortsüblichen Trash aus Schlaumeier– und Besserwisserei. Mitleid war auch darunter, aber in homöopathischen Dosen. Wieder andere stellten die Pleite der 20-jährigen Studentin in einen ganz großen Rahmen, indem sie aus der falschen Antwort das Versagen des deutschen Bildungssystem herausdestillierten. Mit an der Spitze „Handelsblatt“-Herausgeber Gabor Steingart: Eine 20-jährige Studentin habe bei Günther Jauch gegen das deutsche Bildungssystem demonstriert – wenn auch ohne Arg und Absicht. Sofern „die Politik sich einen Rest an Schmerzempfindlichkeit bewahrt hat, müsste heute der nordrhein-westfälische Landtag zu einer Krisensitzung zusammentreten“. Was machen Steingart et alii, wenn demnächst eine blonde, 20-jährige Modedesignstudentin eine Million abräumt?
"WWM?" ist ein Spiel auch um nutzloses Wissen
Jede hochgestochene Ableitung zielt am Sendeformat glatt vorbei. „Wer wird Millionär?“ ist ein Quiz, ein Spiel um (auch nutzloses) Wissen, um Selbstüberschätzung, gepaart mit dem Glück der richtigen Frage(n). Es gibt selbst für „wandelnde Lexika“ die falsche Herausforderung. Nahezu jeder Zuschauer der RTL-Show setzt sich heimlich auf den heißen Stuhl. Wie weit käme ich, darin besteht der individuelle Reiz beim Zuschauen. Erkenntnis nach fast 16 Jahren „Millionär“: Vielwisser kommen weiter, werden für ihre Wissensakkumulation belohnt. Von wahrer, tiefer Bildung, von Intellektualität, von vernetztem Denken ist der RTL-Spaß weit entfernt, er ist näher am Kreuzworträtsel. Und – vielleicht – bemisst der Durchschnitt aller Kandidatinnen und Kandidaten, wie welches Wissen in der Bevölkerung verteilt ist.
„Wer wird Millionär?“ will mit seinem Fragedesign und seiner Erfolgsorientierung weniger Verlierer als Gewinner produzieren, mehr glücklich machen als gemein sein. Von fast 2200 Kandidaten blieben nur 20 ohne Gewinn, pro Ausgabe werden 77 000 Euro ausgeschüttet. Tanja Fuß ist mit null Euro nach Hause gegangen. Das ist bitter für sie und ein Warnsignal für die Besserbescheidwisser. Bei Günther Jauch kann jeder schneller als in 45 Sekunden scheitern. Die falsche Frage im richtigen Wissen – Peng.