Nackt-Format "Blachman" im dänischen TV: "Wer da onaniert, hat nichts verstanden"
Das dänische Fernsehen hat mit dem Format „Blachman“ heftige Diskussionen hervorgerufen: Frauen ziehen sich darin aus und zwei Männer reden über sie, weibliche Schönheit und Geschlechterrollen. Wäre das auch etwas fürs deutsche TV? Ein Gespräch mit Moderatorin Paula Lambert.
Das Konzept der Fernsehsendung des öffentlich-rechtlichen Danmarks Radio war radikal. Zwei Männer sitzen in einem Fernsehstudio auf einem Sofa. Eine Frau tritt auf, streift ihren Satinmantel ab und bleibt nackt vor ihnen stehen. Die beiden Männer unterhalten sich eine halbe Stunde über die Frau, weibliche Schönheit, Geschlechterrollen oder den männlichen Blick. Die Frau bleibt stumm. „Blachman“ heißt das eben ausgestrahlte Format, weil Thomas Blachman, Musiker und Moderator, die Idee dazu hatte.
Frau Lambert, ein aufregendes Konzept oder eine sonderbare Peinlichkeit?
Ein aufregendes Konzept. Psychologisch sehr interessant, vor allem, wenn man sich die Frage stellt, welche der Protagonisten sich eigentlich entblößen. Es sind nämlich nicht die Frauen, sondern die beiden Männer auf dem Sofa. Wie still die meisten werden, wie sie an ihren Fingern nesteln, dem Blick der Frau nicht standhalten können und schließlich Intimes preisgeben, Dinge, die viel nackter sind als der Frauenkörper, der vor ihnen steht. Und das Ausmaß der Empörung zeigt, dass es Redebedarf gibt über Sexualität und wie wir damit umgehen. Die weibliche Würde wird gar nicht verletzt mit diesem Konzept, die meisten sehen das bloß nicht, weil sie völlig hysterisch auf einen nackten Frauenkörper reagieren. Thomas Blachman hat das völlig richtig eingeschätzt. Bei all seiner Eitelkeit halte ich ihn trotzdem für einen Mann mit Substanz.
Sind Sie überrascht, dass Dänemarks öffentlich-rechtlicher Sender den Mut zu „Blachman“ hatte?
Nein. Mich überrascht eher die Aufgeregtheit darüber. Die Dänen gehen mit dem Menschsein mit allen Facetten viel unverkrampfter um. Es ist ein sehr intelligentes Format, das haben die Verantwortlichen gleich verstanden. Für ein so kleines Land ist Mut viel riskanter – und zugleich überlebensnotwendig. Jede Bewegung hält allen den Spiegel vor, nicht nur einigen wenigen. Deshalb wird zum Beispiel auf Island viel intelligenter und praktischer Politik gemacht.
Wie schwierig ist es, über den Körper des anderen Geschlechts, seine eigenen Vorstellungen von Schönheit und Sex, die individuelle Pornografie vor laufender Kamera zu sprechen?
Das kommt darauf an, welche Intimität man zu sich selbst pflegt. Schätze ich meinen Körper oder trage ich ihn herum wie ein Geschwür? Stehe ich zu meinem Menschsein oder schäme ich mich für die Untiefen? Bei „Blachman“ geht es um seelische Intimität, das ist natürlich für Menschen, die sich selber gar nicht merken, schwer auszuhalten. Oberflächlichkeit erst mal zuzugeben und dann zu spüren, woher diese Distanz eigentlich kommt, dieses tatsächliche In-die-Tiefe-Gehen, das ist ein Kunststück, das im deutschen Fernsehen überhaupt nicht gelingt.
Die mitwirkenden Frauen hatten sich freiwillig gemeldet. Nimmt das dem Vorwurf des Sexismus die Spitze?
Sexismus findet statt, wenn ein Mensch aufgrund seines Geschlechtes diskriminiert und herabgewürdigt wird. Nichts davon passiert bei „Blachman“. Wäre es gerecht, das Ganze auch andersherum zu drehen, mit einem nackten Mann? Möglicherweise. Ich glaube aber nicht, dass die beiden Frauen, was Sexismus betrifft, gut abgeschnitten hätten. Man darf auch nicht vergessen, dass Männer in ihrer Geschlechterrolle heute viel unsicherer sind als Frauen.
Es gab Zuschauerstimmen, die sich davon begeistert zeigten, dass keine Supermodels auftraten. Das wurde als Veto gegen den Optimierungskult gewertet.
Und trotzdem war jede dieser Frauen auf ihre eigene Art wunderschön. Das zu sehen, hat sicher vielen Frauen gutgetan. „Ich bin normal“ – den Glauben haben ja viele Frauen gar nicht mehr. Die zuppeln an sich rum und wünschen sich ständig, sie könnten eine andere sein.
Thomas Blachman sagte, die Show sei eine großartige Parodie auf die Dänen. Glauben Sie ihm das?
Nein. Ich glaube, den rührt die Wucht, mit der sich sein Geschoss durch die Gesellschaft bewegt, auch an. Zumal es keine Parodie ist, sondern bittere Wahrheit. Wir alle, nicht nur die Dänen, haben den Bezug zu uns und unseren Körpern völlig verloren.
Talkshow oder Peepshow?
Sehr intime Talkshow, und zwar auf Männerseite.
Ist das Format im deutschen Fernsehen vorstellbar?
Ich kann mir keinen deutschen Mann vorstellen, der das glaubhaft durchziehen könnte. Hier wird leider der Moderationsroboter als Entwicklungsstil gepflegt. Könnten Sie sich Markus Lanz in so einer Sendung vorstellen? Das hätte allerdings großes Komikpotenzial. Leider setzen die großen Sender nicht auf Individualität, sondern auf Lautstärke. Der Blachman moderiert ja auch „X-Faktor“ in Dänemark, ein Format, das in sich ein fieses faules Ei ist. Aber er benutzt seine Präsenz immer wieder, um politische Statements abzusetzen, Sätze, auf denen die Zuschauer ruhig mal herumkauen dürfen. Das wäre hier undenkbar.
Wir leben in einer übersexualisierten Gesellschaft. Kann „Blachman“ da nicht kathartisch wirken? Wenn Sie so wollen: als televisionäre Triebabfuhr?
Thomas Blachman ist ja ein Intellektueller. Das allein verbietet die Triebabfuhr. Wer dieses Format zur Onanie benutzt, ist eine ganz arme Sau und hat wirklich nichts verstanden.
Würden Sie die Moderation übernehmen?
Würde ich sofort. Aber jetzt kommt erst mal ein anderes Format mit mir.
Das Interview führte Joachim Huber.
Paula Lambert hat bei ZDFkultur den Talk „Im Bett mit Paula“ moderiert. Ihr jüngstes Buch hieß „Eine Frau mit Penetrationshintergrund“. Bei „GQ“ ist sie Kolumnistin zum Thema Sexualität.
Joachim Huber
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