Staatsknete fürs Privatfernsehen: Warum der Vorschlag nicht nur eine Dreistigkeit ist
ProSiebenSat.1 will öffentliche Gelder für Nachrichten und Bildungsfernsehen im privaten TV. Das erreicht immerhin mehr junge Leute. Ein Kommentar.
Der Medienkonzern Pro7Sat1 zeigt in seinen Fernsehprogrammen, was ihm nicht unbedingt zugetraut wurde. Ob „Taff“, „Galileo“ oder das „Sat 1 Frühstücksfernsehen“ – die Zuschauer werden über die anstehende Europawahl fundiert informiert. Konzern-Vorstand Conrad Albert sagte der „FAZ“, „als Medienunternehmen tragen wir eine besondere Verantwortung, erst recht in Zeiten, in denen der Populismus die Demokratie vor sich her treibt“.
Aber eine Verantwortung, die Albert noch lieber und länger wahrnehmen würde, wenn er sie nicht bezahlen müsste. Für „Public-Value-Inhalte“ in privaten TV- und Hörfunkprogrammen sollte ein staatlicher Medienfonds zwischen 50 und 100 Millionen Euro pro Jahr aufgelegt werden, über den gesellschaftlich relevante Beiträge finanziert werden.
Ist das nicht eine fragwürdige Gewinn-und-Verlust-Rechnung, wenn ein Medienunternehmen seine ordentliche Dividende beispielsweise aus „GNTM“ für sich behalten, sein demokratiepolitisches Engagement aber sozialisieren will? Fragwürdig und einer Senderkette unwürdig, die 2000 den Nachrichtensender N24 gründete und diesen 2010 als „Kostgänger“ wieder verkaufte. Mit Staatsgeld lässt sich leicht Fernseh-Demokrat sein.
Privat-TV hat junges Publikum, ARD und ZDF nicht
Einerseits. Andererseits hat gerade ProSieben das junge Publikum, das dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen abgeht. ARD und ZDF strengen sich in Sachen Europawahl mächtig an, keine Frage, doch wenn die jungen Zuschauer lieber Privat-TV und Netflix konsumieren, geht die Anstrengung an einem wesentlichen, wichtigen Teil der Adressaten vorbei.
In der Europa-Perspektive sind beide Fernseh-Systeme herausgefordert. Pro7Sat1 muss sein Engagement ohne Gejammer und Schielen nach Staatsknete realisieren, die öffentlich-rechtlichen Sender müssen ihre Publikumsansprache intensivieren. Was nutzen acht Milliarden Euro Beitragsknete, wenn sie nicht für die Gesamtheit der Zuschauer investiert werden?
Klingt anstrengend. Ist anstrengend, für die Privaten wie für die Öffentlich-Rechtlichen. Lohnt sich aber. Und, oh Wunder, das Geld ist beiderseits da.