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Auf Sendungssuche: Vorhang auf

Literatur hat es im Fernsehen schwer. Noch immer fehlt ein adäquater Nachfolger des "Literarischen Quartetts". Nun wagt der RBB mit Dieter Moor einen neuen Versuch.

Es gibt glücklichere Verbindungen als die zwischen Literatur und Fernsehen, wenn man sich die jüngere Vergangenheit anschaut. Seit dem Ende des „Literarischen Quartetts“ im Dezember 2001 hat es im Grunde kein Magazin, keine Sendung, kein Moderator geschafft, dem Thema Lesen angemessen kritisch, fundiert und gleichzeitig unterhaltsam gerecht zu werden. Am späten Donnerstagabend startet nun der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) ein neues Literaturmagazin: „Bücher und Moor“, in dem sich Dieter Moor mit Prominenten auf „literarische Spurensuche“ begeben will.

Der Moderator („Titel, Thesen, Tempermanete“) muss ein vielbeschäftigter Mann sein. Es gibt im Fernsehgeschäft nicht viele öffentliche Vorstellungen eines neuen Formats, wo der – sogar titelgebende Moderator – gar nicht erst anwesend ist. „Dieter Moor präsentierte am Sonntag noch für die ARD ,Titel, Thesen, Temperamente‘ aus Venedig, und dreht derzeit für den SWR am Bodensee, er hat einen vollen Terminplan“, sagte Liane von Pein, Leiterin Aktuelle Kultur beim RBB Fernsehen am Dienstag bei der Vorschau auf „Bücher und Moor“. Das Format sei im Zuge der RBB-Programmreform kurzfristig angesetzt worden. Ein neuer Literaturpapst wolle Dieter Moor auf gar keinen Fall sein. Dem RBB ginge es darum, Autoren, Bücher und Leser zusammenzubringen: „Keine Literaturkritik in einem Studio über Bücher, die der Zuschauer nicht kennt.“

Eine Anspielung wohl auch aufs „Literarische Quartett“, die Mutter aller interessanten Literatursendungen im zeitgenössischen Fernsehen, an deren Erfolg nach 2001 alle Nachfolge-Formate vergeblich anzuknüpfen versuchten: die mittlerweile eingestellten ZDF-Formate „Lesen!“ (mit Elke Heidenreich) und „Die Vorleser“ (Ijoma Mangold, Amélie Fried) sowie aktuell „Das blaue Sofa“ (Wolfgang Herles, ZDF) oder eben „Druckfrisch“ (Denis Scheck, ARD), von Spaß-Geschichten wie „Fröhlich Lesen“ mit Susanne Fröhlich (MDR) oder das ebenfalls eingestellte „Was liest du?“ mit Jürgen von der Lippe (WDR, 2003 bis 2010) ganz abgesehen. Diese zielen auf eine andere Klientel. Na klar, Lesen soll schließlich Spaß machen.

Was die reine Bücher-Verkaufe betrifft, bei den deutschen Verlagen gilt offenbar die Devise: dann lieber gleich in eine TV-Talkshow. „Die Karrieren von Büchern und Filmen, Tourneen und anderen Popkulturprodukten werden in den Talkshows gemünzt. Da geht es zum allgemeinen Buchhochhalten hinne, und daran glauben auch die Verlage und Buchpromoter ganz fest“, sagt Produzent Friedrich Küppersbusch.

Durch den ständigen Diskurs von Literatur in Talkshows werden die Literatursendungen im Fernsehen natürlich auch nicht besser. Oder relevanter. Wohl dem Programmdirektor, der heute eine Art „Literarisches Quartett“ aus der Tasche zaubern könnte. Das Kritiker-Terzett aus Marcel Reich-Ranicki, Hellmuth Karasek, Sigrid Löffler (später: Iris Radisch) und wechselnden Gästen legte in 13 Jahren einen derart intellektuellen Furor an den Tag, dass es jeden halbwegs Gebildeten spätabends vorm Bildschirm hielt und am nächsten Tag im Buchgeschäft direkt zu den Schwergewichten der Literatur führte. Kein Hirschhausen, keine von Kürthy. Hier war Literatur noch Literatur. Es ist kaum einzusehen, warum es das Fernsehen über die Jahre nach dem „Literarischen Quartett“ geschafft hat, mit Formaten wie „Die Vorleser“ und Buch-Vorstellungen im Stakkatotempo selbst Nicht-Literaten glauben zu lassen, sie wären Schriftsteller, nur weil sie im Literaturmagazin besprochen wurden. Ein Medium meint hier, es dem anderen recht tun zu müssen. Zur Not mit Performance. Da wird ein Möbelstück auf einen Gletscher gehievt, damit der Zuschauer bloß nicht abschaltet, wenn er den Schriftsteller nicht gleich versteht.

Ein trauriger Irrtum. Wir wollen keine witzigen Autoren-Porträts in 2000 Meter Höhe. Wenn wir einen Autor noch nicht kennen, würden wir ihn zumindest versuchsweise gerne in die Galaxie Gutenberg eingeordnet bekommen. Von den 385 Buchtiteln, die im „Literarischen Quartett“ besprochen wurden, von Nabokov bis Franzen, hätte es kaum einer zu den Fröhlichs & Co. in die Sendung geschafft, nicht mal zu Elke Heidenreich. Dabei wurde dort noch nicht mal Literaturseminar betrieben, analysiert, auch bewusst vereinfacht. Reich-Ranicki beendete die Sendung immer mit dem Brecht-Zitat: „Und so sehen wir betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“, Geschenkt, dass damit auch die Eitelkeit Reich-Ranickis am Laufen gehalten wurde. Wer in der Branche ist nicht eitel.

Womit wir wieder bei Dieter Moor sind. Von „Bücher und Moor“ sind zunächst zwei Ausgaben in diesem Jahr geplant. 2013 sollen es mehr werden. In der ersten Folge trifft sich Moor mit Dani Levy in einem Schöneberger Café, unterhält sich mit dem Regisseur über das Lesen, seine Liebe zur Literatur. Wobei die von der RBB-„Literaturagentin“ Christine Thalmann vorgestellten drei Neuerscheinungen interessante Bezüge zum Leben des Juden Dani Levy haben, vor allem Reinhard Kleists Comic „Der Boxer“ über das Überleben im KZ. Das Konzept könnte funktionieren, auch ohne Quartett. Außerdem schreiben junge Berliner und Brandenburger Schriftsteller „exklusiv für den RBB“ Romane mit 200 Wörtern. Der erste Satz steht fest: „Eigentlich hätten wir glücklich sein können.“ Ein Motto für Literaturliebhaber, vielleicht schafft das „Bücher und Moor“.

„Bücher und Moor“, RBB,

Donnerstag, 22 Uhr 45

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