Der ZDF-Dreiteiler "Das Adlon": Von Zimmern und Mädchen
Das ZDF hat die Geschichte des Berliner "Adlon" in einem Dreiteiler verfilmt. Gut ist der Film, wenn er sich um die Hotel-Geschichte dreht. Schwach, wenn es um die unnötig erfundene Familiensaga geht.
Die Idee mit der alten Dame, die im Rückblick von Glanz und Untergang des Flaggschiffs kaiserlicher Hotellerie, des Berliner „Adlon“, erzählt, ist von James Camerons „Titanic“-Film geklaut. Macht aber nichts, besser gut geklaut als schlecht erfunden. Nun hatte Cameron dank des schleunigen Versinkens seines Schauplatzes keine Mühe, die aristotelische Einheit von Ort, Zeit und Handlung zu wahren – das macht seinen Film so kompakt. Uli Edel, Regisseur des „Adlon“, erzählt die Geschichte eines Luxushotels, das bis zum Untergang fast ein halbes Jahrhundert gebraucht hat – und dann auch noch wieder aufgebaut worden ist.
Das macht sein Vorhaben selbst im Rahmen eines Dreiteilers um einiges komplizierter. Die Liebesgeschichte – schönes Mädchen aus der Oberschicht wählt netten Burschen aus der Unterschicht – geben auch Edel und Rodica Döhnert (Buch) zum Besten, und zwar gleich zwei Mal. Aber für einen Dreiteiler ist das noch nicht genug, es müssen weitere Romanzen hinein. Und die alte Dame, die niemand anders ist als das in die Jahre gekommene schöne Mädchen mit Namen Sonja, war ja nun nicht überall dabei, und so leidet die Einheitlichkeit der Filmerzählung, droht der Zerfall des Stoffs in einen Episodenreigen.
Außerdem standen Edel und seine Casting-Leute vor dem Problem mit der Mehrfachbesetzung von Rollen, was meistens misslich ist. Aber man kann ja schlecht eine Figur, die 1904 – Baubeginn des „Adlon“ – fünfzehn ist, Jahrzehnte später von derselben Schauspielerin spielen lassen. Bloß mit solchen Sonderfällen wie Heino Ferch, dem man nur ein bisschen Silberpuder ins Haar stäuben muss und schon sieht er aus wie sechzig, kann man das machen. Die übrige Riege der Personen braucht mindestens zwei Darsteller. Damit lädt man dem Publikum die Schwierigkeit der Wiedererkennung auf, die sich im Falle des „Adlon“ noch dadurch steigert, dass zwei wichtige Figuren – Sonjas Mutter Alma und ihre Tochter Anna Maria – streckenweise verschollen sind und man bei ihrem Wiederauftauchen nicht mehr weiß, wem sie eigentlich ähnlich sehen sollen.
Ein weiteres dramaturgisches Risiko sind die Macher dadurch eingegangen, dass sie nicht die Familie Adlon selbst, die das Superhotel baut und betreibt, in den Mittelpunkt der Handlung stellten, sondern eine fiktive Familie Schadt, die mit den Adlons befreundet ist, Geld in das Unternehmen gesteckt hat und teilweise dort wohnt und arbeitet. Und diese Familie ist nicht wirklich gut erfunden. Es ist nun mal so, dass es Namen mit Aura gibt und solche ohne. Bei Adlon muss man nicht lange nachdenken, vorab interessiert den Zuschauer, was das für Leute waren.
Aber im Vergleich zu den ausgedachten Schadts, die einen wahrlich nichtauratischen Namen tragen und schon deshalb weniger Interesse auf sich ziehen, werden die Adlons in diesem Film spärlicher mit Infos über ihr Leben, Lieben, Leiden bedacht. Von des Erben Louis’ (Heino Ferch) erster Ehe, der immerhin ein ganzer Reigen Kinder entspross, erfährt man gar nichts. Die Schadts hingegen stellen sogar die Hauptfigur: Sonja, gespielt von Josefine Preuß. Und diese Frau heiratet nicht etwa einen Adlon, sondern einen Kellermann (Ken Duken), und sie macht Karriere nicht als Hotelfachfrau, sondern als Rundfunkmoderatorin. Das ist ja alles gut und schön, aber die primäre Neugier des Publikums gilt nun mal der Familie der Adlons.
Nein, man kann nicht behaupten, dass Edel und Döhnert die Probleme, die in diesem disparaten Plot stecken, gelöst hätten. Da hilft auch die alte Dame nicht, die Rosemarie Fendel sehr sympathisch gestaltet. Dennoch, es gibt in dem Episodenreigen, zu dem die wackelige Konstruktion zerfallen musste, ansehnliche Einzelstücke. Die Ausstattung (Jérome Latour) des frisch eröffneten Adlon gibt einen guten Widerschein von der Prunk- und Protzsucht der Kaiserzeit, samt Kolonialdünkel. Auch die existenzielle Wende Berlins hinein in die Moderne der 20er Jahre ist treffend eingefangen. Was die Nazizeit betrifft, so spürt man das Bedürfnis der Macher, nicht immer dieselben Aufmärsche und bramarbasierenden Schergen zu zeigen. Hier stimmt auch das menschliche Drama. „Ich führe ein Hotel“, sagt Louis Adlon, „ich habe nichts mit Politik zu tun.“
Hat er natürlich doch, zur Einweihung kam der Kaiser. Aber hat er auch wieder nicht, denn wo käme er hin, wenn er Zimmer nach Parteizugehörigkeit vergäbe oder verweigerte? Dieses Porträt eines von Berufs wegen Angepassten, der mit seiner Anpassung hadert, trifft die Ambivalenzen jener Zeit recht gut. Marie Bäumer überzeugt als lebenslustige Hedda an Louis’ Seite. Aber die Adlons stehen ja nun im Schatten der Schadts, denen zuliebe der Film auch „Die verlorenen Mädchen“ hätte heißen können. Zwei Mal werden in dieser Familie Kleinkinder von ihren Müttern getrennt, um ohne sie aufzuwachsen – eine Duplizität der Ereignisse, die weniger an Schicksalhaftigkeit als an zu wenig Fantasie denken lässt.
Aber sei’s drum, immer wieder gibt es in diesem Dreiteiler sehenswerte Szenen: so das Adlon als Lazarett gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, als staatliche Einrichtung in der DDR, als ausgebrannte Ruine, als Herberge der Sportler aus aller Welt im Jahre 1936. Immer da, wo es die Geschichte ist, die den Film trägt, guckt man gerne zu. Die Fiktionsspur hingegen entgeht nicht der Gefahr, sich in Beliebigkeit zu verlaufen.
„Das Adlon. Eine Familiensaga“, ZDF, Sonntag, Montag, Mittwoch, jeweils um 20 Uhr 15