Kritik an Formel 1 in Baku: Von Menschen und Motoren
„Können Sie mir sagen, was Menschenrechte genau sind?“ Das Thema Meinungsfreiheit bleibt bei Bernie Ecclestone und in den TV-Berichten zum Formel-1-Rennen in Baku außen vor.
Baku groß im Fernsehen, besser gesagt, Baku im Unterhaltungs-Fernsehen? Da war doch mal was. Richtig, der Eurovision Song Contest 2012, live aus Aserbaidschans Hauptstadt, von der ARD übertragen. „Zu Gast bei Schurken? Party beim Diktator?“ hieß es damals, Aserbaidschan gilt als autoritäres Regime, doch die Verantwortlichen des Eurovision Song Contest wollten davon wenig wissen. Genauso wenig wie die Veranstalter des Formel-1-Rennzirkus, der an diesem Wochenende erstmals in Baku gastiert und bei RTL und Sky großräumig im Fernsehprogramm steht.
So gern die Regierung des zwischen Kaspischem Meer und Kaukasus gelegenen Landes nach außen hin ein perfektes Bild abgeben möchte, Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen werden immer wieder laut. In dem Land mit seinen neun Millionen Einwohnern liegt weiter einiges im Argen.
Laut Amnesty International nimmt die Unterdrückung der Zivilgesellschaft und die Verfolgung Andersdenkender im Land nicht ab. Mindestens 18 Regierungskritiker, darunter bekannte Menschenrechtler, befanden sich Ende 2015 aufgrund konstruierter Anklagen in Haft, und noch immer stehen alle führenden Medien unter staatlicher Kontrolle. Fragt Reporter ohne Grenzen: Aserbaidschan steht aktuell in der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 163 von 180.
Wieso werden solche Länder überhaupt als Austragungsorte großer Events bestimmt? Die Veranstalter des „Großen Preises von Europa“, der Renn- und Medienzirkus von Bernie Ecclestone, bringt Glanz und Reputation nach Aserbaidschan, genauso übrigens wie auffällige Werbebanden bei der Fußball-EM in Frankreich: „Socar – Energy of Aserbaidschan“. Es ist kaum davon auszugehen, dass Ecclestone großes Interesse daran hat, auf Missstände im Gastgeberland hinzuweisen.
Das Rennen als solches könne man als Rechtepartner nicht infrage stellen
„Können Sie mir sagen, was Menschenrechte genau sind?“, fragte Ecclestone im Vorfeld des Grand Prix und klingt damit ein bisschen wie die European Broadcasting Union (EBU) beim ESC aus Baku 2012: Der Eurovision Song Contest sei keine Plattform, um Menschenrechte zu fördern, sagte EBU-Generaldirektorin Ingrid Deltenre damals.
Trotzdem die Frage an RTL und Sky, die an diesem Wochenende das Formel-1-Rennen aus Baku übertragen: Gibt es auch Blicke abseits der Rennstrecke? „Sky übertragt sämtliche Rennen der Formel 1 und berichtet fokussiert über die sportlichen Inhalte. Wo die Rennen stattfinden, ist eine Entscheidung der F1. Insofern ist eine Frage zum Thema Menschenrechte an die F1 zu stellen“, erklärt Sky-Sportchef Roman Steuer.
Das Rennen als solches könne man als Rechtepartner auch gar nicht infrage stellen, sagt RTL-Sprecher Matthias Bolhöfer dem Tagesspiegel. „Wir konzentrieren uns voll auf die sportlichen Aspekte des Grand Prix, da gibt es schon genug Themen. Land, Leute, Politik und Gesellschaft Aserbaidschans bleiben außen vor, darauf können wir nicht eingehen.“ Das nächste Formel-1-Rennen findet in Österreich statt. Show must go on.
„Formel 1: GP von Europa“, live aus Baku, RTL und Sky, Sonntag, ab 14 Uhr