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Wie ein warmer Sommerregen - wenn's gut läuft lassen sich mit Crowdfunding Kunstprojekte, Filme, Unternehmen oder die gute Sache finanzieren.
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Crowdfunding: Von der brotlosen Kunst zum Marketinginstrument

Als Erste entdeckten Künstler das „Crowdfunding“ und sammelten im Netz Kleinstbeträge für ihre Projekte. Inzwischen finanzieren sich so ganze Unternehmen.

Nana Rebhan möchte sich mit dem Thema Tourismus beschäftigen. Mit den hitzigen Diskussionen in Berlin, mit der Frage, ob die 30 Millionen Besucher, die demnächst jährlich kommen sollen, wirklich eine Bedrohung für die Lebensqualität darstellen. Ein Dokumentarfilm soll es werden, kritisch, unabhängig, „low-budget“. 10 000 Euro braucht die Regisseurin trotzdem, für technisches Equipment, für Drehgenehmigungen, Lizenzen, Schnitt und Ton. Auf der Website Startnext.de bittet sie deshalb um finanzielle Unterstützung. Über 6 000 Euro sind auf diesem Wege schon zusammengekommen.

Crowdfunding heißt das große neue Zauberwort im Netz, es gilt derzeit als aussichtsreicher Weg, im Internet Geld zu verdienen. Seit 2010 schießen Crowdfunding-Plattformen wie Pilze aus dem Boden, über 400 gibt es mittlerweile weltweit. Die bekannteste und erfolgreichste heißt Kickstarter.com, erst drei Jahre ist das amerikanische Unternehmen alt, kann aber schon beeindruckende Zahlen vorweisen: „Über 23 000 erfolgreich finanzierte Projekte, 20 Millionen private Geldgeber und 230 Millionen Dollar Finanzierungszusagen“ habe man, sagt Pressesprecher Justin Kazmark.

Aber wer gibt das Geld und wofür, und wie funktioniert es überhaupt? Unterscheiden müsse man grundsätzlich zwischen „Crowddonating, Crowdinvesting und Crowdsupporting“, erklärt Andreas Will, Professor für Medienmanagement an der Technischen Universität Ilmenau. „Donating“ bezeichnet das uneigennützige Spenden für eine gute Sache, Seiten wie Betterplace.org funktionieren nach diesem Prinzip. Hier können kleine oder große Hilfsprojekte eingestellt, erklärt und beworben werden. Gegenleistungen für die Spender gibt es keine.

Beim „Crowdinvesting“ ist das anders, hier geht es um Anteile und Gewinnbeteiligungen. Die Unterstützer geben nicht nur Geld, sie werden zu stillen Teilhabern. Plattformen wie Seedmatch.de oder Innovestment.de vermitteln in Deutschland den Kontakt zu Start-up-Gründern. „Wir prüfen die eingereichten Businesspläne und treffen eine Auswahl“, sagt Seedmatch-Pressesprecher Peter Schmiedgen. Nur, was innovativ und erfolgversprechend ist, darf sich auf der Plattform präsentieren. Außerdem gilt das Ganz-oder-garnicht-Prinzip. Kommt über das Crowdfunding nicht genug Investitionskapital zusammen, dann erhalten die Investoren ihr Geld zurück. Noch ist das aber nicht vorgekommen: „Bisher haben wir eine Erfolgsquote von 100 Prozent.“ 13 Start-ups hat Seedmatch seit August 2011 zu einer Finanzierung verholfen, insgesamt haben über 1000 Nutzer rund 1,25 Millionen Euro angelegt.

Ganz so hoch wie beim „Crowdinvesting“ sind die Erfolgschancen bei den kulturellen „Crowdsupporting“-Plattformen nicht, hier erreichen nur rund 40 Prozent aller Projekte ihr Finanzierungsziel. Dabei treffen auch Startnext.de, Inkubato.de und Visionbakery.de eine Vorauswahl und schütten nur Geld aus, wenn die anvisierte Fördersumme erreicht wurde. Andere Seiten wie Indiegogo.com oder Mysherpas.com weisen dagegen niemanden ab, hier überlässt man die Bewertung der Projekte allein der Community. Die kann sich dann entscheiden, wofür sie Geld ausgeben will: für die Finanzierung von Konzerten, für Filmfestivals, für Sommer-Tourneen, für eine neue Buchidee, für Musikvideos oder Theaterrenovierungen.

Ob die Initiatoren während der mehrwöchigen Laufzeiten auf ihrer jeweiligen Plattform genügend Unterstützer finden, hängt von etlichen Faktoren ab. Entscheidend, erklärt Kommunikationswissenschaftler Will, seien „ein gelungenes Präsentationsvideo und eine präzise Projektbeschreibung“. Außerdem müssen die Gegenleistungen stimmen. Darauf, namentlich genannt zu werden, legen die meisten privaten Sponsoren keinen Wert, lieber wollen sie das fertige Produkt zugeschickt bekommen: Eintrittskarten, CDs oder DVDs. Bei höheren Beträgen sollten Merchandising-Artikel dazukommen.

Ist Crowdfunding also gar nichts anderes als ein klassisches Subskriptions-Geschäft im neuen Gewand? Kickstarter, das eigentlich als Ort für brotlose Künstler gedacht war, hat sich jedenfalls im letzten Jahr zum perfekten Verkaufsumfeld für Unterhaltungselektronik und Games entwickelt. Vor allem Marketingexperten sind auf die neuen Vertriebswege aufmerksam geworden. Hier können Produkte schon vor ihrer offiziellen Markteinführung bekannt gemacht, Absatzmärkte getestet und Fangemeinden aktiviert werden. Und die Strategie geht auf. Auf über 10 Millionen Dollar Finanzierung und 85 000 Vorbestellungen brachte es kürzlich die ePaper-Uhr Pebble. Das Computerspiel Double Fine Adventure erreichte 3,3 Millionen, eine Docking-Station für das iPhone aus Aluminium schaffte 1,4 Millionen Dollar.

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