Neue ARD-Montagsreihen: Von Ausbeutung am Arbeitsplatz und Drogen in Berlin
Die neue ARD-Montagsreihe „Rabiat“ schickt ihre Reporter auf die Warschauer Brücke. Zuvor will das Erste zeigen, "Was Deutschland bewegt".
Die ARD betont gerne, wie umfassend ihr Informationsangebot im Ersten Programm ist. Aber offenbar dämmert es auch den Verantwortlichen, dass es Nachbesserungsbedarf gibt. Mit sechs „Story“-Filmen zur besten Sendezeit und sechs Reportagen im neuen „Rabiat“-Format setzt der Senderverbund nun montags einen überfälligen Akzent. „Wir wollen im dokumentarischen Bereich aktueller und flexibler werden und mit brisanten Reportagen Themen aufgreifen, die gerade die öffentlichen Diskussionen in Deutschland bestimmen“, sagt ARD- Chefredakteur Rainald Becker. Den Versuch werde man „bei entsprechender Themenlage und bei Interesse gerne weiterführen“. Vielleicht wäre eine Fortsetzung keine schlechte Idee, denn ein geschärftes Profil stünde den Öffentlich-Rechtlichen in der gegenwärtigen Debatte um seine Zukunft gut zu Gesicht.
Auf den eigentlichen „Story“-Sendeplatz rückt montagabends die Reihe „Rabiat“ von Radio Bremen – womit erstmals ein bei Funk, dem gemeinsamen Jugendangebot von ARD und ZDF, entwickeltes Format fürs Erste angepasst wurde. Die jungen Autorinnen und Autoren des „Y-Kollektivs“ sind für ihre Web-Reportagen gerade für den Grimme Online Award nominiert worden.
Es darf extrem zugehen
Ganz neu sind Stil und Herangehensweise nicht, erinnern etwa an die ZDFneo-Reihe „Wild Germany“ mit Manuel Möglich, der hier ebenfalls mit zwei Filmen vertreten ist („Netzwerk pervers“ am 7. Mai und „Unter Pädophilen“ am 11. Juni). Es darf also gerne extrem zugehen. Und vor allem: persönlich. Die Reporter sollen durch teilnehmende Beobachtung zu einer Haltung finden.
So kauft Autorin Anne Thiele im ersten Film („Drogenrepublik Deutschland“) gleich mal Partydrogen auf der Warschauer Brücke in Berlin – siehe auch Berlin-Teil Seite 8. Sie reist per Taxi mit einem Dealer durch die Nacht, macht frühmorgens schlapp, während zwei mit Drogen aufgeputschte Partygänger weitertanzen, trifft Ärzte, einen jungen Mann auf Entzug und YouTuber Velcro, der in seinen Videos von seinen Drogenerfahrungen berichtet. Man möchte fast glauben: Das Erste mit seiner 60plus-Zuschauerschaft entdeckt das junge Publikum.
Montags nach der „Tagesschau“ dominieren bislang Natur-Dokus und verbrauchernahe „Check“-Sendungen. Jetzt sollen sich sechs „Story“-Filme mit gesellschaftlich kontroversem Stoff beschäftigen. Zum Auftakt der Reihe „Was Deutschland bewegt“ geht es um Langzeitarbeitslose und prekär Beschäftigte. So berichten Knud Vetten und Florian Farken in „Die Schattenseiten des Booms“ von der gängigen Methode, wie der Mindestlohn in der Reinigungsbranche systematisch unterlaufen wird. Wenn die Arbeit nicht in der vorgegebenen Zeit geschafft werden kann, muss nachgearbeitet werden – freilich ohne Bezahlung. „In 70 Prozent der Fälle schafft man es nicht“, sagt die Bereichsleiterin einer Unternehmensgruppe, die 5000 Mitarbeiter beschäftigt. Das Thema wird sodann von Frank Plasbergs „hart aber fair“-Talk aufgegriffen, auch das ist Programm.
Zwei weitere Filme behandeln ebenfalls sozialpolitische Themen: „Ungleichland – Wie aus Reichtum Macht wird“ (7. Mai) beschäftigt sich unter anderem mit dem Unternehmer Christoph Gröner, dessen CG-Gruppe in Berlin etwa den Steglitzer Kreisel zum City-Tower umbaut. Ein Film zu einem Dauerthema mit sozialem Sprengstoff schließt die Reihe ab: „Pflege – Hilft denn keiner?“ (11. Juni). Dazwischen geht es um Gewalt und Kriminalität, um die Misshandlung von Kindern durch ihre Eltern (14. Mai), um den skandalösen Umgang mit Vergewaltigungsopfern (21. Mai) und um die Stimmung in Kandel und Darmstadt nach den von Geflüchteten begangenen Gewalttaten (4. Juni). Thomas Gehringer
„Was Deutschland bewegt“, ARD, Montag, 20 Uhr 15, „Rabiat“, ARD, Montag, 22 Uhr 45