ZDFneo: Viel Tempo: Jan Böhmermann und sein neues Magazin
Und ist sie das jetzt, die Zukunft der Fernsehunterhaltung? Jan Böhmermann lässt in seiner ersten Show auf ZDFneo erahnen, was er noch alles kann.
Das Fernsehen, wenn es gut ist, ist immer auch ein bisschen Lüge, ein bisschen Betrug, und deshalb lautet die Unterzeile des neuen „Neo Magazins“, das am Donnerstagabend auf dem Digitalkanal ZDFneo Premiere hatte: „Alles andere ist Fernsehen.“ Aber wenn die Welt gerecht wäre, müsste man die Lüge entlarven und die Wahrheit aussprechen: Das ist Fernsehen. Alles andere ist irgendetwas anderes.
Das „Neo Magazin“ mit Jan Böhmermann beginnt auch mit einer Lüge, die gleichzeitig ein Knaller ist, ein Einspielfilm, „...was bisher geschah“. Böhmermann und seine ehemalige Co-Moderatorin Charlotte Roche sitzen in einer Limousine und schweigen sich an, sie steigt aus. Schnitt. Das ist altes Material. Dann kommt das neue: Böhmermann bleibt im Wagen und weint, dann setzt sich der große WDR-Menschenversteher Jürgen Domian neben ihn, und Böhmermann beginnt zu singen. Und in dem Lied und dem dazu gehörigen Filmchen zeigen der Moderator und sein Team, was sie wollen und was sie können. Und Markus Lanz tritt auf. Und Olli Schulz – und danach beginnt eine halbe Stunde unterhaltsamer Wahnsinn, über den man hinterher nicht ganz genau sagen kann, was das eigentlich war.
Dass es die Sendung überhaupt gibt, ist ein Zufall, ein Versehen, eigentlich ein Unfall: Bis vor einem Jahr moderierte Böhmermann zusammen mit Charlotte Roche die Sendung „Roche & Böhmermann“, eine Talkshow, die Kritiker, Zuschauer und Fernsehverantwortliche so provozierte, das man gar nicht anders konnte, als irgendwann nur noch über das Format zu jubeln: Kritiker waren euphorisch, die Zuschauer wurden mehr, und beim ZDF dachte man darüber nach, „Roche & Böhmermann“ aus der Digitalsparte ins Hauptprogramm zu heben. Doch dann gab es die Sendung plötzlich nicht mehr, über die Gründe schweigen sich alle Beteiligten aus, aber man kann davon ausgehen, dass man sich nicht im Guten trennte.
Nicht peinlich, nicht ernst genug
Jedenfalls entwickelte Böhmermann mit der Firma, die die Talkshow produzierte, fast ein Jahr lang das „Neo Magazin“, seit Sommer stellten sie diverse Trailer für die Show ins Internet, einer irrer als der andere, jeder für sich ein großer Spaß, Fernsehhöhepunkte im ganz Kleinen – Versprechen auf die Show.
Auch wenn die Quote am späten Donnerstagabend mit 60 000 Zuschauern recht dürftig ausfiel - die Versprechen wurden eingelöst, jedenfalls teilweise, und auch, wenn manches noch nicht ganz rund lief, bleibt eine Ahnung von den Möglichkeiten, die Jan Böhmermann und sein Team haben. Der Moderator muss sein Tempo in den Griff kriegen, seine Schnelligkeit zeichnet ihn zwar aus, behinderte ihn aber in manchen Momenten, gerade am Anfang, als der eine oder andere schlüpfrige Witz nicht so recht zündete. Neben Zoten setzte man aber auf Aktualität, auf die Abhöraffäre. Im besten Moment der Show band Böhmermann das Studiopublikum mit ein, anhand der Ticketbestelldaten wurde im Internet nach Informationen über das Publikum gesucht – eine Frau wollte online verkaufte ein Buntglasfenster verkaufen, was ihr sichtlich unangenehm war.
Es wurde für sie aber noch schlimmer, als Böhmermann dieses Fenster unter dem Schreibtisch hervor holte und es der Frau zurückgab. Und das hätte alles sehr peinlich werden können, aber die Kunst des Moderators besteht auch darin, Situationen nicht peinlich werden zu lassen, dafür nimmt er die Dinge nicht ernst genug – daraus wird dann gute Unterhaltung.
Wenn Menschen vorgeführt werden, dann haben sie es verdient, so wie die so genannte Ginalisa, die einerseits der erste Gast war, andererseits aber permanent beleidigt wurde, ohne das sie das mitbekam. Oliver Welke, der zweite Gast, wurde natürlich nicht beleidigt, sondern hofiert. So lange, bis er sogar bereit war, sein Oberarm-Tattoo zu zeigen. Dann ließ Böhmermann noch die Hosen runter, danach war Schluss.
Und ist sie das jetzt, die Zukunft der Fernsehunterhaltung? Ach – warum sollte es darum gehen? Es sollte auch nicht um die Frage gehen, ob Böhmermann nicht innerhalb des ZDF für größere Aufgaben bereit sein müsste, oder ob man die Produktionsfirma des „Neo Magazin“, der Bild- und Tonfabrik, nicht mal die schöne Aufgabe stellt, eine Idee für „Wetten, dass...?“ zu entwickeln. Und es sollte auch nicht darum gehen, ob das „Neo Magazin“ der geglückte Versuch ist, die Jugend mit dem Medium Fernsehen zu versöhnen. Es müsste ausschließlich darum gehen, wie gut dieses Format ist, jetzt, im Herbst 2013. Es ist sehr gut.
Und der Grund dafür liegt darin, dass Böhmermann und sein Team augenscheinlich Lust auf Fernsehen haben, Lust auf diese Sendung, Lust darauf, die Zuschauer eine halbe Stunde lang zu unterhalten. Das spürt man. Und das ist im deutschen Fernsehen so selten.