Lex Google: Viel Kritik, wenig Lob für Leistungsschutz-Gesetz
Die Bundesregierung legt einen Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht vor, damit Verlage Geld von Google verlangen können. Doch der Entwurf wird mehrheitlich kritisiert.
Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf verabschiedet, der Verlagen das Recht geben will, für ihre Inhalte von Google und anderen Suchmaschinen Geld zu fordern. Das Gesetz und die Idee dahinter sind umstritten, die Reaktionen fallen entsprechend verschieden aus:
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, aus deren Ressort der Entwurf stammt, erklärte: Mit ihm erhielten "Presseverleger eine angemessene Teilhabe an den Gewinnen, die Suchmaschinenbetreiber und Anbieter von mit Suchmaschinen vergleichbaren Diensten erzielen, indem sie die Leistungen der Presseverleger nutzen".
Allerdings ist gerade das ein Punkt, der so klar nicht ist. Immerhin könnten die Betreiber von Suchmaschinen sich auch einfach weigern, die "Leistungen von Presseverlegern", also die Texte und Videos, zu nutzen. Dann müssten sie nichts zahlen und die Verlage erhielten keine Klicks mehr durch Google und damit weniger Reichweite.
Außerdem ist das Gesetz so formuliert, dass der größte Suchmaschinenbetreiber Google möglicherweise gar nicht davon betroffen ist. Immerhin heißt es im nun verabschiedeten Entwurf, es müssten nur jene zahlen, deren Geschäftsmodell "in besonderer Weise" auf verlegerische Inhalte ausgerichtet ist. Nur ein Bruchteil der von Google gelisteten Seiten aber sind Verlagsangebote.
"Kapitulation vor der Digitalisierung"
Trotzdem führt Google natürlich die Riege der Kritiker an, ist der Konzern doch das erklärte Ziel des Gesetzesvorhabens. Konzernsprecher Kay Oberbeck sprach von einem "schwarzen Tag" für das Internet in Deutschland. Das geplante Gesetz treffe jeden Internetnutzer. "Das Suchen und Finden im deutschen Netz wird massiv gestört. Dieser Eingriff in das Internet ist weltweit ohne Beispiel."
Doch ist das nicht die einzige Kritik an dem Entwurf. Der Verein Digitale Gesellschaft schreibt: "Wir sind der festen Meinung, dass das Leistungsschutzrecht für Presseverlage keinen Sinn ergibt und nur zur Rechtsunsicherheit beiträgt. Es ist unnötig, strukturell falsch und wird nicht für mehr Pressefreiheit sorgen. (...) Zudem fügt es ein weiteres Element der Verkomplizierung zum ohnehin schon viel zu komplexen Urheberrecht hinzu, statt es zu modernisieren und wieder verständlich zu gestalten."
Bei den Grünen sieht man das ähnlich. Bundesvorstandsmitglied Malte Spitz bloggt: "Der Beschluss ist rückwärtsgewandt und schafft mehr Unsicherheit denn Klarheit. Er bedient einseitig die Interessen weniger Unternehmen und verpasst es, einen fairen Interessensausgleich zu organisieren."
Philipp Otto, Jurist und Mitarbeiter der gegen das Leistungsschutzrecht gerichteten Initiative Igel, twittert: "Das Leistungsschutzrecht ist die intellektuelle Kapitulation vor der Digitalisierung."
Bruno Kramm, der Urheberrechtsbeauftragte der Piratenpartei, erklärt: "Verlage stellen ihre Inhalte freiwillig und kostenlos ins Netz. Sie haben bereits die Möglichkeit, Suchmaschinen an der Nutzung ihrer Inhalte zu hindern und Verstöße gegen das Urheberrecht zu verfolgen. Außerdem melden die Verlage jedes Jahr Rekordergebnisse. Es ist uns unbegreiflich, dass der Gesetzgeber der Argumentation der Verlegerverbände folgt, hier müsse eine Lücke geschlossen werden. Es gibt keine technische, rechtliche oder wirtschaftliche Notwendigkeit für diese Innovationsbremse."
Auch Teile der SPD sind dagegen. Der Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil bloggt: "Der Bundesregierung ist es bis heute nicht gelungen, zu erklären, wozu es eines solchen neuen Schutzrechtes bedarf", schreibt Klingbeil, der auch Mitglied der Enquete-Kommission "Internet und Gesellschaft" ist. Er glaubt, das neue Leistungsschutzrecht habe erhebliche "Nebenwirkungen", zum Beispiel würden dadurch die "Informationsfreiheit und andere Grundprinzipien des Netzes" eingeschränkt.
"Signal für den Schutz geistigen Eigentums"
Bitkom, der Branchenverband der Informationsindustrie, hält den Entwurf für eine Behinderung von Innovation. Die Bundesregierung plane "einen weltweit einmaligen Alleingang, der an internationale Gründer und Investoren ein ungutes Signal aussendet: Innovative Online-Dienste sind in Deutschland nicht erwünscht!", erklärt Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.
Auch der zweite Verband der Internetindustrie, Eco, kritisiert das Gesetzesvorhaben. Es schade der Wirtschaft und der Informationsgesellschaft, sagt Oliver Süme, Eco-Vorstand Politik, Recht und Regulierung: "Die Wirtschaft leidet, weil legale Geschäftsmodelle plötzlich verboten und innovative Ideen nicht mehr realisierbar sind. Die Informationsgesellschaft ist betroffen, weil die Verlage nun ganz massiv den freien Informationsaustausch im Internet stören können."
Blogger und Autoren sind von dem neuen Entwurf zwar nicht mehr direkt betroffen. Die Idee des Gesetzes aber lehnen viele von ihnen weiter vehement ab. Aus ganz verschiedenen Gründen. So twittert Sascha Lobo: "Das Leistungsschutzrecht beweist, dass die Regierung den Springer-Verlag mehr fürchtet als das Netz. Das sollte man ändern."
Springer hat sich zwar noch nicht zur Verabschiedung des Entwurfs geäußert. Prinzipiell wird das Gesetz aber von den Verlegern unterstützt. Deren Verbände BDZV und VDZ erklärten schon am Tag vor der Verabschiedung: "Ein effizientes Leistungsschutzrecht ist notwendig, um die gemeinsamen Leistungen von Verlegern und Journalisten besser schützen zu können. Die Verleger unterstützen den Ansatz des Entwurfs, gewerbliche Suchmaschinen und Aggregatoren von Presseerzeugnissen in den Mittelpunkt der Regelung zu stellen."
Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) erklärte am Mittwoch, das neue Recht sei ein "wichtiges Signal für den Schutz des geistigen Eigentums auch im Internet". Presseverleger bekämen ein rechtliches Fundament zur Durchsetzung ihrer Rechte.
Und auch die Unionsfraktion befürwortet es naturgemäß. Der Entwurf sei ein "wichtiger Beitrag zu einer vielfältigen Presselandschaft in Deutschland". Das neue Leistungsschutzrecht werde den Qualitätsjournalismus stärken, schreibt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Günter Krings.
Der Springer-Verlag und sein Cheflobbyist Christoph Keese schweigen bislang.
Dieser Text ist zuerst auf ZEIT Online erschienen.
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