Phänomen "Apotheken Umschau": Vertrauensfrage
20 Millionen Menschen lesen die "Apotheken Umschau", bestimmt nicht alles Hypochonder: Was macht Deutschlands reichweitenstärkste Zeitschrift so erfolgreich?
„Küsse, Kämpfe, Kompromisse – wie die Liebe bleibt“, „Gesund im Job, so schlägt Stress nicht auf die Psyche“, „Ein gutes Ende, den letzten Tagen mehr Leben geben“ – die jüngsten Cover deuten schon an: Dieses Heft könnte dein Lebensbegleiter sein, nicht nur, aber auch, wenn es öfters mal im Rücken zwickt. Ohne in den Verdacht zu geraten, Hypochonder zu sein. Die „Apotheken Umschau“ wird von über 20 Millionen Menschen im Monat gelesen, Tendenz steigend. Ein Phänomen, wo die große Mehrheit der Zeitschriften in Deutschland Leser verliert, laut neuester Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA).
Ein Phänomen? Nicht ganz. Natürlich kostet die „Umschau“ nichts, jedenfalls nicht den Leser. Gut 90 Prozent der 20 000 Apotheken hierzulande kaufen dem Wort & Bild Verlag die Auflage von 9,5 Millionen Heften ab, wohl wissend, dass die Kunden in ihr Geschäft kommen und fragen: „Haben Sie die ,Apotheken Umschau?‘“
Ein findiges Geschäftsmodell. „Wenn wir in der ,Apotheken Umschau‘ ein Thema aufgreifen, dann gehen die Leute davon aus: So ist das. Und schaffen dadurch ein glaubwürdiges Umfeld, das auch auf die Anzeigen abstrahlt“, sagt Hans Haltmaier, seit elf Jahren Chefredakteur der „Apotheken Umschau“. Von jeweils 100 Seiten Heft, zwei Mal im Monat, sind gut 30 Prozent Anzeigen.
Verantwortlich ist der Wort & Bild Verlag, eine Redaktion in Baierbrunn, idyllisch gelegen am südlichen Stadtrand von München. Dort arbeiten 13 Redakteure, Pharmazeuten, Naturwissenschaftler, Geisteswissenschaftler. Für die Qualitätsabsicherung sorgt eine fachwissenschaftliche Redaktion aus Medizinern und Pharmazeuten. Inhaltlich soll es, muss es Hand und Fuß haben, wenn es um Gallenstein, Cellulite oder Nagelpilz geht.
Diese megateure Werbung immer vor „Tagesschau“ und „heute“
Aber ach, die „Apotheker Umschau“? Diese megateure Werbung immer vor „Tagesschau“ und „heute“? Dahinter steckt doch die Pharmalobby! Haltmaier kennt diese Vorbehalte. Er verweist auf die Unabhängigkeit der Redaktion. „Bei uns gibt es keine Produktnamen. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.“
Tatsächlich findet sich auch bei mehrmaligem Lesen der aktuellen Ausgaben kein Produkname, höchstens Wirkstoffe. Die durchschnittliche Lesedauer eines Titels liegt bei 109 Minuten. „Ich kenne kein Kundenbindungs- und Marketingprodukt, das eine solche Kosten-Nutzen-Relation aufweist“, sagt Wort-&-Bild-Geschäftsführer Andreas Arntzen.
Apropos. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn all die Lektüren und Tipps zu Gallensteinen, Fibromyalgie oder Nagelpilz-Therapie nicht am Ende in der Apotheke zu vermehrter Nachfrage nach rezeptfreien Medikamenten gegen Gallensteine etc. führt. Ein Trugschluss. „Wir können keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Absatz bestimmter Gruppen rezeptfreier Medikamente und aktuellen Themen in einzelnen Gesundheitsmedien feststellen“, sagt Rainer Kern, Sprecher Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.
Dafür seien Berichterstattung und Beratung zu Gesundheitsthemen in Zeitschriften, Fernsehen, Radio und Internet zu vielfältig. Es drängen konkurrierende Produkte in den Beratungsmarkt (auch der Tagesspiegel mit Tagesspiegel Gesund). Kaum eine „Hörzu“ ohne XXL-Gesundheits-Thema, neuerdings gibt es sogar „Bunte Gesundheit“. Die „Apotheken Umschau“ will sich deshalb auch nicht auf ihrem Erfolg ausruhen. Optiken wurden aufgehübscht, mehr Infografiken und Social Media. Der Verlag betreibt die App „Apotheke vor Ort“.
Natürlich gibt es auch Kritik, wenn man sich umhört. Die Apotheker kaufen dem Wort & Bild Verlag die „Umschau“ in großer Stückzahl ab, oft für einen vierstelligen Betrag im Jahr, um die Nachfrage der Kunden zu bedienen und keinen Wettbewerbsnachteil zu haben gegenüber anderen Apotheken, die das Blatt anbieten. Das ist berufsständisch immer wieder mal ein Aufreger.
Es gibt zur „Apotheken Umschau“ auch keine echte Konkurrenz. Die „Neue Apotheken Illustrierte“ ist inhaltlich im Grunde ähnlich gut aufgestellt. Sie wird von der Apothekerschaft selbst herausgegeben, hat aber nur einen Marktanteil von zwei Prozent.
Bleibt für notorische Apothekenkunden der Griff zur „Apotheken Umschau“. Fast jeder dritte Deutsche liest Monat für Monat das Magazin. Ob das vermehrt in die Hypochondrie treibt, ist unbekannt.
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