Geld her oder ich schalt um: Verschwende die Million
Immer mehr Spielshows, immer höhere Gewinne: Das Geld-Fernsehen passt sich der Euro-Krise an.
Die Griechen sind Europas schlimmste Zocker. Das Urteil könnte verfrüht sein. Ob nicht doch die braven Deutschen auf vergleichbarem Niveau agieren? Wenn das Primetime-Fernsehen die Neigungen, Wünsche und Interessen der Zuschauer spiegelt, sind Angst vor und Aufklärung von Verbrechen (Krimis/„Aktenzeichen XY ... ungelöst“) sowie Geld die bestimmenden Programmimpulse.
In hoher Zahl werden einerseits Menschen ermordet und andererseits Millionen verzockt. Manchmal gibt es da gar einen inneren Zusammenhang (Habgier!), scheint Mord die logische Erweiterung des Kapitalismus. Bei Linda de Mol ans Morden zu denken, das ist nah am Sakrileg. Für die Fernsehdeutschen will die Niederländerin stets das Gute. Mit der „Traumhochzeit“, von 1992 bis 2000 war Linda der Segenspender für heiratswütige Mitmenschen und der Quotengarant für den Privatsender RTL.
Jetzt ist Linda de Mol 47 Jahre jung. Unverändert hat sie diesen holländischen Akzent, ihr Lachen ist noch herzlicher, ihre Haare blonder denn je. Ihre Sat-1-Show „The Winner is...“ ist ein Neustart, ein Comeback, denn was nach der „Traumhochzeit“ kam, wurde von Sendung zu Sendung erfolgloser. „Einer gegen 100“ (begann 2002 auf RTL), „Der Millionen-Deal“ (2004/Sat 1), ihre holländische TV-Serie „Feine Freundinnen“ traf auf wenig Resonanz, zwei Fernsehfilme liefen mittelprächtig, eine Revival-Ausgabe der „Traumhochzeit“ wollte 2008 so recht nicht funktionieren.
„The Winner is...“, produziert von ihrer Bruders Firma Talpa TV, setzt aufs Geld. Ganz im Sinne der griechisch-deutschen Verhältnisse geht es um hohe Summen. „In K.-o.-Battles stellen sich alle Kandidaten ihrer Konkurrenz und kämpfen um die Million“, heißt es in der Sat-1-Mitteilung. Die „Talent-Game-Show“ ist auf acht Folgen angelegt, um den Thrill-Faktor zu erhöhen, wurde die Sat-1-Sendung gegen die RTL-Show „Let’s dance“ programmiert: Dort agiert Linda de Mols Landsfrau Sylvie van der Vaart (mit mehr Glamour als Linda, das TV-Meisje).
Die eine Million Euro ist jetzt der Maßstab für erfolgreiches Geld-Fernsehen in Deutschland. „Wer wird Millionär?“ fragen RTL und Günther Jauch seit 1999, „Rette die Million“ heißt es beim ZDF und Jörg Pilawa, das ist Deutsch-Griechen-TV at its best, so kreischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer um den befürchteten Verlust des lieben Mammons (Blondinen, und das ist jetzt kein Witz, kreischen beim Zocken am lautesten). Bei „Schlag den Raab“ im Programm von ProSieben sind schon mal drei Millionen Euro im Jackpot. Offensichtlich können die privaten wie die öffentlich-rechtlichen Sender erfolgreich darauf setzen, dass ein Mensch im Wettbewerb ums Geld Mithoffen und Mitbangen, die berühmten Emotionen beim Publikum, auslöst.
Die ARD, deren Innovationsbereitschaft so groß ist wie der Griechen Staatsdefizit, haut von Donnerstag an auch wieder Geld raus. Der „Sportschau“-Moderator Matthias Opdenhövel startet seine Primetime-Show „Opdenhövels Countdown“. In der „Spiel- und Quizshow“ geht es laut ARD um 100 000 Euro. 100 000 Euro? Wo bleibt die Million, der Megagewinn? Wäre nur angeraten, wenn der Sender bei den weiteren Ausgaben von „Opdenhövels Countdown“ ein paar Scheine drauflegen würde. Im Hintergrund steht ein Gewinner schon fest: Günther Jauch, der mit seiner Firma Information & Unterhaltung (I & U) für die Produktion verantwortlich zeichnet.
Die Euro-Krise hat es mit sich gebracht, dass Geldsummen als Wille und Vorstellung ungeahnte Dimensionen angenommen haben. Eine Million sind Peanuts, eine Milliarde hebt keine Augenbraue mehr, eine Billion Euro für den Rettungsschirm wird so lässig genannt, als sei sie eben nur eine Milliarde. Das Geld-Fernsehen muss darauf reagieren, wenn der Kitzel erhalten bleiben oder erhöht werden soll.
Griechenland ist abgebrannt. Die Deutschen üben das noch. Sie spielen Monopoly-TV um immer höhere Beträge. Und sie empören sich gleichzeitig über Rettungsschirme. Joachim Huber
„The Winner is...“, Mittwoch, Sat 1, um 20 Uhr 15; „Opdenhövels Countdown“, Donnerstag, ARD, 20 Uhr 15
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