Neue Serie: Vergesst "Downton Abbey"! Schaut "Parade's End"!
Achtung, Brit-Fans: Die neue Arte-Serie „Parade’s End“ zeigt, was ein wahrer Gentleman ist, selbst wenn er zwischen zwei Frauen steht. Und Benedict Cumberbatch triumphiert.
So ein Vergleich kann doch gemein sein. Wer vor Zuschauerglück über die britische Serie „Downton Abbey“ Herzrasen bekommt, der kennt „Parade’s End“ noch nicht. Das ist eine BBC-Serie, deren sechs Teile Arte in zwei Tranchen am 7. und am 14. Juni zeigen wird. „Abbey“ wird vom kommerziellen BBC-Konkurrenten ITV produziert, und so gelungen die Kostüm-Küchen-Konflikt-Dramaserie auf ihre Maggie-Smith-Art auch ist, „Parade’s End“ hat mehr Tiefe, mehr Hintergrund, mehr Hirn.
„Parade’s End“ folgt der Roman-Tetralogie von Ford Madox Ford (1873 - 1939), einem der wichtigsten britischen Schriftsteller der Moderne. Die zwischen 1924 und 1928 erschienenen Einzeltitel reflektieren die Jahre zwischen 1908 und 1918. Kein Geringerer als der Dramatiker und Drehbuchautor Tom Stoppard – „Shakespeare in Love“, „Anna Karenina“ – hat die literarische Vorlage fürs Fernsehen „übersetzt“. Stoppard konzentriert das Geschehen auf drei Personen: Christopher Tietjens (Benedict Cumberbatch), seine Frau Sylvia (Rebecca Hall) und Valentine Wannop (Adelaide Clemens).
Der deutsche Serientitel „Der letzte Gentleman“ personalisiert, was das Original „Parade’s End“ souffliert: Christopher Tietjens, Sohn einer nordenglischen Großgrundbesitzerfamilie und führender Analytiker im Ministerium für Statistik, findet sich wieder im Beziehungsdreieck zwischen seiner leichtlebigen, luxusfixierten und manipulativ sinnlichen Frau Sylvia und der mehr naiven, zugleich leidenschaftlichen Suffragette Valentine. Liebe, unerfüllte Liebe, Liebeleien, das ist das Zentrum, für das das tiefgehende Porträt des Krieges den Rahmen bildet.
Tietjens sieht den Krieg kommen, der die Adelswelt, ihre Konventionen und Kabalen zertrümmern wird, und er reagiert darauf, wie er auf die schwankende Ehe mit Sylvia, die ihm möglicherweise ein Kind untergeschoben hat, ihn betrügt und verspottet, reagiert – mit Parade, mit Haltung. Seine Frau wird er nicht verlassen – „Ich stehe für Monogamie und Sinnlichkeit. Und dafür, nicht davon zu sprechen“ –, seine tiefe Zuneigung zur Frauenrechtlerin Valentine wird ihn nicht zur Hingabe führen. Selbst wenn seine beschränkte Umwelt die Beziehung als Affäre deutet und ihn wegen der so wenig standesgemäßen Relation auszuschließen beginnt, bleibt er sich treu: Ein Gentleman hat Stil, Selbstbeherrschung zu zeigen, wenn er erregt ist, dann zittert vielleicht das Kinn oder die Teetasse. Die Redigatur der „Enzyklopädia Britannica“ bereitet ihm Vergnügen. Als Mann übersieht er die Eskapaden seiner Frau, die das überkommene Zeitalter verkörpert und die paradoxerweise auf die Liebe oder wenigstens die Beachtung dieses „hunky man“ aus ist, als Mann lässt er sich von Valentine, Repräsentantin der neuen Zeit, faszinieren. Freizügig, freigeistig, Freiheit ist eine Qual der Wahl.
Dieses Dazwischen-Bewusstsein, dieses Schwanken, wohin er gehört, lässt Tietjens zum Kriegsdienst melden, wohl eine Flucht vor sich selbst, vor Glitter und Gespenstern, doch selbst durch das grausame Geschehen in Frankreich wandelt er scheinbar unberührt. Sterben ist – wie das Leben selbst – eine Frage der Haltung. Die Oberfläche darf sich nicht kräuseln.
Benedict Cumberbatch spielt diese faszinierende Persönlichkeit, und wie er sie spielt, das lässt kaum glauben, dass der Schauspieler den genialen, manischen Titelhelden der Fernsehserie „Sherlock“ verkörpert hat oder den Bösewicht Khan in „Star Trek Into Darkness“, Protagonisten der outrierten (Action-)Art. Als Tietjens sublimiert Cumberbatch inneren wie äußeren Tumult, eine schmerzhafte, berührende Kontraktion von emotionaler Steifheit und tiefer, lähmender Verletzlichkeit. Wie entgegengesetzt ist da die Sylvia der Rebecca Hall: „Eine Frau zum Niederknien“, wie ihre Bewunderer und Verehrer sagen, von vibrierender Sinnlichkeit, die Tand und Treiben durchschaut und sich doch zu gerne davon forttreiben lässt. Hall bringt wie Cumberbatch das Doppelgesichtige ihrer Figur zum Leuchten. Adelaide Clemens als Jung-Suffragette ist da mehr Trägerin einer zukunftszugewandten Überzeugung mit einem Schlag hin zu kindlichem Augenaufriss.
Autor Tom Stoppard legt das Gewicht erkennbar auf diese Personnage, er zeichnet fein und er versieht die Figuren mit ausgezirkelten Dialogen und gerne mit Aperçus, so, wenn Sylvia einen glühenden Liebhaber-Buben als spannend wie „ein gelesenes Buch“ vor die Türe schickt. Die Regie hat Susanne White, die mit dem großen Sittengemälde so wenig Mühe hat wie mit der Miniatur eines Intérieurs. Meisterhaftes Fernsehen.
„Parade’s End – Der letzte Gentleman“, Arte, Freitag, 20 Uhr 15; Fortsetzung und Schluss am 14. Juni.
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