Die Kanzlerin und das Internet: „Verbal wird schärfer zugehauen“
"Ich hätte nicht vorausgesehen, dass die Bundesregierung auf Instagram vertreten ist." Regierungssprecher Steffen Seibert über Angela Merkels Instagram-Seite, Selfies und scharfe Töne im Netz.
Herr Seibert, wissen Sie, was ein „Belfie“ ist?
Nein.
Ein Selfie vom Allerwertesten – und derzeit der neue Trend auf der Fotoplattform Instagram, auf der auch Angela Merkel seit drei Wochen vertreten ist. Vermutlich nicht, um „Belfies“ zu machen?
Wir wollen auf Instagram bildliche Einblicke in den Arbeitsalltag der Bundeskanzlerin geben.
Werden dazu Selfies mit der Queen gehören oder Fotos von Merkels berühmter Kartoffelsuppe?
Selfies von der Bundeskanzlerin gibt es auch weiterhin keine, Selfies mit ihr werden schon genug gemacht. Und noch einmal: Es geht um die Arbeit der Bundeskanzlerin, das Private bleibt privat.
Aber Instagram ist doch gerade dafür gedacht, Momente aus dem Leben zu teilen. Warum haben Sie sich dann entschlossen, für Merkel ein Profil unter @bundeskanzlerin anzulegen?
Weil es die Aufgabe des Bundespresseamtes ist, über die Politik der Bundesregierung zu informieren, und zwar auf allen Kanälen und Verbreitungswegen, auf denen die Bürger kommunizieren und nach Informationen suchen. Insofern ist der Instagram-Auftritt als ein Zusatzangebot zu sehen. Er ergänzt unsere klassischen Druckbroschüren, unsere Internetseiten und unsere Angebote bei Twitter und auf Facebook. Jeder Kanal hat seine eigenen Stärken und Schwerpunkte, auf bundesregierung.de oder bundeskanzlerin.de sowie auf Facebook können wir tiefer in die Inhalte gehen, Instagram ist ein Bildmedium. Aber auch das wünschen sich viele Menschen, wie der Erfolg der ersten drei Wochen mit mehr als 45 000 Followern zeigt.
Auch als Beweis dafür, dass das Internet für Merkel doch kein Neuland ist?
Die Bundeskanzlerin hat mit diesem Ausdruck darauf hingewiesen, dass uns das Internet und die Digitalisierung vor eine Vielzahl neuer, auch rechtlich zuvor nicht gekannter Fragen stellen. Alle derzeitigen Debatten rund um den Datenschutz beweisen, wie recht sie damit hat. Die Bundeskanzlerin bleibt, was die neuen digitalen Entwicklungen angeht, sehr am Ball.
Gezeigt wird auf Merkels Instagram-Seite bisher aber vor allem nur die vermeintlich schöne Seite der Politikarbeit wie eine entspannte Kanzlerin beim Weißwurstfrühstück mit US-Präsident Barack Obama. Der harte Politikalltag mit nächtelangen Sitzungen und zehrenden Verhandlungen wird ausgespart.
Die Bilder werden von den offiziellen Fotografen der Bundesregierung gemacht, die sehr wohl auch Szenen aus dem Arbeitsalltag darstellen. Aber es gibt immer auch einen Bereich der Vertraulichkeit, der hochkonzentrierten Gespräche, in dem eben nicht fotografiert wird.
Auf große Begeisterung stößt Merkels Instagram-Seite auch bei russischsprachigen Trollen, die das Profil mit beleidigenden und hetzerischen Kommentaren fluten. Haben Sie mit diesem aggressiven Angriff gerechnet?
Man muss heutzutage bei allen Aktivitäten im Netz mit Trollen rechnen. Nicht wenige scheinen gut organisiert zu sein und professionell auszuschwärmen. Sie dürfen uns aber nicht den Blick verstellen auf die überwiegende Mehrzahl der Menschen, die unsere Auftritte in den sozialen Medien nutzen wollen, um Informationen zu bekommen oder in eine inhaltliche Diskussion einzusteigen.
Das Social-Media-Team der Bundesregierung wirkt allerdings überfordert mit den Trollen – nicht nur auf Instagram. Unter dem Ramadan-Gruß der Bundesregierung auf Facebook standen vergangene Woche auch viele Stunden nach dem Eintrag noch Kommentare wie „Islam tötet. Islam hasst uns. Islam gehört nicht zu Deutschland“.
Der Ramadan-Gruß hat innerhalb kurzer Zeit mehr als 3,5 Millionen Menschen erreicht, so viele wie noch kein Eintrag auf unserer Facebook-Seite zuvor. Nur unter diesem einen Eintrag – und das ist ja nicht der einzige Post auf unserer Seite – gab es mehr als 19 000 Kommentare. Bei einem so hohen Aufkommen an Kommentaren verwundert es doch nicht, wenn nicht jeder Post, der gegen die Regeln der Netiquette verstößt, sofort gelöscht werden kann. Die überwiegende Zahl der Kommentare ist übrigens sehr positiv. Viele Muslime haben uns geschrieben, wie sehr sie sich über dieses Zeichen des Respekts vor ihrer Religion gefreut haben. Leider gibt es aber eben auch Menschen, die unsachlich, grob polemisch oder noch härter auf solche Posts reagieren. Solche Beiträge werden gelöscht, gegebenenfalls gehen wir auch strafrechtlich dagegen vor.
Wie oft haben Sie schon Beiträge auf eine mögliche strafrechtliche Verfolgung überprüfen lassen?
Unser Social-Media-Team hat in rund zehn Fällen Beiträge an die Polizei weitergeleitet, beispielsweise, als in einem Kommentar der Holocaust geleugnet wurde.
Können Sie feststellen, dass sich der Ton in den sozialen Netzwerken zunehmend verschärft?
Jedenfalls stelle ich fest – aber das wissen wir seit Jahren –, dass im Schutz der Anonymität des Internets verbal weit schärfer zugehauen wird, als wenn man sich gegenüberstünde. Das ist ein Phänomen des Netzes insgesamt, und davon sind leider auch unsere Kanäle nicht frei.
120 000 Euro hat die Bundesregierung bisher ausgegeben, um sich bei ihrem Social-Media-Konzept beraten zu lassen. Wie hoch sind die laufenden Kosten für die verschiedenen Social-Media-Auftritte insgesamt?
Die Arbeit an einem Gesamtkonzept für die Kommunikation der Bundesregierung in den sozialen Medien dauert noch an. Damit wir das im Sinne der Bürger auch gut machen – und mein Eindruck ist, dass uns das bisher gelingt –, bedarf es eines längeren Entwicklungs- und Beratungsprozesses. Die von ihnen genannten Kosten sind geschätzte Kosten für einen Teilbereich davon.
Planen Sie, das Social-Media-Team im Bundespresseamt weiter auszubauen und womöglich weitere Social-Media-Kanäle zu bespielen?
Ich hätte vor einigen Jahren nicht vorausgesehen, dass die Bundesregierung auf Instagram vertreten ist. Im digitalen Bereich schießen neue Entwicklungen sehr schnell hoch, wir werden immer wieder beobachten müssen, ob es Neues gibt, das auch für uns wichtig und sinnvoll werden könnte. Im Moment sind wir gut positioniert.
Steffen Seibert ist Regierungssprecher und als Chef des Bundespresseamtes auch für die Social-Media-Aktivitäten der Bundesregierung verantwortlich. Auf Twitter ist er selbst unter @RegSprecher zu erreichen.