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Aserbaidschan will sich zum ESC von der schönsten Seite präsentieren. Auf Kritik reagiert die Regierung Alijew mit harschen Vorwürfen.
© dpa

Menschenrechte: Türöffner Song Contest

Was ist los in Aserbeidschan? Diskussion über die Pressefreiheit in dem Land, in dem am 26. Mai der weltweit größte Live-Sanges-Wettstreit stattfindet.

„Standing still“ heißt das Lied, das Roman Lob am 26. Mai beim Eurovision Song Song Contest (ESC) in Baku für Deutschland vortragen wird. Wenn in diesen Tagen in Deutschland vom ESC berichtet wird, geht es jedoch weniger um Lob und den Wettbewerb, sondern zumeist um Menschenrechte und Pressefreiheit in Aserbaidschan. Und um den Vorwurf der Regierung von Präsident Ilham Alijev, Deutschland betreibe eine Medienkampagne gegen das Kaukasus-Land.

Für die ARD und deren Unterhaltungschef Thomas Schreiber ist der Song Contest in erster Linie die größte Live-Musiksendung weltweit, an der mehr Länder teilnehmen als an der Fußball-Europameisterschaft und die sogar in weit entfernten Ländern wie Australien und Neuseeland verfolgt wird, wie Schreiber am Freitag auf einer Diskussionsveranstaltung der Deutschen Welle Akademie in Berlin sagte. Jedes Gewinnerland habe nicht nur das Recht sondern die Pflicht, den nächsten Song Contest auszutragen. Die Frage sei darum, ob tatsächlich alle 55 Mitgliedsländer der Europäischen Rundfunkunion (EBU) am ESC teilnehmen müssten. „Was passiert denn, wenn ein Land wie Weißrussland, in dem die Todesstrafe angewendet wird, den Song Contest gewinnt?“ fragte Schreiber. Der Song Contest sei aber nicht nur Showbühne sondern auch ein Türöffner, um über das Land zu berichten: „Aserbaidschan ist ein Land mit einer sehr reichen Geschichte. Ich wünsche mir, dass die Palette an Geschichten über dieses Land noch erweitert wird.“

Silvia Stöber, freie Journalistin für tagesschau.de und „Neue Zürcher Zeitung“, räumte ein, dass die Zwangsumsiedlungen nicht erst mit dem Song Contest begonnen hätten. Zudem sei die Situation der Homosexuellen oder von religiösen Gruppen wie Christen und Juden in Aserbaidschan sogar etwas besser als im Nachbarland Georgien, so lange diese Gruppen nicht politisch aktiv würden. Ein positiveres Bild von Aserbaidschan zu vermitteln, sei nicht so leicht. Beschäftigt man sich mit den Fortschritten beim Tourismus, treffe man unweigerlich auf negative Seiten wie die weit verbreitete Korruption.

Für Emin Huseynov vom Institute for Reporters Freedom and Safety in Baku zeigt Aserbaidschans Kritik an der Berichterstattung der deutschen Medien, dass die Regierung von Präsident Alijev eben nicht tolerant sei, wenn es um den Meinungsaustausch ginge. Von echter Pressefreiheit sei Aserbaidschan weit entfernt. Außer einigen unabhängigen Online-Medien befänden sich alle Massenmedien unter staatlicher Kontrolle. Der Bürgerrechtler betonte, seine Organisation habe nie zum Boykott des Song Contests aufgerufen, sondern dazu eingeladen, über die Situation in seinem Land zu berichten.

Über Skype war Alexandra von Nahmen, Leiterin des DW-Studios in Moskau, zugeschaltet. Viele Menschen, mit denen sie derzeit in Baku spreche, freuten sich auf den ESC und seien stolz auf das Land, seine Kultur und Geschichte und wie sich Aserbaidschan in den 20 Jahren der Unabhängigkeit entwickelt habe. Auf der anderen Seite mache sich zunehmend Sekpsis und Misstrauen bemerkbar, wenn sie als deutsche Medienvertreterin Frage stelle. Interviewanfragen an Regierungsvertreter blieben bislang unbeantwortet. Roman Lob hingegen dürfte sich über jedes Interview freuen. Kurt Sagatz

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