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Freiheit ins Netz! Demonstranten in Hongkong protestieren gegen die Blockade der Online-Plattformen.
© dpa

Große Firewall: Totschweigen ist Gold

Chinas kommunistische Partei preist das Internet – und zensiert das Netz während des Parteitages.

Am vergangenen Freitag sang die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua das hohe Lied auf das Internet. Unter dem Titel „Parteikongress reagiert positiv auf das Internetzeitalter“ lobte die Agentur, wie das neue Medium in den Parteitag der Kommunistischen Partei einbezogen worden sei. „Während des Kongresses können die Delegierten der Partei und die gewöhnlichen Menschen wichtige Themen im Internet diskutieren“, schreibt die Agentur. Chinesische Internetnutzer würden wohl ergänzen: Wenn das Internet gerade nicht zensiert wird. Das chinesische Internet hat während des Parteitages die wohl massivsten Einschränkungen seiner Geschichte erlebt. Besonders drastisch verlief die staatliche Kontrolle am Freitagabend, als die Internetsuchmaschine Google und ihre Dienste für einen halben Tag nicht aus China zu erreichen waren. Auch in den vergangenen Tagen war die in Hongkong beheimatete chinesische Google-Seite zumindest aus Peking nicht zu erreichen. „Auf unserer Seite gibt es keine Probleme“, berichtete ein Google-Sprecher. Aber auf der anderen. Erstmals funktionierten vor und während des Parteitages auch zahlreiche VPN-Tunneldienste nur noch sporadisch. Diese werden von vielen Nutzern in China zur Umgehung der „Großen Firewall“ verwendet. Auch Firmen, die ihren Datenverkehr sicher verwalten wollen, nutzen sie. Viele Subdomains von Google in China „sind alle gegenwärtig DNS-vergiftet“, schrieb die Webseite greatfire.org. Auch zahlreiche Begriffe rund um den 18. Parteitag im chinesischen Kurznachrichtendienst Sina Weibo waren blockiert. Nicht nur der Begriff „18. Parteitag“ (shibada) ergibt keine Treffer. Mit ähnlich klingenden Begriffen oder Konstruktionen wie „17+1 Parteitag“ versuchen chinesische Nutzer die Zensur zu umgehen. Das Kontrollpersonal ist im Vorfeld des Parteitages noch einmal massiv aufgestockt worden. Diskussionen über diesen sollten verhindert werden.

„Das waren die drakonischsten Tage der Internet-Restriktionen, die ich bisher erlebt habe“, schreibt der in Peking lebende China-Experte Bill Bishop in dem Blog „Dealbook“ der „New York Times“. Er glaubt, dass die Angst vor weiteren Enthüllungsgeschichten ausländischer Medien hinter der Zensur stecken könnte. Zuletzt hatte die „New York Times“ berichtet, dass die Familie des Premierministers Wen Jiabao über 2,7 Milliarden Dollar in Vermögenswerten verfügt. Kürzlich haben Experten das Ende der chinesischen Internetkontrolle prophezeit. „Wir sind der klaren Auffassung, dass man mit dieser Art von Zensur keine moderne und fortschrittliche Wirtschaft ausbilden kann“, sagte Google-Chef Eric Schmidt. Die Fakten aber sprechen gegen ihn. Mehr als 500 Millionen Internetnutzer beweisen, wie stark das Internet in China trotz Zensur genutzt wird. Vor allem freilich zum Spielen und Einkaufen.

Trotz Zensur besitzen Chinas Internetnutzer Einfluss, wie am Montag in einer Pressekonferenz am Rande des Parteitages deutlich wurde. „Es dürfen keine größeren Projekte mehr ohne eine Bewertung des sozialen Risikos begonnen werden“, sagte Umweltminister Zhou Shengixan, „dadurch versuchen wir die Zahl der Demonstrationen in Zukunft zu reduzieren.“ Diese neue „Risikobewertung“ von Großprojekten dürfte dem Internet zu verdanken sein. Viele Informationen über umweltschädliche Fabriken wurden über Kurznachrichtendienste wie Sina Weibo verbreitet und Demonstrationen dagegen organisiert. Diskussionen über Massenversammlungen schießen bei Sina Weibo immer wieder auf Nummer eins der am meisten gesuchten Themen. Die Medienexpertin Rebecca MacKinnon beschreibt das chinesische Internet als ein großes Vogelhaus. Der Käfig sei in den letzten Jahren größer geworden, sagt sie, gleichzeitig seien die Gitterstäbe enger geworden. Benedikt Voigt

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