"Mister Sportschau": Tor des Jahrhunderts: Ernst Huberty wird 90
Ohne ihn wüssten Sport-Moderatoren nicht, was Pausen sind: Ernst Huberty wird 90. Ein Relikt der alten Bundesrepublik, TV-Coach und „Mister Sportschau“.
Vielleicht charakterisiert eine Geschichte Ernst Huberty am besten. Mitte der 1990er coachte „Mister Sportschau“, der 1991 nach 34 Jahren beim WDR zum Privatfernsehen gegangen war, Sport-Moderatoren von Sat1. Oliver Welke und Monica Lierhaus warteten in Berlin auf Ernst Huberty. Der kam ein paar Minuten zu spät zum Termin, entschuldigte sich gleich und erklärte, er würde wohl ein bisschen nach Rauch riechen. Ihm und seiner Frau sei am Abend zuvor das Haus abgebrannt.
Zuverlässig, professionell, ehrliches Interesse an seinem Gegenüber, ein bisschen Schalk im Nacken – wenn Ernst Huberty am Mittwoch 90 Jahre alt wird, gibt es kaum einen der aktuellen Sport-Moderatoren auf dem Bildschirm, der Huberty nichts zu wünschen hatte. Bommes, Kerner, Welke, Lierhaus, Beckmann; minimum 50 Prozent davon hätte er betreut, sagt Huberty selbst, nicht ganz uneitel, im Interview mit seinem Nachfolger bei der „Sportschau“, mit Steffen Simon. Das Gespräch ist Schwerpunkt einer Doku, die der WDR einem seiner bekanntesten Mitarbeiter zum Geburtstag spendiert hat (zu sehen in der WDR-Mediathek).
Keine Frage, Ernst Huberty ist Fernsehgeschichte, Erfinder des „Tor des Monats“. Wer in den 1960er, 1970er Jahren in der Bundesrepublik fernsehmäßig sozialisiert wurde und an Fußball interessiert war, kam an diesem Namen nicht vorbei, verbunden mit Live-Kommentaren und Sternstunden der Fußballs: der „Münzwurf von Rotterdam“ 1965, der den 1. FC Köln im Europapokal-Viertelfinale gegen Liverpool verlieren ließ, Dortmunds erstem Europapokalsieg ein Jahr später oder das legendäre WM-Halbfinale 1970 in Mexiko. Deutschland gegen Italien, der 1:1-Ausgleich in der 90. Minute von Karl-Heinz Schnellinger, der sein Geld in Italien verdiente.
„Ausgerechnet Schnellinger“, wie Huberty dazu live trocken kommentierte, wo heutzutage laute Jubelrufe über den Bildschirm gehen würden. „Ausgerechnet Schnellinger“ – das wirkte bei Huberty fast schon desinteressiert, wundert sich Gratulant Oliver Welke im Rückblick. Moderne Sport-Reporter denken fast bei jeder Formulierung an einen Grimme-Preis.
Mit Motorrad-Kurieren ins „Sportschau“-Studio
Ruhig und zurückgenommen der Kommentarstil, selbst in hoch emotionalen Momenten die Sprache immer wohlgesetzt, Lücken lassend, Pausen, analysiert Huberty-Schützling Reinhold Beckmann – das war dem Mann wohl in die Wiege gelegt. Geboren 1927 in Trier, als Kind bei jedem Fußballspiel dabei, Flakhelfer im Zweiten Weltkrieg, Studium der Germanistik und Theaterwissenschaften, von Werner Höfer fürs Fernsehen entdeckt, 1961 erste „Sportschau“-Moderation. Dank der Bundesliga-Gründung 1963 kam Huberty fortan Samstag für Samstag zu 15 Millionen Zuschauern ins deutsche Wohnzimmer, stets mit sauber gekämmtem silbernen Klappscheitel.
In einer Zeit, als Filmmaterial aus den Stadien mit Motorrad-Kurieren ins „Sportschau“-Studio nach Köln gebracht wurde. Wo dann auch nur zwei, drei Partien vom Spieltag gezeigt wurden. Man kann Oliver Welke schon ernst nehmen, der sagt, das habe er damals dem „Sportschau“-Moderator persönlich übel genommen, wenn seine Lieblingsmannschaft in der Samstags-„Sportschau“ wieder mal nicht dabei war.
Wie sich die Zeiten ändern. Mittlerweile zahlen ARD, Sky & Co. Millionen dafür, dass sie alle Spiele, alle Tore zeigen dürfen, oder sie verlieren die Olympia-Rechte an Eurosport. Immer aufgeregtere Zeiten, für die Ernst Huberty, tatsächlich ein Relikt der unaufgeregten Korrektheit der alten Bundesrepublik, mit seinen 90 Jahren jetzt auch keinen Rat hat.
Nach einer Karriere, die eine Spesenaffäre Anfang der 1980er beim WDR imagemäßig unbeschadet überstand, trotz Absetzung als Sportchef. Aus der Degradierung in die Dritten Programme hat Huberty mit „Aktueller Stunde“ und dem Moderatoren-Coaching das Beste gemacht. Bis zum 87. Lebensjahr bildete Huberty Moderatoren aus.
Wie es ihm heute geht? Er halte sich fit, gehe dreimal die Woche ins Fitnessstudio, er schwimme, sagt Huberty. Nein, Angst vor dem Tod habe er eigentlich nicht, darüber habe er sich tatsächlich noch keine Gedanken gemach. Er habe wohl auch gute Gene. Seinen Geburtstag am Mittwoch will er im kleinen Kreis mit seiner Frau feiern. Womöglich verabschiedet er sich dann von seinen Gästen so wie damals immer bei der „Sportschau“ am Samstag: „Das war’s. Auf Wiedersehen, Guten Abend.“
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