Mord in der Manege: „Tatort“ im Zirkusmilieu
Der 900. "Tatort" ist konventionell geraten. Ulrike Folkerts als Kommissarin Odenthal fahndet wieder gewissenhaft und beharrlich
Es ist nicht das ganz große Jubiläum, aber dennoch ein bemerkenswertes. Der „Tatort“ an diesem Sonntag aus Ludwigshafen ist die 900. Folge der erfolgreichen Krimireihe, die seit 1970 in der ARD läuft. Anders gesagt: Werden wie derzeit jährlich 33 „Tatort“-Premieren ausgestrahlt, kann die ARD im Februar 2017 mit der 1000. Folge ein richtig großes Fest feiern.
Das aktuelle Jubiläum trifft die Richtige. Kommissarin Lena Odenthal ist die dienstälteste „Tatort“-Ermittlerin. Seit 25 Jahren verkörpert Ulrike Folkerts die Rolle der engagierten Polizistin. Für ihre Jubiläumsfolge im Oktober hat SWR-Intendant Peter Boudgoust einen besonderen „Tatort“ aus Ludwigshafen angekündigt. In einem Online-Spiel sollen die Nutzer selbst ermitteln können.
Der Ludwigshafen-Krimi „Zirkuskind“ an diesem Sonntag ist hingegen ein konventioneller „Tatort“. Ein kleiner Familienzirkus gastiert in der Stadt. Kommissarin Odenthal hat sich von ihrem Kollegen und Mitbewohner Mario Kopper (Andreas Hoppe) zum Besuch einer Vorstellung überreden lassen. Für Kopper sind die Zirkusleute die letzten Nomaden unserer Zeit, und Odenthal stimmt ihm zumindest insofern zu, als dass ihr Leben freier ist als das der meisten anderen Menschen – allerdings auch gefährdeter, und das nicht nur während der Vorstellung.
Der Feuerschlucker Pit Sonner (Mark Filatov) wird am Morgen nach seinem Auftritt tot in der Manege aufgefunden. Die Ermittlungen gestalten sich schwierig. Der Bruder (Hanno Koffler) des Ermordeten – er gibt sofort zu, dass er wegen eines Autounfalls mit Todesfolge im Knast gesessen hat – weiß offenkundig mehr, als er sagen will. Die Chefin des Zirkus, „Die Patriarchin“ (Steffi Kühnert) genannt, macht sich vor allem Sorgen um die Zukunft ihres Zirkus und um die ihrer in sich gekehrten Tochter Felicitas (Liv Lisa Fries). Eine Spur haben Odenthal und Kopper allerdings. Kurz vor dem Mord haben sich die Brüder in einer Kneipe mit einem Mann gestritten, der aus seiner Abneigung gegenüber Zirkusleuten keinen Hehl macht. Und dann gibt es da noch die zahlreichen Anrufe aus Tunesien auf Pit Sonners Telefon.
Wo andere „Tatort“-Ermittler sich entweder auf ihre Intuition oder auf Kommissar Zufall verlassen, ist Lena Odenthal eine gewissenhafte Beamtin. Wenn sie ein Verbrechen aufklären muss, gibt es keinen Feierabend. Nachdem sie spätabends den Aktendeckel zugeklappt hat, fährt sie beim Familienzirkus vorbei. Zeugenaussagen überprüft sie mehrfach. Beharrlichkeit ist ihre Königsdisziplin.
Während dieser „Tatort“ den Polizeialltag erheblich realistischer darstellen dürfte als viele andere TV-Krimis, erliegt der von Till Endemann in Szene gesetzte Film (Buch: Harald Göckeritz) am Ende jedoch der Gefahr, das Wanderleben der Zirkus-Nomaden zu verklären. Es wird zwar zu jeder Gelegenheit über die Probleme geredet, die der Betrieb eines Zirkus in der heutigen Zeit mit sich bringt. Doch Kommissar Kopper ist offensichtlich mit seiner kindlichen Begeisterung für Clowns und Akrobaten nicht allein. Kurt Sagatz
„Tatort: Zirkuskind“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15