Medien: „Steinbrück ist meine letzte Hoffnung“
Moderator Helmut Pfleger über den missachteten Fernsehsport Schach, „Deep Fritz“ und Stefan Raab
Herr Pfleger, Ihre Sendung „Schach der Großmeister“, die jahrelang im WDR gelaufen ist, wurde vor einem Jahr eingestellt. Früher, in den 70ern und 80ern, gab es jährlich 30, 40 Schachsendungen im Fernsehen.
Das stimmt, und vom spektakulären Kampf „Mensch gegen Maschine“ neulich, Wladimir Kramnik gegen den Schachcomputer „Deep Fritz“, keine einzige. Abgesehen von ein paar Minuten in „Tagesthemen“ und Magazinen fand das Match nur im Internet statt. Genauso wie der spannende WM-Kampf zwischen Wladimir Kramnik und Wesselin Topalow im Oktober.
Schach ist eines populärsten Brettspiele der Welt, auch wettkampfmäßig. Warum nicht im Fernsehen?
Das hat verschiedene Gründe. Beim WDR war es so, dass der verantwortliche Redakteur Claus Spahn in Rente gegangen ist. Der hat sich immer dafür eingesetzt. Jetzt fehlt jemand beim WDR, der sich dafür interessiert, der sich das Thema Schach zu eigen macht.
Mit Ihrer Person hat man 30 Jahre lang Schach im Fernsehen identifiziert. Sind Sie traurig?
Mein Gott, ja. Ich kann und konnte das Aus der Schachsendungen nicht glauben. Immerhin, es gab schon wieder Gespräche mit dem verantwortlichen WDR-Kulturredakteur. Der ist letztendlich aber auch kein Schachspieler. Er sagt, die Einschaltquoten seien zum Schluss so schlecht gewesen.
Diese Schachsendungen liefen oft nach Mitternacht.
Genau, aber wenn es da nur 50.000 Zuschauer hatte, waren das immer noch mehr als bei vergleichbaren Sendungen zu der Zeit. Auch wenn man berücksichtigt, dass es früher kein Privatfernsehen gab – in den 80er Jahren hatten wir um 22 Uhr 30 über eine Million Zuschauer. Und im ZDF-„Sportstudio“ saßen Spitzenspieler wie Kasparow, Kramnik und Anand.
Ist das Internet nicht das passendere Medium für Schach?
Nur wenn man eine Livepartie verfolgt, mit Audiokommentar, wie wir es beim Kampf „Mensch gegen Maschine“ auf spiegel.de gemacht haben. Durchdringen, begreifen, Schach anschaulich machen, mit Analysen, Anekdoten – all das geht besser in Fernsehsendungen.
Der ehemalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und jetzige Finanzminister Steinbrück ist begeisterter Schachspieler. Der könnte ein kräftiges Wort beim WDR einlegen.
Das tut er ja auch. Er hat beim verantwortlichen Redakteur angerufen, bislang ohne Ergebnis. Steinbrück ist meine letzte Hoffnung, was das Thema Schach im Fernsehen betrifft.
Vielleicht müsste der Deutsche Schachbund TV-Sendern Geld für Sendezeiten bezahlen. Bei Pokern oder Eisstockschießen und Privatsendern soll das schon passiert sein.
Dazu kann ich Ihnen wirklich nichts sagen. Der Deutsche Schachbund hat selber kein Geld. Ein Sponsor müsste sich finden.
Oder ein Typ wie Stefan Raab. Der hat Dienstagabend bei „TV Total“ vor einem Millionenpublikum gegen den Schachcomputer „Deep Fritz“ gespielt.
Das kann auch helfen. Da schauen Amateure, Laien, junge Leute zu, die sich plötzlich mehr für Schach interessieren als vielleicht für Videospiele. Anders als im Internet, wo eh’ oft nur die Spezialisten unterwegs sind.
Das Gespräch führte Markus Ehrenberg.
„Wladimir Kramnik vs. Deep Fritz“, WDR-Fernsehen, 0 Uhr
Helmut Pfleger, 63, ist seit 30 Jahren
Moderator von Schach-Sendungen
im Fernsehen. Einst Nummer 40 der Welt, lebt und arbeitet er heute als Psychotherapeut in München.
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