Internetsteuer in Ungarn: Staatliche Abgabe fürs Surfen
Die ungarische Regierung plant eine Internetsteuer - User sollen für die Benutzung des WWW eine Abgabe bezahlen. Ein Modell für andere Staaten?
Finanzminister können bekanntlich sehr kreative Menschen sein, vor allem wenn es darum geht, neue Geldquellen für ihren Haushalt zu entdecken. Der ungarische Minister für die Nationale Wirtschaft, Mihály Varga, der auch für die Festlegung der Steuern und für den Haushalt zuständig ist, hat dem Parlament in Budapest eine Reform des Telekommunikationsgesetztes vorgelegt. Der Paragraph, der eine Einführung einer Internetsteuer vorsieht, löste in Ungarn sofort eine breite Diskussion aus: Kann man das Internet besteuern?
Laut Entwurf, der schon nächstes Jahr in Kraft treten soll, kostet jedes angebrochene Gigabyte 150 Forint an steuerlichen Abgaben. Das sind umgerechnet rund 50 Eurocents. Zum Vergleich: Ein gestreamter Film über das Internet verbraucht rund zwei Gigabyte an Datenvolumen. Privatpersonen sollen laut Entwurf aber maximal 700 Forint, also rund 2,30 Euro im Monat an den Staat bezahlen. Die Abgabe soll automatisch, neben der Mehrwertsteuer, auf der Internetrechnung auftauchen.
Besteuert werden in erster Linie die Internet-Provider. Allerdings ist klar, dass diese die Abgabe an die Verbraucher weiterreichen werden, falls dies gesetzlich nicht untersagt wird. Als die regierende Fidesz-Partei noch in der Opposition war, protestierte sie gegen eine solche Maßnahme. Nun ist die Internetsteuer Teil der restriktiven Medienpolitik von Fidesz.
Internetsteuer bei einem Durchschnitteinkommen von unter 400 Euro im Monat
Der Minister argumentierte am Dienstag auf einer Pressekonferenz, dass auf Telefonate und SMS ebenfalls Steuern erhoben werden. Da die Menschen nun mehr über das Internet kommunizieren würden, sei es auch angemessen, die Steuern für Telekommunikation auf das Web zu erweitern. Laut Finanzstaatssekretär Péter Banai soll die Steuer dem Fiskus rund 20 Milliarden Forint, umgerechnet rund 65 Millionen Euro einbringen.
In Budapest regt sich allerdings Widerstand gegen die Pläne der Regierung. Für Sonntag ist eine Demonstration geplant. Auf Facebook haben rund 10.000 Menschen ihre Teilnahme angekündigt. Falls es tatsächlich dazu kommt, könnte das eine der größten Demonstrationen in diesem Jahr in Ungarn werden. Die Internetaktivisten befürchten eine weitere große Barriere für eine flächendeckende Versorgung mit dem Internet. Außerdem kritisieren sie bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von unter 400 Euro die Einführung weiterer Steuern.
Da die regierende Fidesz-Partei im Parlament über eine Zweidrittelmehrheit verfügt, ist es nicht abwegig, dass der Vorschlag die Legislative problemlos passieren wird. In anderen europäischen Ländern, in denen einzelne Parteien nicht mit so viel Macht ausgestattet sind, scheint die Einführung einer entsprechenden Steuer daher eher unwahrscheinlich. Doch Finanzminister sind bekanntlich ja kreative Menschen.