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Hans Sigl, 44.
© dpa

Interview mit Hans Sigl: „Sollen wir uns Mountainmedic nennen?“

„Bergdoktor“ Hans Sigl über Heimatfilm-Klischees, den Erfolg der ZDF-Serie, Arbeitsbedingungen beim Fernsehen und irre Kollegen.

Bis auf die Kulisse hat der ZDF-„Bergdoktor“, der ab Donnerstag mit seiner neuen Staffel erstmals in Spielfilmlänge von 90 Minuten auf Sendung geht, fast nichts mehr mit dem gleichnamigen Format gemein, das dem Privatsender Sat 1 in den 90er Jahren hohe Quoten bescherte. Das ZDF erwarb 1999 Serie und Rechte von Sat 1 und schickte ab 2008 mit Hans Sigl einen ganz neuen Typen ins Quotenrennen. Im Frühjahr 2012 wollten fünf Millionen Zuschauer den „Bergdoktor“ sehen. Am Donnerstag startet eine neue Staffel (20 Uhr 15).

Herr Sigl, Sie drehen seit 2008 den „Bergdoktor“. Welche Entwicklung hat der seither mit Ihnen genommen?

Am Anfang war das Experiment, was macht man draus. Die ersten zwei Jahre war ich überrascht, wie süßlich das daherkam. Dann habe ich Blut geleckt und gedacht: Das kann man besser machen. In der dritten Staffel habe ich viele erschüttert, weil ich zu einem krebskranken Kollegen in der Serie gesagt habe, er solle sich nicht so haben, weil es noch andere Krebskranke gibt. Ich habe einfach versucht, da mehr Realismus reinzubringen.

Tut es Ihnen weh, wenn Sie in die Heimatfilmecke gedrängt werden?

Ich hab nichts gegen das Genre Heimatfilm, ich habe lediglich etwas dagegen, wenn jemand den heutigen „Bergdoktor“ dazurechnet. Ich schreib’ dann auch Kollegen von Ihnen an, kämpfe dafür, dass wir das Klischee wegbringen von dem Süßlichen. Wir haben einen neuen Look. Wir sind sehr dicht an den Figuren, haben harte Kontraste, werden moderner aussehen.

Dürfen Sie das?

Ja doch. Das Vertrauen der Macher muss man sich aber erarbeiten. Wir dürfen uns alles mundgerecht machen, was nicht selbstverständlich ist.

Wie angenehm sind die Drehbedingungen. Man hört, überall wird gespart …

Bei uns auch. Wir haben 16 Tage Drehzeit für 90 Minuten Film. Das ist sehr, sehr wenig. In der Branche wird immer mehr gespart.

Worauf führen Sie das zurück?

Der Verwaltungsapparat der Sender frisst viel. Da wird an uns gespart.

Aber solange es immer einen Produzenten gibt, der sagt, ich mach es für die Hälfte.

Das ist eine ungute Entwicklung. Matthias Schweighöfer dreht seine Filme da, wo er gefördert wird und schreibt entsprechend die Drehbücher. Da fragt man: Wo ist die Freiheit des Films?

Zurück zum „Bergdoktor“. Ist das Publikum den neuen Weg mitgegangen?

Wir haben beim „Bergdoktor“ wahnsinnig dazugewonnen. Von Staffel vier auf Staffel fünf haben wir den Marktanteil der 14- bis 49-Jährigen verdoppelt. Das war ein Grund fürs ZDF, uns weiterdrehen zu lassen. Wir sehen an den Fan-Tagen, wie sich der Filmtourismus entwickelt. Da kommen Familien, junge Leute. Eine Abiturklasse war da, die im Unterricht die Ethik des „Bergdoktors“ diskutiert hat: Wie weit geht die moralische Verpflichtung, jemandem ein Organ zu spenden und sich selbst zu gefährden?

Sehen Sie noch einen Schauspieler, der versucht, gegen das Klischee des Berg- und Heimatfilms anzuarbeiten?

Tobias Moretti ist ein Bruder im Geiste. Jetzt machen alle Heimatfilme, tappen in die Kitschfalle. Moretti ist ein Fels in der Brandung. Der Bergfilm ist tot, Vilsmaiers „Nanga Parbat“ ist etwas anderes. Moretti ist völlig irre im positiven Sinn.

Was ist denn die innere Richtschnur, wenn Sie „Bergdoktor“ drehen?

Ich setze auf Traditionen, verbunden mit Geradlinigkeit, Wahrhaftigkeit der Figur. Es geht darum, echt und glaubwürdig zu sein. Dieser „Bergdoktor“ ist angstfrei.

So wie Hans Sigl?

Der Privatmann Sigl ist vielleicht etwas realistischer als die Figur.

Das klingt so abgeklärt. Warum sind Sie überhaupt Schauspieler geworden?

Primär, um meine Miete zu bezahlen. Ich hab davor moderiert und Radio gemacht. Als ich zum Theater kam, habe ich festgestellt, dass es eine große Freude ist, Illusionen herzustellen, ein Bild zu machen. Es gibt da einen pragmatischen Zugang zur Ausübung meines Berufs. Für mich ist das keine Therapie wie für viele Kollegen. Es ist einfach ein Beruf.

Sie hätten ja auch Lehrer werden können.

Ich hab’ Workshops mit Lehrern gehalten, ein Dreisprung-Modell entwickelt mit Bühne, Lehrern und Schülern. Aber inhaltlich wäre es nicht so prickelnd.

Trotzdem müssen Sie gerade beim „Bergdoktor“ immer mit ein wenig Häme leben …

Schön ist, dass der Weg, den wir gehen, belohnt wird mit der Treue der Zuschauer. Man schämt sich ja in Deutschland für Erfolge. Wenn etwas kommerziell erfolgreich ist, kann es ja nichts Gutes sein. Aber das ist auch das, was uns in der Arbeit bestärkt. Jetzt haben wir einen Regisseur gekriegt, der uns in der Entwicklung der Figuren nach vorne bringt. Dann gibt es einen Schritt und wieder einen Schritt.

Sollte man da dann nicht über eine Titeländerung nachdenken?

Der Titel ist etwas antiquiert, das mag sein. Soll man sich bei der Jugend anbiedern als „Bergdoc“ oder „Mountainmedic“? Letztlich ist er so bekannt und beliebt. Über Facebook hat mich ein kroatischer Radiomoderator angeschrieben. Wir haben dann ein Telefoninterview gemacht. Die Telefone standen nicht still, weil die Leute dachten, ich bin live in der Sendung. Die Leute gucken es in Namibia, in Belgien, in Norwegen …

Haben Sie sich schon überfordert gefühlt, weil die Zuschauer Sie für einen echten Arzt halten, wie Klausjürgen Wussow?

Die Leute haben schon kapiert, dass man nicht selber heilen kann. Wenn jemand per Facebook oder E-Mail zu einem Thema der Sendung Fragen hat, verweise ich weiter an die klinischen Berater und die tauschen sich dann aus.

Das Interview führte Jörg Seewald

Jörg Seewald

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