Dokumentation: Sie will ihr Gesicht zurück
„Saving Face“: Ein Film über Frauen, die in Pakistan Opfer von Säure-Attentaten ihrer Männer werden.
Zakia, eine 39 Jahre alte Frau aus Pakistan, geht nur vollständig verhüllt auf die Straße. Auch ihr Gesicht darf nicht zu sehen sein. Den Schlitz, den die Burka offen lässt, bedeckt sie mit einer großen Sonnenbrille. Ihr Bruder will das so. Dass ihr Gesicht von ihrem Mann mit Säure entstellt wurde, bedeutet nicht nur körperliche und seelische Pein, sondern auch eine soziale Schande. „In einer Sekunde wurde mein ganzes Leben zerstört“, sagt Zakia, die sich wegen ständiger Misshandlungen von ihrem Mann scheiden lassen wollte. Doch die Mutter von zwei Kindern kämpft um ihre Würde, klagt ihren Mann vor Gericht an und lässt sich von Dr. Mohammad Jawad helfen, einem plastischen Chirurgen pakistanischer Abstammung aus London, der sonst die High Society künstlich verschönert. Am Ende des Films geht Zakia erstmals wieder ohne Burka und Sonnenbrille auf die Straße. Und den Prozess gegen ihren Mann hat sie auch gewonnen.
Der in diesem Jahr mit einem Oscar für die beste Kurzdokumentation ausgezeichnete amerikanisch-kanadische Film „Saving Face“, den der WDR in der Reihe „die story“ erstmals in Deutschland ausstrahlt, erzählt von der Verzweiflung, aber auch von der Kraft der Frauen, die sich gegen ihr Schicksal stemmen. Es rührt sich Widerstand gegen die bisher gesellschaftlich tolerierte Gewalt der Männer. Da ist die Anwältin, die Zakia vertritt. Da sind die Frauen und Männer der „Acid Survivors Foundation“ (ASF), die die Betroffenen betreuen. Mehr als 100 Attacken auf Frauen im Jahr zählt die ASF in Pakistan, geht aber von einer weit höheren Dunkelziffer aus.
Die kanadisch-pakistanische Autorin Sharmeen Obaid-Chinoy und der amerikanische Regisseur Daniel Junge begleiten in „Saving Face“ Dr. Jawad, den Arzt aus London. Als das junge Model Katie Piper im März 2008 mit Säure attackiert wurde, hatte sie Jawad mehrfach operiert. Dabei habe er vom Ausmaß der Gewalt gegen Frauen in Pakistan erfahren, sagt er. Seitdem engagiert sich der Arzt, dessen Charisma hier wohltuend und zugleich irritierend ist. Wir sehen den fülligen, wohlhabenden Londoner am Frühstückstisch mit seiner Familie und wie er am Telefon mit einer vermutlich ebenfalls wohlhabenden Britin über die Größe ihres Brustimplantats scherzt. Doch wenn sich Dr. Jawad die Geschichten seiner Patientinnen in Pakistan anhört, ringt er um Fassung. Im OP-Saal kann er dagegen schon mal seine Kollegen mit dem Hinweis anschnauzen, mit der Atombombe könnten sie umgehen, aber hiermit seien sie wohl überfordert.
Aber der 40 Minuten kurze Film hält sich nicht nur in Arztzimmern auf. Junge und Obaid-Chinoy erzählen ohne eigenen Kommentar aus dem Off die Geschichten der Frauen Zakia und Rukhsana, beide 25, treffen sie auch zu Hause und lassen ihre Männer zu Wort kommen. Zakias Mann sieht man nur in Ketten. Er sitzt, während er interviewt wird, wie ein Tier in einem Käfig und faselt etwas von einer „Verschwörung gegen mich“. Auch Rukhsanas Mann streitet die Tat ab und behauptet, dass 99 Prozent der entstellten Frauen sich selbst angezündet hätten. Denn Rukhsana wurde nicht nur von ihrem Mann mit Säure attackiert, sondern die Schwägerin übergoss sie noch mit Benzin und die Schwiegermutter entzündete das Streichholz.
Die Oscar-Verleihung für den Film löste in Pakistan ein großes Medienecho aus, aber der Weg im Kampf gegen die Männergewalt ist sicher noch weit. Sharmeen Obaid-Chinoy versteht ihren Film „Saving Face“ und sich selbst als Teil dieser Kampagne. Thomas Gehringer
„Saving Face – Gebt mir mein Gesicht zurück“, WDR, 22 Uhr
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