Österreichs Kanzler bei Maischberger: Selbstgefälliges Klammern, müdes Lächeln
Ob Österreichs Kanzler Sebastian Kurz Wunderknabe oder politischer Scharfmacher ist, kann Sandra Maischberger nicht herausfinden. Auch Jürgen Trittin trägt wenig zur Klärung bei.
Bundeskanzler Sebastian Kurz, der mit 31 Jahren jüngste Regierungschef der Welt, macht seine Honneurs, erst bei Angela Merkel im Kanzleramt, dann bei Sandra Maischberger im TV-Studio. In den Medien, vor allem auch den deutschen, hat der smarte Politiker im Zuge der „Flüchtlingskrise“ stets als Klartextomat reüssiert: Grenzen zu, schnelle Asylverfahren, Abschieben. Er wirft sein Lächeln wie das Wurfnetz eines Gladiators, dann sticht er mit dem Dreizack zu: Charme, Tempo, Härte.
Kurz, der mit 16 Jahren einer Jugendorganisation der ÖVP beitrat, ist ein hyperaktives Chamäleon: Ein Parteizögling, der die Partei, die ihn schuf, zur Posterboy-Clique („Liste Sebastian Kurz“) verwandelte, ein Demokrat mit antidemokratischen Zügen, ein politischer Hardliner mit rhetorischem Weichzeichner, ein Veränderungsweltmeister (wirtschaftspolitisch) und Veränderungsverweigerer (kulturell, europapolitisch), ein Charmeur und Kratzbürste, ein Kontrollfreak und Freiheitsprediger, eine stabile Hülle mit instabilen Kernen, eine Ich-AG, die eloquent das „WIR“ in den Mittelpunkt stellt.
Verloren wirkende Fragen
Ja, ein verdammt talentierter Machtpolitiker. Man durfte gespannt sein, wie er bei Maischberger agieren würde, zumal ihm in der zweiten Hälfte der Sendung (ab der 40. Minute) Jürgen Trittin als „Sparringspartner“ zugedacht war. Davor aber arbeitete Sandra Maischberger sich allein an dem „Wunderknaben“ ab. Das war unergiebig, denn er parierte professionell und sie fragte kompasslos in alle Richtungen.
Schon die Überschrift der Sendung „Sebastian Kurz: Wunderknabe oder politischer Scharfmacher?“ verfehlte ihr Ziel, denn erstens schließen die beiden Kategorien einander nicht aus und zweitens sind sie zu diffus, um diesen neuen Politiker-Typus (Macron, Christian Lindner) zu fassen. Die ersten Minuten widmete die Moderatorin der Begegnung des Gastes mit Merkel („Tut sie ihnen eigentlich leid?“), dann folgten zwei verloren wirkende Fragen zu Donald Trump, an die übergangslos ein Rückblick auf die Biographie des jungen Kanzlers anschloss.
Die Moderatorin versuchte zu klären, wofür Kurz eigentlich stand, steht oder stehen wird. Kein Ergebnis, Kurz windet sich, Maischberger hastet. Mit einem Einspieler, der der FPÖ galt, wird die Frage aufgeworfen, ob Sebastian Kurz Nazis salon- und regierungsfähig mache. Der Kanzler sagte nein, nein, nein, Menschen ändern sich, Menschen (Vize-Kanzler Heinz-Christian Strache) ändern sich. Noch nie habe es in Österreich eine so pro-israelische Regierung gegeben, noch nie sei man so entschlossen gewesen, gegen Antisemitismus vorzugehen.
Zur Schau getragene Selbstgefälligkeit
Als Jürgen Trittin nach 40 Minuten in den Ring stieg, dachte man, jetzt könnte es einen erbitterten Schlagabtausch über Flüchtlingsfragen geben; doch nach einer ersten heftigen Attacke des Grünen gegen FPÖ-Strache, der sich vor kurzem von martialischen Trommlern begleiten ließ (Trittin: „Als ob die SS noch unterwegs sei“), gab es nur noch ein müdes selbstgefälliges Klammern, so als ob die Herren einander nicht ernst nehmen würden.
Trittins ganze Körpersprache war die des selbstgefälligen, sich für tausendmal klüger haltenden Routiniers, der dem Baby-Kanzler die Ehre erweist, ihn an seinem profunden Wissen teilhaben zu lassen. Kurz widersprach zwar punktuell energisch, aber doch mit staatsmännischer Zurückhaltung, so als habe er Trittin längst abgeschrieben, als ewiggestrigen Parteipolitiker und Ideologiebonzen.
Die große Frage nach der Bewältigung der „Flüchtlingskrise“ verlor sich in Details (wie gestaltet man Flüchtlingszentren aus) und Phrasen. „Man darf Schleusern nicht überlassen, wer nach Europa kommt.“ Diesen Satz variierte Kurz bis zum Überdruss. Weder hier noch beim Thema Europa, das kaum vorkam oder beim deutsch-österreichischen Verhältnis gelangen der Sendung Tiefenbohrungen.
Das meiste Engagement zeigte Maischberger, die wie fast immer zu sprunghaft fragte, als sie wiederholt wissen wollte, ob Kurz sein abgebrochenes Studium noch beende: „Wollen sie der erste Regierungschef mit Studentenausweis bleiben?“ Kurz lächelt müde, wir auch.
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