"Günther Jauch" zu Griechenland: Schweigen und Trotz lösen keinen Konflikt
Günther Jauch und seinen Gästen ging erst einmal der Strom aus. Als endlich das Licht anging, konnten die Diskutierenden auch keine klaren Lösungen für den Streit zwischen Griechenland und der EU finden. Erhellend war aber die Einsicht, dass dringend etwas getan werden muss.
Na. so was. Die "Günther Jauch"-Sendung zur Griechenland-Krise fand weniger Zuschauer als das vorausgehende "Best of" des Gesprächs mit dem Entführungsopfer Natascha Kampusch. Den Talk kurz nach 22 Uhr schalteten 4,94 Millionen Zuschauer ein, die Griechen-Debatte dann 4,15 Millionen. Entweder war das Publikum erneut vom Schicksal der jungen Frau fasziniert oder es wartete voller Spannung, ob die Jauch-Sendung denn doch noch starten sollte, oder aber das aktuelle Talkthema interessierte einfach weniger.
Der Einstandsscherz der Sendung am Sonntag ging aber richtig schief. Als ein Stromausfall in Berlin-Schöneberg den Start der ARD-Talkshow „Günther Jauch“ um 15 Minuten verzögerte, witzelte der Moderator von „griechischen Verhältnissen“. War blöd. Als Jauch und seine Runde dann loslegen konnten, wirkte die Talkshow, als stünden plötzlich alle unter Strom. Vorneweg Günther Jauch, der herausgefordert war, seine Sendung ohne Einspielfilmchen und vergleichbare Hilfsmittel zu gestalten. „Das ist ja hier wir bei anderen Sendungen, die wir gar nicht gerne gucken“, rief er nach 50 Minuten aus. Da war der brave Mann längst aus der Tiefe seines Sessels an die Kante nach vorne gerutscht.
Jauch war engagiert, ja aufgeregt wie selten, mal lief ihm dabei die Diskussion fast aus dem Ruder, dann nahm er das Heft wieder in die Hand. Damit war er so beschäftigt, davon so absorbiert, dass sich keine klare Linie in den 60 Minuten zeigen wollte und keine erkennbare Struktur. Trotzdem: Jauch darf künftig öfter aus sich herausgehen, nicht selten wirkt der Talkmaster wie sediert.
Kipping lobt die tapferen Griechen
Das Thema bot Potenzial für hitzige Debatten: „Der Euro-Schock – Wohin führt die Griechen-Wut?“ Für Linken-Chefin Katja Kipping sind die Griechen die tapfersten Menschen überhaupt. Angeführt vom neuen Regierungschef Alexis Tsipras wagen sie ein Nein zur Europäischen Union, zum europäischen „Spar-Diktat“. Folgte man Kipping, so muss eine komplett neue Politik her, schon gebe es keine Hilfe mehr für Menschen mit Krebs im Endstadium.
Es musste schon überraschen, wie sehr die Linken-Politikerin die Schuld für die griechische Misere nicht bei den Griechen, sondern bei der EU und insbesondere bei der deutschen Regierung und damit beim anwesenden CDU-Politiker Wolfgang Bosbach suchte - und ihrer Ansicht nach auch fand. Bosbach focht wacker für eine Hellenen-Politik von „Haftung und Verantwortung“. Der CDU-Mann erinnerte wieder und wieder, in dieser Runde freilich meist vergeblich, daran, dass die Deutschen den Griechen bereits massiv geholfen haben.
Man muss wahrlich kein Nationalist sein: Doch die Beschimpfungen und Attacken, beispielsweise von Kipping, dass deutsche Politik für die sehr schwierigen sozialen Verhältnisse in Griechenland verantwortlich sein soll, scheinen Ursache und Wirkung schlicht zu negieren. ARD-Börsenexpertin Anja Kohl - „Das griechische Volk blutet“- war näher bei Kipping als bei Bosbach. Wer Griechenland ständig Wort- und Vertragsbrüche vorhalte, der sollte mal die Vertragsverletzungen Deutschlands beispielsweise bei den vom Maastricht-Vertrag vorgeschriebenen Schuldenquoten bedenken.
Bosbach gegen den Rest der Welt
Der deutsch-griechische Journalist Michael Pantelouris warnte vor der „humanitären Katastrophe“ in Griechenland. Dabei verschwieg er nicht, dass die Millionäre und Milliardäre sich offenbar an der Rettung des Vaterlands nicht beteiligen wollen. Die griechische Krise sei eine Krise der kleinen Leute.
„Günther Jauch“ am 1. Februar war eine ungewohnt, ungewöhnlich lebhafte Sendung. Zugleich litt sie an einer Schlagseite. Es hätten mehr Vertreter aus der großen Koalition eingeladen werden müssen. Bosbach gegen den Rest der Welt – das war nicht fair und dem Thema nicht dienlich.
Noch ein Blackout nach einer Stunde wäre gut gewesen
Was allerdings über die Stunde Talk herauskam: Angela Merkel, die Bundesregierung, schließlich die EU, sie müssen rasch und umfassend erklären, mit welcher Politik Griechenland vor dem Untergang und der Euro vor der Krise bewahrt werden können. Schweigen und Trotz reichen längst nicht mehr. Mag „Günther Jauch“ auch kaum Lösungen aufgezeigt haben, diese Notwendigkeit wurde klarer und klarer. Und in dieser Erkenntnis lag der Mehrwert der Debatte, nicht in den angeführten Details und nicht in den hektisch-lauten Wortmeldungen der Gäste.
Im Finale zog Günther Jauch wieder den Stromausfall und die „griechischen Verhältnisse“ heran. In der 60. Minute also hätte der Sendung ein weiterer Blackout gut getan. Aber erst dann!