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Medien: Schweigen – oder Strafe

Reaktion auf Mediengesetz: ARD/ZDF setzen Berichterstattung aus Moskau aus.

Nach der Verschärfung der Mediengesetze in Russland setzen ARD und ZDF die Berichterstattung aus ihren Moskauer Studios vorerst aus. „Die beiden öffentlich-rechtlichen Sender werden von ihren anderen Standorten aus weiterhin das Publikum umfassend über das Geschehen in Russland und der Ukraine informieren“, teilte der für das ARD-Studio Moskau federführende WDR mit. „ARD und ZDF prüfen die Folgen des am Freitag verabschiedeten Gesetzes“, hieß es in dem abgestimmten Statement. Das ARD/WDR-Studio wird von Ina Ruck geleitet, das ZDF-Studio von Phoebe Gaa.

WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn sagte dazu in einem Interview: "Das Gesetz stellt die Verbreitung von falschen Informationen unter Strafe. Eigentlich ist falsch und richtig ein Maßstab, mit dem wir täglich umgehen. Aber in Russland hat sich eine ganz eigene Definition von Wahrheit entwickelt. Deshalb ist es für uns im Moment unmöglich abzuschätzen, welche persönlichen Folgen eine wahrhaftige Berichterstattung für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätte. Dieses Gesetz ist daher ein tiefer Einschnitt in die Freiheit unserer Berichterstattung.“

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Freitag ein Gesetzespaket unterzeichnet, das die „öffentliche Verbreitung absichtlich falscher Informationen über die Benutzung der Streitkräfte der Russischen Föderation“ unter Strafe stellt. In russischen Staatsmedien wird nicht von einem Krieg gegen die Ukraine gesprochen, sondern von einer „militärischen Spezialaktion“. Wer gegen das neue Gesetz verstößt, dem drohen hohe Geldstrafen und Haftstrafen bis zu 15 Jahren. Betroffen können russische und ausländische Medien gleichermaßen sein. Was nun eine „Falschnachricht“ ist, das ist allein Ansichtssache der Behörden.

Der Kreml sieht sein harsches Vorgehen gegen missliebige Berichterstattung über den Ukraine-Krieg damit gerechtfertigt, dass es einen „Informationskrieg“ gegen Russland gebe. In diesem „Kontext musste ein Gesetz verabschiedet werden, das eine entsprechende Entschlossenheit beinhaltet", sagte Präsidentensprecher Dmitri Peskow. Die Verabschiedung des vom Westen scharf kritisierten Gesetzes und seine Unterzeichnung durch Präsident Wladimir Putin seien „notwendig und dringend“ gewesen.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) reagierte mit Bedauern, aber auch Verständnis auf die Ankündigung. „Die Sicherheit der Kolleginnen und Kollegen hat derzeit oberste Priorität“, erklärte der DJV- Bundesvorsitzende Frank Überall: „Es ist aber dramatisch, dass die unabhängige Information aus der Russischen Föderation inzwischen nahezu unmöglich ist. Putin tritt mit der Pressefreiheit ein weiteres Menschenrecht mit Füßen.“

ARD und ZDF reihen sich mit dem Aussetzen der Berichterstattung ein in die Phalanx anderer westlicher Stationen. ein. Die britische BBC stoppte nach dem Erlass eines neuen Mediengesetzes in Russland jegliche Form von Berichterstattung auf dem Gebiet der Russischen Föderation. „Diese Gesetzgebung scheint den Prozess des unabhängigen Journalismus zu kriminalisieren“, wird BBC-Generaldirektor Tim Davie in dem Tweet zitiert. „Das lässt uns keine andere Option, als die Arbeit aller Journalisten von BBC News und ihrer Mitarbeiter in der Russischen Föderation zu stoppen, während wir die vollen Auswirkungen dieser unerwünschten Entwicklung untersuchen.“ Die Sicherheit der Mitarbeiter gehe vor, fuhr Davie fort.

Auch die kanadische Station CBC wie auch der US-Sender CNN pausieren nach dem Erlass des neuen Mediengesetzes. Die Situation und die nächsten Senderschritte würden weiter bewertet. „Bloomberg News wird die Arbeit seiner Journalisten in Russland vorübergehend einstellen“, teilte das Unternehmen mit. Die Änderung des Gesetzes scheine darauf abzuzielen, jeden unabhängigen Journalisten zu einem Kriminellen zu machen, erklärte Bloomberg-Chefredakteur John Micklethwait.

Die  „Washington Post“ wird als Reaktion auf die neuen, drakonischen Mediengesetze keine Autoren und Daten mehr bei seinen Berichten aus Russland nennen, um die Mitarbeiter zu schützen. Es ist zu erwarten, dass weitere Medienunternehmen ihre Berichterstattung aus der russischen Hauptstadt pausieren lassen.

Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg hat ein Zwangsgeld von 25 000 Euro gegen den deutschsprachigen russischen Sender RT DE festgesetzt. Gleichzeitig drohte die MABB am Samstag in Berlin ein weiteres Zwangsgeld von 40 000 Euro an, sollte der Sendebetrieb von RT DE nicht bis zum 16. März eingestellt werden. Das Zwangsgeld von 25 000 Euro sei festgesetzt worden, nachdem der Livestream des Senders auch am Samstag noch auf verschiedenen Websites verfügbar gewesen sei.

Die Medienanstalt hatte das Zwangsgeld „in üblicher Höhe“ am Dienstag angedroht und RT DE aufgefordert, sein Programm bis Freitag einzustellen. Grund ist eine fehlende Lizenz. Gegen das Sendeverbot hatte RT DE beim Verwaltungsgericht Berlin einen Eilantrag eingereicht. Die von der RT DE Productions GmbH eingelegten Rechtsmittel stünden bis zu etwaigen gerichtlichen Entscheidungen der Festsetzung eines Zwangsgelds nicht entgegen, erklärte die Aufsichtsbehörde am Samstag. Die von RT.DE beauftragte Kanzlei hat ihr Mandat am Freitag niedergelegt.

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