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Cybermobbing: Schüler denunzieren Schüler

Warum die Seite isharegossip.com eine neue Dimension des Mobbings im Internet ist.

Die Gehässigkeit kennt auf dieser Internetseite keine Grenzen. X „ist die größte Schlampe der Schule“, „aber sie hat geile Titten“, „ja, aber sie hat ein fettes Pizza-Gesicht“. In diesem Ton geht es weiter mit Beleidigungen und persönlichen Angriffen, über 2000 Kommentare ist die Liste lang. X ist Schülerin an einem Berliner Gymnasium, ihr Vorname und die Klasse, in die sie geht, werden auf der Homepage genannt. X ist Opfer von isharegossip.com geworden – einer Website, die eine neue Dimension des Cybermobbings darstellt.

Dass Schüler Schüler im Internet belästigen, beleidigen oder bedrohen ist kein neues Phänomen. Doch während in sozialen Netzwerken wie Schüler VZ und Facebook sichtbar ist, wer über wen in Chats oder auf den virtuellen Pinnwänden lästert, sind die Kommentare bei isharegossip.com anonym – und umso brutaler. „Top 10 der hässlichsten Mädchen aus dem 10. Jahrgang ... schreibt alle rein!“ postet ein Nutzer von einer Schule aus Rheinland-Pfalz, „Größte Hure der Schule? 8/9 Klasse?“ fragt ein Nutzer von einer Schule aus Hessen, prompt folgt eine Liste mit Namen. Schüler aus ganz Deutschland sind auf der Seite aktiv.

Wer ihnen die Plattform bietet, auf der sie derartig lästern und leiden, ist bisher nicht wirklich bekannt. Im Impressum wird die Firma Jufax Intertainment Ltd. mit Geschäftssitz in Lettland als Inhaber genannt, als ihr Vertreter ein Mann namens Alexander Liepa. Auf eine Kontaktanfrage reagieren die Betreiber von isharegossip.com nicht.

Einer von ihnen hat – ohne namentlich genannt zu werden – dem „Journal Frankfurt“ ein Interview gegeben. „Das Lästern ist das Erfolgskonzept der Seite, die Leute gucken morgens, mittags, abends rein. Da geht es um Rache, das ist ein Kreislauf. Wenn man wüsste, wer dahintersteckt, würden die Leute das alles nie sagen. Da steckt eine gewisse Feigheit dahinter, und auch ein Machtgefühl.“ Bedenken, die Plattform dafür zu bieten, scheint er nicht zu haben. „Nicht die Seite ist schlimm. Die Nutzer machen sie zu dem, was sie ist“, sagt er.

Auf der Seite selbst steht, dass isharegossip.com helfen wolle, „mehr Transparenz im Internet zu schaffen“. Durch die Anonymität sei es „einfacher, Meinungen auszutauschen, die man ungern unter seinem eigenen Namen veröffentlichen möchte.“ Zwar gibt es Moderatoren, die die Einhaltung von Richtlinien kontrollieren sollen – jedoch werden der Homepage nach nur Beiträge von der Seite genommen, die pornografisch sind oder „ 0 % Inhalt oder Sinn“ haben.

Demnach müssten aber wohl alle Beiträge von isharegossip.com gelöscht werden. Denn zu schreiben, dass K. „die fettesten Schenkel der Schule“ hat, oder L. aus der 8a „mit mindestens acht Männern geschlafen hat“, macht keinen Sinn.

Die meisten der Opfer von Cybermobbing sind weiblich, die meisten Täter männlich, zeigt eine Untersuchung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aus dem Jahr 2008. Schulleiter hingegen beobachten, dass es eher Mädchen sind, die andere Mädchen im Netz fertig machen.

Direktoren von Berliner Schulen berichten, dass sie sich gegen isharegossip.com machtlos fühlen. Denn auch wenn sie die Seite auf den Servern der Schule längst gesperrt haben, können sie nicht verhindern, dass die Schüler in ihrer Freizeit Kommentare posten. Klassenlehrer führen deshalb mit ihren Schülern Gespräche über das Thema Cybermobbing und versuchen sie zu bewegen, gar nicht erst auf der Seite aktiv zu werden. Ist ein Kind beleidigt worden, sollten die Eltern einen Screenshot als Beweis machen und sich an die Polizei wenden – doch müssen sich die Kinder überhaupt trauen, Lehrern oder Eltern von den Beleidigungen zu berichten.

50 Strafanzeigen sind bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main, die in diesem Fall die deutschlandweite Sammelstelle ist, gegen isharegossip.com bereits eingegangen. Ermittelt wird nach Angaben von Sprecher Alexander Badle gegen die unbekannten Betreiber von isharegossip.com wegen „Verdachts auf Anstiftung zur Beleidigung und Verleumdung“. Eine Geldstrafe und eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr können dafür verhängt werden – und zwar nicht nur gegen die Betreiber, sondern auch gegen die Täter, also diejenigen, die die beleidigenden Kommentare schreiben.

Das Problem der Behörden ist jedoch, dass die Seite über einen Server in Schweden läuft. Das Bundesministerium für Familie, Senioren und Jugend hat einen Indizierungsantrag gestellt, damit die Seite zumindest über deutsche Suchmaschinen nicht mehr auffindbar ist, und hofft auf Amtshilfe schwedischer Stellen.

Aber selbst wenn isharegossip.com bei Google & Co. nicht mehr auftauchen würde – viele der bereits erschienenen Kommentare sind nicht einfach aus dem Netz zu löschen.

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