Provinz-Krimi: Schnack mit dem Mörder
Ex-"Tatort"-Ermittler Robert Atzorn gibt in „Nord Nord Mord“ noch einmal den Kommissar, dieses Mal auf Sylt.
Als ein junges Liebespaar in den Sylter Dünen auf einen Totenschädel stößt, weiß Hauptkommissar Theo Clüver (Robert Atzorn) bald, dass es sich um eine Inselbewohnerin handeln muss, die seit fast 20 Jahren vermisst wird. Ein Gewaltverbrechen ist nicht nachweisbar, so dass Clüver und seine junge Kollegin Ina (Julia Brendler) sich erst einmal wieder mit ayurvedischem Tee und Ingwerbonbons in ihr kleines Kommissariat zurückziehen und den neuen Kollegen (Oliver Wnuk) in Augenschein nehmen: Ein junges, hoch motiviertes Kerlchen, das in Chicago gerade ein Profiling-Seminar besucht, aber noch nie einen Mordfall bearbeitet hat.
Da trifft es sich gut, dass besagtes Liebespaar kurioserweise am nächsten Tag schon wieder eine Leiche in den Dünen findet, diesmal eine taufrische. Es ist Hannes Jensen, fröhlicher Privatier und Stammgast im Dorfpuff, außerdem Schlagzeuger bei der Band „Die Küstenpiraten“, die nach 20 Jahren (Obacht! Parallele zum ersten Leichenfund) wieder einen gemeinsamen Auftritt geplant hat. Er wurde offenbar in der Nacht erschossen und dann auf ein großes Steuerrad gebunden. So verfuhr man vor 200 Jahren in dieser Gegend mit Verbrechern.
Jetzt muss der Hauptkommissar doch ran. Aber Atzorn tritt als Clüver in dem Krimi „Nord Nord Mord“, den das ZDF am Donnerstagabend zeigt, nicht nur als Ermittler, sondern nebenbei auch noch als Ersatzschlagzeuger auf. Denn als Kommissar hat er seine eigene Recherchemethode: „Ich klöne mit den Menschen. Und irgendwann klöne ich mit dem Mörder.“ Stoisch marschiert er durch die Nordseeidylle, durch Dorfkneipen und Bauernhöfe und ruft schließlich beim Showdown dem Mörder zu: „Ich komme jetzt hoch und dann beschnacken wir das.“
Provinzkrimis, bei denen die Figuren ihre sprachlichen und regionalen Eigenarten haben, der Mörder um die Ecke wohnt und der Ermittler seine Pappenheimer vom Stammtisch und vom Kirchenchor her kennt, sind seit langem beliebt. Seien es die „Rosenheim Cops“, „Der Bulle von Tölz“ oder „Mörder auf Amrum“, der im letzten Jahr beim ZDF für bemerkenswerte Quoten sorgte – immer geht es um kauzige Figuren mit eigenwilligen Vorlieben, die dann möglichst abgründige Todesfälle zu bewältigen haben. Insofern passt Robert Atzorn („Unser Lehrer Dr. Specht“) gut in diese warmherzige Rolle, besser als 2001 bis 2007 beim Hamburger „Tatort“, wo er den dunkel grundierten Kommissar Jan Casstorff gab.
Gleichzeitig bleibt „Nord Nord Mord“ über weite Strecken eine harmlose, vorhersehbare Schnurre. Der Kommissar erzählt seinem Hund morgens beim Rasieren von Mick Jagger, seine Frau (Ulrike Grothe) ist eine vom indischen Tantra beseelte Krankengymnastin und die Vorzeige-Fischköppe (Ingo Naujoks und Martin Brambach) sitzen wortkarg in einer Kneipe namens „Wattenlöper“.
„Wir wollten jetzt am Anfang mit dem Humor noch ein bisschen vorsichtig sein“, sagt Regisseur Josh Broecker („Einsatz in Hamburg“), der sich ebenso wie die Produktionsfirma und der Sender wünscht, dass „Nord Nord Mord“ bei entsprechender Zuschauerresonanz als lose Reihe fortgesetzt wird. Schade eigentlich, denn mit Oliver Wnuk spielt hier nicht nur ein Darsteller aus der bösen Kultserie „Stromberg“ mit, sondern auch Drehbuchautor Lars Albaum („Stromberg“, „Dr. Psycho“) ist eine echte Fachkraft in Sachen Comedy. Immerhin darf die Puffmutter Käthe den schönen Satz sagen: „Ich freu mich wie ein Schnitzelchen, Sie zu sehen, Herr Kommissar.“
Regisseur Broecker, der im Film kurz als Mann von der Spurensicherung auftritt, führte 2007 auch bei zwei Folgen der ZDF-Serie „Doktor Martin“ mit Axel Milberg Regie, die ebenfalls mit allerlei schrulligen Figuren in einem ostfriesischen Fischerdorf aufwartet. „Doktor Martin“ war die Adaption eines englischen, einigermaßen bizarren Vorbilds. Mit „Nord Nord Mord“ will man nun deutscher werden, so die verantwortliche ZDF-Redakteurin Elke Müller. Das heißt in diesem Fall leider auch braver.
„Nord Nord Mord“, 20 Uhr 15, ZDF
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