Griechische Medien: "Schäuble dürstet nach Blut"
Das Deutschlandbild in den griechischen Medien ist seit langem schlecht. Nun ist es an einem neuen Tiefpunkt angelangt.
Gut war das Deutschlandbild in den griechischen Medien eigentlich nie, seit Hellas Anfang 2010 in die Krise rutschte und im Gegenzug zu den Milliardenkrediten der internationalen Geldgeber ein striktes Sparprogramm umsetzen musste – vor allem auf Druck aus Berlin, wie viele Griechen glauben. Aber jetzt, wo das Land wieder einmal um seine Zukunft in der Währungsunion und den Erhalt des Euro bangt, erreicht das frostige Klima einen neuen Tiefpunkt. Abzulesen ist das an Schlagzeilen, wie sie am Freitag in der Zeitung „Dimokratia“ zu lesen waren: „Die deutsche Psychose spaltet Europa“ und „Schäuble dürstet nach Blut“.
Viele Griechen begeistern sich für Verschwörungstheorien und machen „ausländische Mächte“ verantwortlich, wenn etwas schief läuft – ein Spiel, dem sich die Medien gern widmen. Waren in den 1960er Jahren die Briten und in den 70er die USA an (fast) allem Ungemach schuld, das über Griechenland hereinbrach, so sind es seit Beginn der Schuldenkrise die Deutschen. Begonnen hat der deutsch-griechische Medienkrieg nicht in Athen sondern in München. Am 22. Februar 2010 erschien das Magazin „Focus“ mit einem Titelbild, das eine Statue der Aphrodite zeigte. Die griechische Liebesgöttin ballt die Faust und streckt den Mittelfinger aus – eine Geste, die wohl sagen sollte: Europa kann mich mal! Die Titelschlagzeile des Magazins lautete: „Betrüger in der Euro-Familie“.
Als die „Focus“-Story erschien, begann sich gerade das ganze Ausmaß des griechischen Schuldendesasters abzuzeichnen, einschließlich frisierter Bilanzen, mit denen Athen die EU getäuscht hatte. Die Göttin mit dem Stinkefinger markierte den Beginn eines griechisch-deutschen Schlagabtausches, in dem sich beide Seiten wenig schenkten. „Deutsche Galle gegen Griechenland“, ekelte sich das Athener Massenblatt „Ta Nea“. Die Zeitung „Eleftheros Typos“ revanchierte sich für den „Focus“-Titel mit einer Fotomontage, die ein Hakenkreuz auf der Berliner Siegessäule zeigte. Die „Bild“-Zeitung forderte, die Griechen sollten doch, um Schulden abzutragen, ihre Inseln verkaufen – „und die Akropolis gleich mit“.
Am Freitag blickte Europa nach Brüssel, wo die Finanzminister der Eurogruppe zusammenkamen. Es war ein Schicksalstag für die Griechen. Doch viele Griechen glaubten, dass die Entscheidung gar nicht in Brüssel fällt sondern in Berlin. Schließlich hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bereits am Donnerstag den gerade erst beim Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem eingegangenen griechischen Antrag auf Verlängerung des Hilfsprogramms als unzureichend abgeschmettert.
Eine Karikatur zeigt Schäuble als KZ-Kommandanten
Das griechische Medienecho war am Freitag verheerend: „Schäuble spaltet Europa“ meldete die Zeitung „Avgi“, das inoffizielle Sprachrohr der radikal-linken Regierungspartei Syriza. Kürzlich hatte das Blatt in einer Karikatur den Finanzminister als KZ-Kommandanten abgebildet und ihm die Worte in den Mund gelegt „Wir machen Seife aus Eurem Fett“. Die Zeitung „Dimokratia“ glaubt: „Merkel will Griechenland bestrafen weil wir wagen, das Selbstverständliche zu fordern“. Die ultra-nationalistische Zeitung „Eleftheri Ora“ sieht einen „Plan zur Ausrottung der Griechen“. Das Blatt warnt: „Die Deutschen bereiten eine Bartholomäusnacht vor“ – eine Anspielung auf das Massaker, dem im August 1572 in Paris Tausende Protestanten zum Opfer fielen.
Solche Schlagzeilen zeigen wiederholt, wie tief der Graben ist, der beide Völker mittlerweile trennt. Es gab mal Zeiten, vor allem Ende der 1960er und Anfang der 70er Jahre, da waren die Deutschen in Griechenland geachtet und beliebt. Während der griechischen Militärdiktatur fanden viele Regimegegner in Deutschland Schutz vor den Verfolgungen der griechischen Obristen. Und für viele Griechen waren die griechischsprachigen Sendungen der Deutschen Welle in jener Zeit eine ermutigende Stimme der Freiheit. Damals waren Deutsche und Griechen richtig gute Freunde. Aber das ist lange her. Gerd Höhler, Athen