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re:publica 2013: Sascha Lobo: Netzgemeinde ist „Hobbylobby ohne politische Verbündete“

Sascha Lobo sieht nur Versagen und eine Verweigerung gegenüber der Realität.

Mit markigen Worten hat der Blogger und Netzaktivist Sascha Lobo auf der diesjährigen Republica für Wirbel gesorgt. Auf der dreitägigen Internetkonferenz, die noch bis Mittwoch stattfindet, warf er der Netzgemeinde am Montagabend politisches Versagen und eine Verweigerung gegenüber der Realität vor. Die Internetszene sei eine „Hobbylobby“, die es aufgrund von festgefahrenen Feindbildern bei vielen ihrer Themen nicht geschafft habe, politische Verbündete zu finden. „Was würde Merkel überzeugen?“, diese Frage müsse man sich stellen, um politische Schlagkraft zu entwickeln. „Ich glaube, dass wir alle insgesamt zu wenig gemacht haben“, zog Lobo kritisch Bilanz. Blogs müssten wieder ins politische Zentrum der Netzerfahrung gerückt werden, ebenso wie Shitstorms, „das älteste Instrument der Netzgemeinde“. Passend dazu stellte Lobo eine Software vor, mit der Beiträge aus sozialen Medien automatisch in den eigenen Blog eingebunden werden können. Anschließend rief er zum Proteststurm gegen die Telekom auf, die mit der angekündigten Datenobergrenze für Internetflatrates weit über die Netzgemeinde hinaus politischen Unmut ausgelöst hatte. Dieser Konflikt um den Zugang zum Netz wäre geeignet, die konservative Einteilung der Welt in On- und Offline zu überwinden. Ebenso könnte das hohe Gut der Netzneutralität auch das netzpolitische Lager stärker mit der politischen Mitte verbinden.

Doch nicht nur die Netzpolitik braucht neue Verbündete, auch die etablierten politischen Akteure beginnen das Internet und dessen Kommunikationskultur ernst zu nehmen. Von den großen Parteien, NGOs und Verbänden kann es sich niemand mehr leisten, das Netz und besonders die sozialen Medien zu vernachlässigen. Durch ihre großen Zuwachsraten kommt Medien wie Facebook, GooglePlus und Twitter in dieser Bundestagswahl eine stark gestiegene Bedeutung zu.

Den Organisatoren der diesjährigen Republica war das Thema Online-Kampagnen einen eigenen Themenschwerpunkt wert. Betsy Hoover, Leiterin der Online-Kampagne für Barack Obamas Wahlkampf 2012, verriet, dass im letzten Jahr etwa 50 Prozent aller Kontakte mit potenziellen Wählern über Facebook zustande kamen. Im Wahlkampf 2008 hatte Facebook nur ein Zehntel der heutige Nutzerzahlen gehabt und Twitter spielte noch gar keine Rolle. Hoovers Strategie war es 2012 insbesondere, beim Communitywahlkampf die Trennung in online und offline aufzuheben.

In Deutschland setzen die Parteien in diesem Bundestagswahlkampf ebenfalls verstärkt auf virale Kampagnen in den sozialen Medien. „Bis zu 80 Prozent der Deutschen lassen sich mittlerweile online erreichen“, so der Kommunikationssoziologe Jan-Hinrik Schmidt. Er sieht aber auch Unterschiede zu den USA. Die Obama-Wahlkämpfer haben unter anderem stark von den geringeren US-Datenschutzbestimmungen profitiert. Öffentlich verfügbare Melderegisterdaten wurden dazu mit von Marketing-Firmen online gesammelten Daten verknüpft. Dadurch konnten die Aktivisten gezielt die Türen von potenziellen Wechselwählern ansteuern. In Deutschland ist dies rechtlich nicht möglich. Die Netzgemeinde würde da sicher ein gewichtiges Wort mitreden. Michael Krause

Michael Krause

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