BBC noch länger ein Vorbild für deutsche Öffis?: Royal Disaster
Nach dem Debakel mit dem Diana-Interview: Warnung an ARD und ZDF vor der BBC. Ein Kommentar
Welche Rundfunkanstalt möchte jetzt noch von sich sagen, dass sie nach dem Vorbild der British Broadcasting Corporation geformt wurde? Die BBC hatte sich 1995 ein Interview mit Princess Diana erschlichen, wie eine vom Sender höchstselbst beauftragte Untersuchung ergeben hat. Es war eben der BBC-Journalist Martin Bashir, der diesen Scoop auf betrügerischem Wege bewerkstelligt hatte, und es war die BBC, deren Spitze über Jahre bemüht war, diese Heimtücke zu vertuschen.
Jetzt liegt die Wahrheit auf dem Tisch, und das Role Model einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt steht nackt da: Die BBC als Hort eines unbestechlichen, aufklärerischen, unparteiischen Journalismus hat ordentlich, wenn nicht alle Reputation eingebüßt. Schon wetzen die Konservativen um Tory-Premier Boris Johnson die Messer. Alles steht auf dem Spiel: die Unabhängigkeit der BBC von politischen Einflüssen, die solide Finanzierung, die Integrität der Programmleistung. Aus dem beträchtlichen Schaden eines vermeintlichen Scoops kann ein Totalschaden für die BBC werden.
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Es wäre zu weit gesprungen, diese spezielle Situation und Entwicklung in Großbritannien auf die Rundfunkverhältnisse in Deutschland zu übertragen. ARD, ZDF und Deutschlandradio, eben aufgebaut nach BBC-Vorbild, haben sich eine derartige Sünde nicht zuschulden kommen lassen. Und es überhaupt nicht erkennbar, dass sie nach solchen Sensationen hechten – und auch nicht hechten sollen.
Die Gefahren für den Informationsehrgeiz der Öffentlich-Rechtlichen lauern anderswo. Gerade ist der Privatsender ProSieben für „Rechts. Deutsch. Radikal“ mit dem Civis-Preis gewürdigt worden, eine dreistündige Dokumentation über rechtsextreme Umtriebe in diesem Land.
Civis-Preis für ProSieben
Die Auszeichnung prämiert Programmleistungen, die das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlichster geografischer oder kultureller Herkunft fördern. Bisher eine Domäne von ARD, ZDF und Deutschlandradio, und nun räumt ProSieben, bisher kein Programm für aufklärerischen Journalismus, ab. Die neu angetretene ARD-Programmdirektorin Christine Strobl schaut mit Neid auf den Civis-Preis für die private Konkurrenz, angekündigt hat sie, dass eine solche Anstrengung künftig im Ersten gelingen muss.
Bravo, möchte man rufen und muss sich zugleich fragen, ob die Intendanzen und Journalisten in den beitragsfinanzierten Häusern den Schuss gehört haben. Die Privatsender blasen zur Informationsoffensive, ProSieben interviewt Kanzlerkandidatin auf Kanzlerkandidaten, RTL bittet Ende August zum ersten Triell der Spitzenpolitikerin und Spitzenpolitiker.
Das ist die eine Seite, der neue und erfreuliche Wettbewerb ums politische Fernsehen, da ist die andere: Bild-TV aus dem Hause Axel Springer bewirbt sich um eine Rundfunklizenz.
Bild-TV kein Brüllfernsehen
Bei Bild-TV mischen sich in den Live-Formaten Aufschrei, Attacke und Aufklärung. Trotzdem reicht das Etikett „Brüllfernsehen“ nicht für das, was gemacht wird. Es ist Direkt-Fernsehen, meinungsgetrieben, das starke Urteil der starken Information vorziehend. Social Media goes TV, das ist Bild-TV.
Über den endgültigen Erfolg ist damit nichts ausgesagt, wohl aber über den Ehrgeiz. Was der Springer-Verlag und insbesondere „Bild“-Chef Julian Reichelt an Einsatz und Investition in den Ring werfen, das ist Meilen entfernt von jedem ehrbaren wie naiven Offenen Kanal in diesem Land und nahe dran an einem erwachsenen Fernsehprogramm, das nach großer Aufmerksamkeit giert.
Droht da Konkurrenz zum Fernsehen von ARD und ZDF? Nicht notwendigerweise, wenn sich die öffentlich-rechtlichen Macher weiter diesem Ideal verschreiben: glaubwürdige, verlässliche, unparteiische Information. Dafür müssen sich mehr engagieren als nur die Journalisten, da müssen sich auch Programmmacher mit Platz und Platzierung beteiligen.
Zu viel Prince Philip bei der BBC
Jeder Ehrgeiz ist fehlgeleitet, der von der Arbeitsprämisse ausgeht, eine Anstalt müsse sich unbedingt mit dem öffentlich-rechtlichen Konkurrenten darum balgen, welcher von beiden Sendern, von ARD oder ZDF, live eine Prinzessin zum Traualtar geleitet oder einen toten Prinzgemahl in die Gruft begleitet.
Es war die BBC, die sich nach dem Tod von Prinz Philipp mit Berichterstattung überschlagen hat. Das hat ihr eine Flut an Beschwerden des Publikums eingetragen, sie richteten sich gegen dieses Zuviel, dieses Distanzlose. Als wollte die BBC in Vorahnung des drohenden Unheils mit dem Diana-Interview seine royale Devotion bekunden. Das ist ihr nicht gut bekommen.