Das Verhältnis der Medien zur AfD: Reflexion statt Reflexe
Wie die Medien ihre Berichterstattung über AfD verbessert haben und wo es nach wie vor hapert: Eine Studie der Otto Brenner Stiftung.
Der Ort der Veranstaltung war keineswegs als Anspielung gemeint. Dass die neue Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) über „AfD und Medien. Erfahrungen und Lehren für die Praxis“ am Montag ausgerechnet im Schweizerhof in Berlin vorgestellt wurde, hatte nichts damit zu tun, dass die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel gerade wegen einer möglicherweise illegalen Parteispende aus der Schweiz unter Druck steht – auch wenn es zwischen der Spende und den Medien durchaus einen Zusammenhang gegeben haben soll. Wie berichtet sollen die Mittel aus der Großspende unter anderem für einen Medienanwalt und für Facebook-Likes ausgegeben worden sein.
Die Veranstaltungen der Otto Brenner Stiftung im Schweizerhof haben hingegen schon länger Tradition. Auch mit dem Verhältnis zwischen Medien und AfD beschäftigt sich die gewerkschaftsnahe Einrichtung bereits zum wiederholten Mal. Seine erste OBS-Studie über das Thema hatte der Bielefelder Medienwissenschaftler und frühere Chef des Grimme-Instituts Bernd Gäbler im Sommer 2017 vor der Bundestagswahl veröffentlicht. Seinerzeit stellte er fest, wie die AfD zwar einerseits gegen die „Systemmedien“ agitierte, gleichwohl aber mit gezielten Provokationen und Tabubrüchen um mediale Aufmerksamkeit buhlte – wobei die Medien in die eine oder andere Falle getappt sind. Die Rechtspopulisten sind inzwischen in den Bundestag eingezogen, das Verhältnis von Medien und AfD hat sich seither spürbar gewandelt, auch wenn es für Gäbler nach den Ergebnissen seiner neuen Studie keinen Grund zur Entwarnung gibt.
„Insgesamt lässt sich konstatieren, dass die Berichterstattung über die AfD besonders in den überregionalen Medien etwas besser geworden ist“, sagte Gäbler bei der Vorstellung der Studie. Es werde weniger unfreiwillige PR für die AfD gemacht, zudem werde kontinuierlicher und weniger sprunghaft berichtet. Statt reflexhaft auf Äußerungen von AfD-Politikern zu reagieren, gebe es mehr Reflexion, also die bewusste Entscheidung, was berichtenswert ist und wie die Themen eingeordnet werden.
Zu den Dingen, die sich seit der ersten Studie gebessert haben, zählt Gäbler „eine Fülle guter Porträts, einige gute Live-Interviews und wichtige Enthüllungen unter anderem zum fragwürdigen Finanzgebaren sowie zu personellen Querverbindungen hinein ins rechtsradikale Lager“. Doch man dürfe nicht nur auf die journalistischen Leuchttürme schauen. Vor allem im Lokalem gebe es Defizite.
Agentur statt Analyse
In seiner Untersuchung hat sich Gäbler wegen der Wahlkämpfe in Hessen und Bayern besonders gründlich mit der AfD-Berichterstattung der „Oberhessischen Presse“ und der „Nürnberger Nachrichten“ beschäftigt. Bei beiden Zeitungen ist die Politikberichterstattung stark zentralisiert, die Mantelteile werden von Redaktions-Netzwerken zugeliefert. In der Folge findet eine analytische Auseinandersetzung mit der AfD, deren Personal und Programm auf lokaler Ebene kaum noch statt. So griff die „Oberhessische Presse“ bei ihrem Bericht über einen AfD-Landesparteitag in Gießen auf dpa zurück, obwohl der Ort von Marburg schnell zu erreichen gewesen wäre.
Für Frank Überall, den Bundesvorsitzenden des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), ist dies auch Ausdruck der prekären Situation im Journalismus, die sich besonders in der Lokalberichterstattung zeigt. Das Problem sei nicht auf die beiden untersuchten Blätter beschränkt, inzwischen seien viele Redaktionen personell ausgedünnt. Für eine angemessene Berichterstattung über die AfD brauche es aber Zeit und anständige Arbeitsbedingungen. Dies müsse jedoch nicht nur den Medienhäusern bewusst gemacht werden, sondern auch der Gesellschaft, sagte der Gewerkschaftsvertreter mit Blick auf die Umsonst-Kultur im Internet. Überall sprach sich zudem gegen eine Überbewertung von journalistischen Generalisten aus. Die Haltung, man habe von allem eine ausreichende Ahnung, lasse sich leicht ausnutzen.
In eine ähnliche Richtung argumentierte auch Gäbler, der von Journalisten mehr Wissen über Kultur und Geschichte fordert, um nicht den Populisten die Deutungshoheit zu überlassen. Als Beispiel nannte er den Versuch der AfD, das Hambacher Fest zu vereinnahmen. Seinerzeit habe es dort aber nicht nur Fahnen in den Farben Schwarz-Rot-Gold, sondern auch viele französische Flaggen gegeben. Und noch einen Rat hat Gäbler für den Journalismus: er soll im Umgang mit der AfD sachlich und gelassen das Wichtige vom Unwichtigen trennen. Nicht über jedes Stöckchen zu springen heißt nicht, Grenzüberschreitungen – wie bei Gaulands „Vogelschiss“-Zitat“ über die Nazi-Zeit – unwidersprochen stehen zu lassen.