Zu viele Zigaretten im Fernsehen?: Rauchende Colts
Netflix will Zigaretten in Serien deutlich reduzieren. Wo im Fernsehen wird eigentlich noch geraucht?
Schwer zu sagen, wie viele Zigaretten Philip Marlowe, die Romanfigur von Raymond Chandler, in seinem Leben geraucht hat. Von den Chandler-Romanen konnte Schauspielerin Melika Foroutan jedenfalls nie genug kriegen, hat sie mal im Tagesspiegel-Interview gesagt. Die Figur des melancholischen Ermittlers habe sie verschlungen. So sehr, dass sie angefangen hat, in Bars Gin Gimlet zu bestellen, wie Marlowe.
Da verwundert es nicht, wenn Foroutans „Kommissarin Louise Boni“, die am Freitag in der ARD lief, rauchend/trinkend durch die Gegend läuft. Eine Wiederholung im Sommerprogramm, vielleicht wird es sich die ARD überlegen, so eine Figur nochmals in Serie gehen zu lassen, angesichts der aktuellen Diskussion um Rauchen, Tabakwerbeverbote etc. Netflix hat sogar angekündigt, die Zahl der Zigaretten, die in Produktionen des Streamingdienstes auftauchen, deutlich zu reduzieren.
Das geht aus einem „Variety“-Bericht hervor. Demnach werde künftig darauf geachtet, dass in allen Sendungen, die sich an ein Publikum unter 14 Jahren richteten, keine Zigaretten mehr gezeigt würden. Lediglich in Produktionen mit historischem Kontext sollen Raucherszenen weiter gezeigt werden können. Bei Produktionen, die sich an ein älteres Publikum richten, soll das Rauchen zugelassen sein, wenn es „für die kreative Vision des Künstlers“ oder die „richtige Charakterdarstellung“ notwendig sei. Mit dem Schritt hat Netflix auf Kritik der Anti-Rauchergruppe Truth Initiative reagiert, die zum Start der dritten Staffel der Serie „Stranger Things“ veröffentlicht wurde.
Eine Studie der Initiative hat passend dazu ergeben, dass sich die Zahl der Darstellungen von Rauchern in den beliebtesten Netflix-Shows Jugendlicher vervierfacht hat, wie der Branchendienst DWDL.de berichte. Vor allem die zweite Staffel von „Stranger Things“ stach diesbezüglich negativ heraus. Dort seien Zigaretten im Vergleich zur ersten Staffel 44 Prozent häufiger aufgetaucht.
Einen kräftigen Anstieg gebe es auch bei der Gefängnis-Serie „Orange is the New Black“ und „Unbreakable Kimmy Schmidt“. Zumindest im Falle von „Stranger Things“ dürfte der Glimmstängel weiter präsent sein, die Serie spielt in den 1980er Jahren, eine Zeit, als das Rauchen deutlich angesagter war als heutzutage.
Gesundheitsbedenken? Wozu?
Gleiches gilt für „Mad Men“, die Serie über US-Werber der 1960er Jahren. Zigaretten allüberall, das lief auch bei ZDFneo. „Als öffentlich-rechtlicher Sender mit ebendiesem Auftrag wird sehr genau darauf geachtet, dass Tabak-und Alkoholkonsum in der Regel nur gezeigt wird, wenn er dramaturgisch begründet ist“, heißt es bei der Degeto, die die „Louise Boni“-Reihe produziert hat. Der Umgang mit gefährlichen Genussmitteln werde keinesfalls verharmlosend oder werbend dargestellt.
Der Pay-TV-Sender Sky ist nicht öffentlich-rechtlich. In der dort laufenden deutschen Serie „8 Tage“ wird öfters geraucht. Da haben wir es mit der Apokalypse zu tun. Die Erde stirbt mit einem Kometeneinschlag. Gesundheitsbedenken? Wozu? „Chernobyl“, „Big Little Lies“, „Riviera“ – von rund einem halben Dutzend internationalen Serien, die zuletzt bei Sky starteten, kommt kaum eine ohne Kippe aus. Ganz zu schweigen von der tragikomischen Serie „Fleabag“ bei Amazon Prime.
Was der Fiktion dient, ist der deutschen TV-Talkshow beispielsweise abhanden gekommen. Es ist lange her, dass in „3 nach 9“ vor lauter Rauchschwaden die Gäste kaum zu erkennen waren. Die wenigen Zigaretten, die im „Tatort“ noch geraucht werden, hängen an den Lippen vom Münsteraner Kommissar Thiel (Axel Prahl). Auch „Der letzte Bulle“ Mick Brisgau (Henning Baum) hat auf Sat 1 tief durchgezogen, wogegen seit Jahren die Nichtraucher-Initiative Deutschland (NID) protestiert.
"Zwar kommen heutzutage häufiger Szenen vor, in denen eine angebotene Zigarette abgelehnt oder nur unter freiem Himmel geraucht wird“, sagt NID-Sprecher Ernst-Günther Krause. Zugleich steige die Zahl der Szenen, in denen Schauspieler mit tragenden Rollen völlig unerwartet einmal im Film, und das häufig am Ende, qualmen, nach dem Motto „Fall gelöst, jetzt brauchen wir was zur Beruhigung“.
Melika Foroutan alias Kommissarin Louise Boni, eine der ungewöhnlichsten Ermittlerinnen der jüngeren Vergangenheit, dürfte diese Diskussionen um Zigaretten- und Rauchverbote egal sein: Die rauchige Krimi-Reihe wurde leider nach nur zwei Ausgaben eingestellt.