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Heiner Bremer moderiert seit zehn Jahren "Das Duell auf n-tv".
© n-tv

Heiner Bremer über das TV-Duell: "Raab hat sich nicht abspeisen lassen"

Heiner Bremer im Tagesspiegel-Interview über das TV-Duell vom Sonntag, Kontroversen mit Aha-Effekt und zehn Jahre „Duell auf n-tv“.

Herr Bremer, wie viel Duell steckte im Schlagabtausch von Merkel und Steinbrück am Sonntag?
Wenn man darunter das Streitgespräch zwischen den Kontrahenten versteht, fand ein Duell nur ansatzweise statt. So war es mehr „Journalisten fragen, Politiker antworten“. Das liegt vor allem am TV-Format, das so von der Politik entwickelt wurde. Der Amtsinhaber scheut die direkte Konfrontation. Am Sonntag wurden viele Themenfelder diskutiert, einige wenige hätten vertieft werden müssen. Das Fernsehen hätte sich ein lebendigeres Format gewünscht. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Form des Duells ein gutes Modell für die Zukunft ist.

Stefan Raab sollte frischen Wind in das Duell bringen. Ist ihm das gelungen?
Er war tatsächlich der Moderator, der sich nicht hat abspeisen lassen mit der ersten Antwort. Er hat sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und nachgehakt. Und er hat gewonnen, weil er keinen Jux gemacht hat. Raab hat sich ernsthaft bemüht, Politik transparent zu machen. Von den vier Moderatoren war er der agilste. Man hat Raab angemerkt, dass er sich sehr gut vorbereitet hatte und sich in seinen Themen sehr gut zu Hause fühlte.

Und die anderen Moderatoren?
Sicherlich waren alle Moderatoren sattelfest. Aber möglicherweise müssen die anderen lernen, allen harten Regeln zum Trotz, stärker nachzuhaken. Maybrit Illner und Anne Will sind gewiefte Talkerinnen. Doch gerade die beiden haben sich von Raab ein wenig vorführen lassen.

Peter Kloeppel hatte sich bereits vor der Sendung für ein Duell nach US-Modell ausgesprochen, also zwei Kandidaten, ein Moderator so wie in ihrer Sendung „Duell bei n-tv“. Was ist der Vorteil?
Dafür spricht vor allem, dass der Moderator sehr viel schneller eine Konfrontation zwischen den Kandidaten hervorrufen kann. Die Gäste können viel schneller über ihre jeweiligen Positionen diskutieren. Der Moderator muss das Gespräch nur noch so lenken, dass es für den Zuschauer nachvollziehbar und verständlich bleibt. Aber ob das US-Modell jemals kommen wird, wage ich zu bezweifeln. Gerade der Amtsinhaber verspürt wenig Lust, sich mehrmals solchen harten Runden zu stellen. Mit dem Amtsbonus ausgestattet, gibt es für ihn dazu auch keine Veranlassung. Auch die Kanzlerin wird sich die Frage gestellt haben, warum musste das überhaupt wieder sein.

Einmal die Erkenntnis außen vor gelassen, dass Merkel und Steinbrück privat krankenversichert sind. Was hat das Duell sonst noch gebracht?
Merkel ist nach der Devise verfahren: keine Experimente, weiter so – mit mir und der FPD. Steinbrück hat Sachkompetenz bewiesen, klare Positionen bezogen. Er war angriffslustig, aber nicht überheblich oder aggressiv. Aber konkret gab es wenig außer Merkels Festlegung: Mit mir keine Pkw-Maut. Überraschend war, dass Merkel zumindest in der ersten Hälfte gar nicht richtig auf dem Platz schien. Steinbrück hingegen war nicht barsch, wusste nicht alles besser. Insofern hatte die Sendung doch ihren Spannungsbogen.

An diesem Dienstag wird Ihre Sendung „Das Duell auf n-tv“ zehn Jahre alt. Sie haben Peter Altmaier von der CDU und Renate Künast von den Grünen zu Gast. Wo liegt da die Kontroverse?
Unser Ansatz ist der Wahlcheck. Wir hatten als erste Paarung die Generalsekretäre von SPD, Andrea Nahles, und CDU, Hermann Gröhe. Die Fragestellung bei den beiden lautete: Reichen die Übereinstimmungen für eine große Koalition? Bei Altmaier–Künast geht es natürlich um Schwarz-Grün. Ich rechne als Ergebnis damit, dass eine solche Konstellation ganz schwer würde. Aber weil Altmaier kein ideologischer Politiker ist, kann die Sendung dennoch sehr spannend werden.

Man merkte Raab an, dass er sich gut vorbereitet hat

Duell heißt also nicht automatisch Konfrontation?
Es ist zumindest nicht das alleinige Ziel. Je turbulenter und temperamentvoller es zugeht, desto näher kommt die Sendung dem Duell. Aber manchmal geht es tatsächlich nicht so sehr um den Streit, den Krawall, sondern darum, von den Diskutanten etwas mehr Hintergrund zu erfahren, um Zusammenhänge zu erkennen. Das ist ein hoher Anspruch und manchmal mit gedruckten Medien viel leichter zu erreichen als im schnelllebigen Fernsehen. Aber man muss ja einen gewissen Ehrgeiz haben.

Da spricht der Journalist.
Eindeutig. Ich glaube, dass ich mitunter ganz witzig und schlagfertig sein kann. Aber im Kern bin ich immer Journalist geblieben, das war ich in den Jahren beim Stern genauso wie beim RTL-„Nachtjournal“. Im „Duell auf n-tv“ geht es mir auch darum, ein Streitgespräch zu moderieren, in dem der Zuschauer ein paar neue Dinge hört. Dass man als Moderator die Meinung etwas vorgeben kann, ist heute ganz wichtig, sonst schlaffen die Zuschauer ab.

Was spricht sonst noch für das Format?
Ein Vorteil des Duells ist, dass es sich um eine Konfrontation zweier Leute über 40 Minuten handelt. Eine solche Zeit hält keiner durch, der nur Phrasen oder Politfloskeln drischt. Ich habe mich immer gewundert, dass ARD und ZDF nie wieder ein solches Format wie das Duell aufgegriffen haben. Der Moderator hat bei zwei guten Gästen die Chance, sie sich wirklich miteinander verhaken zu lassen.

Die privaten und die öffentlich-rechtlichen Sender versuchen derzeit, die Wahlberichterstattung frischer zu gestalten. Ist man experimentierfreudig genug?
Experimente werden genügend gemacht, ich bin aber nicht sicher, ob immer in der richtigen Richtung. Ein Beispiel: die RTL-Sendung „Am Tisch mit“. Die erste Sendung mit Peer Steinbrück war wirklich interessant. Bei der Sendung mit Angela Merkel ist genau das eingetreten, was die Skeptiker gesagt haben. Ihr könnt normale Bürger so casten wie ihr wollt, in den Proben stellen sie möglicherweise auch richtig kesse Fragen. In der Hauptsendung sind sie dann jedoch alle in Ehrfurcht erstarrt, weil ja ihre Nachbarn sie sehen können, die Verwandten, die Kollegen. Das Experiment von Raab auf Pro Sieben mit „Absolute Mehrheit“ ist zwar auch noch nicht ideal, aber es ist möglicherweise der richtige Weg.

Muss sich die Politik mehr trauen, Stichwort Politikmüdigkeit?
Die Politik muss vor allem aufhören, so eitel zu sein und eine gewisse Arroganz an den Tag zu legen. So gut wie jede Einladung zu Günther Jauch oder Maybrit Illner bei den großen Sendern wird angenommen, aber insbesondere bei den kleineren Sendern haben sie nie Zeit. Dabei sollten die Politiker nicht vergessen: Wie viel Straßenwahlkampf müssen sie machen, um auf die 200 000 Zuschauer bei n-tv zu kommen?

Das Gespräch führte Kurt Sagatz.

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