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Der russische Staatspräsident Wladimir Putin sorgt sich um das Bild seines Landes im Ausland.
© reuters

Das Ungesagte sagen: Putin startet Medien-Sputnik

Kremlpositionen aus erster Hand. Russlands Staatschef Wladimir Putin rüstet den Propagandaapparat auf - die Agentur sputniknews.com soll künftig in 40 Sprachen berichten.

Auf die Meinung der Deutschen über Russland legt der zu DDR-Zeiten in Dresden als KGB-Offizier stationierte Kremlchef Wladimir Putin traditionell großen Wert. Was deutsche Medien berichten, kann er schon wegen seiner geschliffenen Sprachkenntnisse problemlos verfolgen. Dabei beklagen der 62-Jährige und sein Umfeld nicht erst seit dem Ukraine-Konflikt Stimmungsmache gegen sein Land. Die Antwort auf diese in Moskau gefühlte „russenfeindliche Haltung“ der Westmedien kommt jetzt. Das vor einem Jahr von Putin gegründete staatliche Medienimperium Rossija Segodnja - „Russland heute“ - geht in die Offensive.
Für den propagandistischen Großangriff im Ausland mit Fernsehen, Radio und Nachrichtenagentur hat Moskau auch in Berlin aufgerüstet. Auf der Seite des neuen Internetkanals rtdeutsch.com etwa verkünden die Macher: „Unsere News-Show Der fehlende Part kommt bald. Freut Euch auf eine Show, die das zeigt, was sonst von den Mainstream-Medien verschwiegen oder weggeschnitten wird.“ Das Programm ist angelehnt an das englischsprachige Staatsfernsehen Russia today. Der TV-Sender verbreitet schon seit 2005 Kremlpositionen „aus erster Hand“, wie Chefredakteurin Margarita Simonjan in Moskauer Medien betont.

Für die Propaganda roll der Rubel

Von 22 Büros in 19 Ländern spricht RT. Berlin ist dabei nur einer von zwölf internationalen Hubs - neben Großstädten wie Washington, London, Paris und Peking. „Russland ist ein führender internationaler Akteur. Und seine Stimme sollte überall gehört werden“, sagt Simonjan. Zwar ist Russland wegen der Wirtschaftssanktionen des Westens im Ukraine-Konflikt arg unter Druck. Doch für die Propaganda rollt der Rubel. Simonjan erhält wegen des Ausbaus des internationalen Angebots, zu dem auch RT auf Französisch gehört, im kommenden Jahr rund 15,4 Milliarden Rubel (263,2 Millionen Euro) - rund 41 Prozent mehr als bisher, wie das Wirtschaftsblatt „RBKdaily“ berichtet. Für die Nachrichtenagentur sollen zusätzlich 6,48 Milliarden Rubel fließen, zweieinhalb so viel wie für die Staatsagentur Ria Nowosti, die aufgelöst wird.

An diesem Montag nun wollen Simonjan und ihr Generaldirektor Dmitri Kisseljow vor internationalem Publikum die nächste Stufe zünden: Eine „neue Ära der Berichterstattung“ kündigen sie an. „Telling the Untold“ - das Ungesagte sagen - heißt es in der Einladung. Die neue internationale Agentur sputniknews.com soll künftig in mehr als 40 Sprachen berichten, wie vorab durchsickerte. Der Name Ria Nowosti, der ältesten russischen Agentur, soll dann Geschichte sein. Zu dem Medienkonglomerat Rossija Segodnja gehört unter anderem auch der Radiosender Golos Rossija - die „Stimme Russlands“.
Der Kreml machte schon im vergangenen Jahr deutlich, dass die neue Struktur Moskau wichtigstes Propaganda-Instrument wird: „Man muss die Wahrheit sagen und sie einer maximalen Anzahl Menschen zugänglich machen“, sagte Präsidialamtschef Sergej Iwanow. Dazu seien moderne Sprache und neue Technologien nötig. „Die Wiederherstellung einer gerechten Beziehung zu Russland als wichtigem Land der Welt mit guten Absichten - das ist die Mission“, sagte Generaldirektor Kisseljow.

Dmitri Kisseljow hatte Merkel mit Hitler verglichen

Dass Putin den für seine antiwestlichen Tiraden bekannten 60-Jährigen praktisch zum Chefpropagandisten des Landes machte, erstaunte selbst im Machtapparat viele. Kisseljows Kollegen erinnerten an seinen Vorschlag, toten Homosexuellen die Herzen herauszureißen und diese zu begraben - oder „zu verbrennen“. Im Zuge der Zypern-Rettung verglich er die Politik von Kanzlerin Angela Merkel mit der Adolf Hitlers. Zwar warnte auch der russische Journalistenverband vor der Macht des neuen Propaganda-Apparats. Doch gegen die Staatsmedien mit gut bezahlten Journalisten haben unabhängige Medien kaum eine Chance. Das Land gilt nicht erst seit dem Tod der Reporterin Anna Politkowskaja als gefährliches Pflaster für Kritiker der Mächtigen. Russische Internetportale, die die Annexion der Schwarzmeerhalbinsel Krim im März kritisierten, sahen ihre Seiten rasch blockiert. Bis heute kämpft der Kremlgegner und Schachweltmeister Garri Kasparow um die Freischaltung der Seite kasparov.ru.

Kremlkritische Medien wie das Internetfernsehen Doschd, der Radiosender Echo Moskwy und die Zeitung „Nowaja Gaseta“ sehen sich immer wieder Druck von Behörden ausgesetzt. Auch Medien mit ausländischem Kapital ließ Putin jetzt die Zügel anlegen. Nicht-russische Investoren dürfen künftig nur 20 Prozent der Anteile halten - ein schwerer Schlag etwa für die Wirtschaftszeitung „Wedomosti“, die dann fast alles verkaufen muss.

Ulf Mauder

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