Medien: Protest vor der Glotze
Fernsehen gegen Berlusconi Italiener aller Länder versammeln sich
„Tutti in piazza“, raus auf die Straße, das war und ist nicht nur in Italien die Parole, wenn es darum geht, Protest machtvoll zur Geltung zu bringen. Die letzten Demonstrationen gegen die Regierung Berlusconi, gegen die Rentenreform oder gegen sein Immunitätsgesetz, brachten mehr als eine Million Menschen auf die Straße. Die Gegner des Premiers haben nun eine weniger anstrengende Methode gefunden: Aufs Sofa gegen die Regierung! Auf rund eine Million schätzen die Programm–Macher die Zuschauer, die sich am Sonntagabend erstmals versammelten, um die Sendung „Ora basta“ („Jetzt reicht’s“) zu sehen. Angeschlossen in Italien waren Theater und Sporthallen, in anderen Ländern die Treffpunkte der Exil-Italiener, so etwa die Londoner „Bar Italia“ oder der „Circolo Sardo“ in Berlin-Charlottenburg, wo 60 italienische und deutsche Tifosi der Bürgerinitiative Stop-Berlusconi bei einem Teller Pasta vor dem Bildschirm saßen. Die „Demo- Show“, die die Macher der „Girotondi“ organisiert hatten, jener Protest-„Ringelreihen“ gegen die auf den Premier zugeschnittenen neuen Gesetze, wurde drei Stunden lang über die Satellitenverbindung von „Emi.li- TV“ übertragen – einer Art offenen Kanals, zu dem sich mehrere nicht regierungsfromme Sender zusammengeschlossen haben. Hauptdarsteller waren prominente Opfer und Beobachter von Berlusconis Medienpolitik, etwa sein Biograf Marco Travaglio oder die Kabarettistin Sabina Guzzanti, deren Satiresendung der Staatssender Rai vor kurzem aus dem Programm geworfen hat.
Die erste Live-Show aus der Palalido-Halle in Mailand – die nächste ist für Januar geplant – wird die Italiener kaum von Berlusconis Seifenopern abbringen: Viele Reden statt großer Gala und der „Ärsche und Titten“, die eine Teilnehmerin den Massensendern vorwarf. Und die Opfer der Regierungspolitik traten auch nicht in Armani vors Mikrofon, sondern meist in 70er-Jahre-Cord und Shetlandwolle. Im Saal ging eine Sammelbüchse herum, und gelegentlich liefen Techniker durchs Programm. Trotzdem: Der Versuch, Berlusconi ausgerechnet über das Fernsehen zu schlagen, scheint nicht hoffnungslos. Staatspräsident Ciampi jedenfalls verweigerte einen Tag später die Unterschrift unter jenes Gesetz, das Berlusconis Herrschaft über die Massenmedien sichern soll.
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